Christian Rosenau

Der 1980 in Wei­mar gebo­rene und in Ulla bei Wei­mar auf­ge­wach­sene Lyri­ker Chris­tian Rosenau setzt in sei­nem lyri­schen Werk nicht auf die Erin­ne­rung als »bio­gra­phi­sches Erzäh­len und Gestal­ten«, son­dern »die Erin­ne­rung ist viel­mehr Teil der lite­ra­ri­schen Gestal­tung«, mit der er »die Mecha­nis­men und Pro­jek­tio­nen der Erin­ne­rung« in poe­ti­sche Spra­che überführt.

Rosenau, der sich mit bis­lang drei Ver­öf­fent­li­chun­gen bereits einen Namen gemacht hat, ist in sei­ner lyri­schen Spra­che weit davon ent­fernt, Kli­schees zu bedie­nen. Er setzt in den bis­lang vor­ge­leg­ten Gedich­ten sowohl auf das ursprüng­li­che, unmit­tel­bare Selbst­er­leb­nis, als auch auf poe­ti­sche Ver­dich­tun­gen, die sich in einer Poly­pho­nie der Stim­men mani­fes­tie­ren. Sein eige­nes Erle­ben spielt er gegen­über dem »Fak­tum des Unter­gangs einer gan­zen Gesell­schafts­ord­nung« nie in den Vordergrund.

Chris­tian Rosenau gehört zu den wich­tigs­ten Thü­rin­ger Dich­tern der jün­ge­ren Genera­tion. In sei­nen Gedich­ten, etwa im Band »Im Zwei­fel nach Haus« (Wei­mar 2012) gibt er sich als gründ­lich am Wort arbei­ten­den Lyri­ker zu erken­nen. So ver­zich­tet er (gekonnt) auf Manie­ris­men und um Ori­gi­na­li­tät um des schie­ren Effekts willen.

Wie der Staub­zun­gen auf-
stie­ben­des Vokabular
sich senkt ins Gedächtnis.

heißt es im Gedicht »Hei­mat­men«;

und unter alten Apfelbäumen
lag im Herbst mein klei­ner Kopf,
ganz verschrumpelt
über­sät mit Fliegen.

aus sei­nem Kerngehäuse
brach das Lied.

Rosenau ist einer, der weni­ger auf das Sich-in-Szene-Set­zen, auf die Suche nach Welt als not­wen­di­gem Eli­xier für Welt­läu­fig­keit baut, son­dern seine unmit­tel­bare Welt sieht und mit ihr in einen Dia­log tritt. Dafür bedarf es weni­ger der gro­ßen Schritte, als des genauen Blicks.

Die­ser Blick ist immer ein Blick auf die sprach­li­che Umsetz­bar­keit von Beob­ach­tun­gen. Die Betrach­tung der im Früh­jahr blü­hen­den Raps­fel­der gabt ihm Anlaß zu einem Zyklus von Raps-Gedich­ten, »Rap­so­dien«. Wenn­gleich er das Schwel­ge­ri­sche der Blü­ten­pracht her­aus­stellt, so scheint bei­läu­fig fast das Unsicht­bare auf:

Raps, wohin mich
deine Kreuzblüten
ver­schlu­gen – feldwärts,
bis zur Hüfte die Hybride,
(Rap­so­die Nr. 7).

Und in der »Rap­so­die Nr. 9« der Blick zurück

von der Heimat,
die uns vor Jah­ren schon
abhandenkam.

in den Scho­ten die Trauer,
Schwarzkörner -
Raps.

Das ist jen­seits aller nost­al­gi­schen Ver­klä­run­gen von Hei­mat und Poe­sie. Rosen­aus Blick rich­tet sich hier auf eine Kind­heit der inten­si­ven Gerü­che, ers­ten prä­gen­den Ein­drü­cke und den Ver­such, mit dem Blick zurück die­ser ver­gan­ge­nen, ent­schwun­de­nen Zeit erneut hab­haft zu wer­den. Der Dich­ter ver­bin­det hier die Sehn­sucht nach der ursprüng­li­chen Natur mit der Tech­ni­sie­rung unse­res Lebens, ohne ins Kli­schee­hafte zu ver­fal­len. Ein­drucks­voll zeigt er die Ver­bin­dung von Natur und Mensch und des­sen Geschicht­lich­keit in dem Gedicht »nur nachts« auf:

ein ursup­pent­rü­bes Gedächtnis
und Salz die­ser Erde, das atmet,
noch atmet
aus dem Kie­men der Stadt.

Mit dem Bild des »ursup­pent­rü­ben Gedächt­nis­ses« evo­ziert Rosenau poe­tisch das Bild des kol­lek­ti­ven Gedächt­nis­ses, des »kol­lek­ti­ven Flim­merns« (um einen Begriff von Hans Magnus Enzens­ber­ger zu ver­wen­den), das man im Sinne Rosen­aus auch als die Poly­pho­nie der sub­jek­ti­ven Erin­ne­run­gen nen­nen könnte.

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