Auch wenn der Spaziergang, wie es sich gehört, ab und an vom Weg gedankenvoll abweicht, befindet sich der Wanderer hier noch immer auf dem schlängelnde Pfad durch die naive Natur, beseelt von ihrem Erleben. Aber von hier aus lohnt sich der Blick übers Tal hinüber zum Landgrafen und Jägerberg. Auf die Schlachtfelder von 1806!
In einem bei Jena liegenden Dorf, erzählte mir, auf einer Reise nach Frankfurt, der Gastwirt, dass sich mehrere Stunden nach der Schlacht, um die Zeit, da das Dorf schon ganz von der Armee des Prinzen von Hohenlohe verlassen und von Franzosen, die es für besetzt gehalten, umringt gewesen wäre, ein einzelner preußischer Reiter darin gezeigt hätte; und versicherte mir, dass wenn alle Soldaten, die an diesem Tage mitgefochten, so tapfer gewesen wären, wie dieser, die Franzosen hätten geschlagen werden müssen, wären sie auch noch dreimal stärker gewesen, als sie in der Tat waren.
Mit diesem atemberaubenden Satz beginnt Heinrich Kleists Anekdote aus dem letzten preußischen Kriege. Mit dem Dorf könnte Vierzehnheiligen, Lützeroda oder Krippendorf gemeint sein. Am 14. Oktober 1806 wurde die besagte Hohenlohsche Armee von den Truppen Napoleons vernichtend geschlagen. Ein furchtbares Gemetzel. In dieser Schlacht ließen 10.000 Preußen ihr Leben und weitere 3.000 gerieten in Gefangenschaft. Die Franzosen verloren ungefähr 7.500 Soldaten.
Seine Fesseln zerbricht der Mensch. Der Beglückte! Zerriss‹ er
Mit den Fesseln der Furcht nur nicht den Zügel der Scham!
Freiheit ruft die Vernunft, Freiheit die wilde Begierde,
Von der heilgen Natur ringen sie lüstern sich los.
Ach, da reißen im Sturm die Anker, die an dem Ufer
Warnend ihn hielten, ihn faßt mächtig der flutende Strom,
Ins Unendliche reißt er ihn hin, die Küste verschwindet,
Hoch auf der Fluten Gebirg wiegt sich entmastet der Kahn,
Hinter Wolken erlöschen des Wagens beharrliche Sterne,
Bleibend ist nichts mehr, es irrt selbst in dem Busen der Gott.
Aus dem Gespräche verschwindet die Wahrheit, Glauben und Treue
Aus dem Leben, es lügt selbst auf der Lippe der Schwur.
(Der Spaziergang, Auszug)
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