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Jens-F. Dwars
Alle Rechte liegen beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors. Erstabdruck in: Palmb 2/24, S. 179 f (2.190)
Jens‑F. Dwars
Im Silberlicht des Mondes
Schwimmlicht des Mondes. Sbirrenantlitz, Silberkraal, das hippokratische Gesicht, ein Kupfergong, der hagestolze Mond. Tausend Namen wusste Arno Schmidt für den Erd- trabanten in nüchternster Poesie.
So artistisch-unterkühlt mag es André Schinkel nicht. Auch er besingt den Mond in vielen Varianten, doch der Grundton seiner Gedichte erinnert eher an Pink Floyds Dark Side of the Moon: schwebende Gitarrenriffs wie Sphärenklänge, musikalische Bilder der Verlorenheit wie in Melancholia, der traurig schönen Liebeserklärung des Lars von Trier an die große Scheibe am nächtlichen Himmel.
„Du regst den flammenden Leib in die Brandung, / Mit Glut, Hast und Wehsucht durchmischt“ heißt es in Die Dämmerung. „Wehsucht“ – ein schönes und verräterisches Wort. Es reimt sich nicht nur auf die Sehnsucht nach dem Ungebundenen, das Urmotiv der Romantik, es markiert auch deren heimlich unheimliche Kehrseite: das Wehe und das Leiden, das zur Sucht werden kann.
Aber das trifft nur eine Ebene dieses vielschichtigen Buches. Es ist dort kraftvoll, anrührend und neu, wo der Verfasser der Versuchung widersteht, das vielgestaltige Leid, vom Liebesverlust bis zu den Kriegen der sich mit Wahnsinn aufladenden Welt, zu ästhetisieren, wo er es aushält und eben dieses Aushalten kristalline Form wird.
Form kann in formlosen Zeiten der Auflösung Trost spenden, Kraft geben, widerständige Energien. Das war das Geheimnis des Barock und es gibt in diesem Buch direkte Anleihen an barocke Versformen wie im Gedicht Die Straße glänzt. Stark sind Wielands Grab, Fahrt durch den Nebel, Eo ipse und Wenn das Feuer spricht. Schön auch das frühe Liebesgedicht Apfel und Szepter oder das wunderbar einfache Die blauen Kirschen deiner Augen.
Vielleicht ist es ein Buch der inneren Wandlung: von der Wehsucht des verlorenen Ich hin zur noch immer feinfühligen Welthaltigkeit. Am Ende heißt es: „Doch / Liebe ist, was ein Gegenüber braucht“. Das Cover zeigt keinen Mond, sondern eine wunderbar spröde Kaltnadellandschaft von Susanne Theumer. Möge der Autor dort ankommen.
André Schinkel, Mondlabyrinth. Gedichte, Mitteldeutscher Verlag Halle 2024, 140 S., br., 20 EUR
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