Auf den Spuren des Dichters Otto Ludwig in Eisfeld
6 : Zwischen Himmel und Erde

Person

Otto Ludwig

Ort

Eisfeld

Thema

Von Goethes Tod bis zur Novemberrevolution

Autor

Heiko Haine

Thüringer Literaturrat e.V.

Der lei­tende Gedanke mei­nes Buches ist: jeder Mensch schafft sich sein Schick­sal, sei­nen Him­mel selbst, wohl­ver­stan­den aber: eben nur den sei­nen.« Die­ser Gedanke ist zugleich Aus­druck der Welt­an­schau­ung Otto Lud­wigs, die aus den Schluss­wor­ten sei­ner Erzäh­lung spricht: »Nicht der Him­mel bringt das Glück; der Mensch berei­tet sich sein Glück und spannt sich sei­nen Him­mel sel­ber in der eige­nen Brust … Kehre dich nicht tadelnd von der Welt, wie sie ist, suche ihr gerecht zu wer­den, dann wirst du auch gerecht. Und in die­sem Sinne sei dein Wan­del: Zwi­schen Him­mel und Erde!

Das Buch fand schnell weite Ver­brei­tung, sogar über Deutsch­land hin­aus in mehr­spra­chi­gen Übersetzungen.

Natür­lich wurde es auch in Eis­feld bekannt, und es tauchte die Frage auf, ob der Ver­fas­ser nach­weis­bare Erin­ne­run­gen aus sei­ner Hei­mat­stadt in die Erzäh­lung auf­ge­nom­men hat. Zwei­fel­los konnte der Dich­ter den furcht­ba­ren Stadt­brand 1822, der seine Fami­lie rui­nierte, nie ver­ges­sen. Doch ebenso stark musste sich dem Zwan­zig­jäh­ri­gen das Erleb­nis eines Win­ter­ge­wit­ters vom 5. zum 6. Februar 1835 in Eis­feld ein­ge­prägt haben, bei dem es mehr­mals in den Kirch­turm St. Niko­laus ein­schlug und zün­dete. Mit viel Auf­wand wurde der Brand gelöscht. Der Blitz­ein­schlag war so hef­tig, dass er durch die ganze Kir­che hin­durch­ge­gan­gen war. Lud­wig ver­tauschte in dich­te­ri­scher Frei­heit den Namen des Tur­mes und bezeich­nete ihn mit St. Georg, wie der Spi­tal­turm in der Eis­fel­der Alt­stadt gehei­ßen hatte. Es ist wahr­schein­lich, dass sich die Erin­ne­run­gen an das eigen­ar­tige Natur­schau­spiel spä­ter mit dem Schick­sal der Schie­fer­de­cker­fa­mi­lie in »Zwi­schen Him­mel und Erde« ver­band. Die Gewit­ter­nacht aber wurde der Höhe­punkt der Ereig­nisse, aus denen der Held Apol­lo­nius Net­ten­mair als Ret­ter der Stadt her­vor­geht und sein Glück, das innere Gleich­ge­wicht im Ein­satz für das All­ge­mein­wohl wiederfindet:

Es schlug Zwölf vom Sankt Geor­gen­turm. Der letzte Schlag schien nicht ver­hal­len zu kön­nen. Aber das tiefe dröh­nende Sum­men, das so lange anhielt, war nicht mehr der ver­hal­lende Glo­cken­ton. Denn nun begann es zu wach­sen; wie auf tau­send Flü­geln kam es ange­rauscht und geschwol­len und stieß zor­nig gegen die Häu­ser, die es auf­hal­ten woll­ten, und fuhr pfei­fend und schril­lend durch jede Öff­nung… Da man ein Gewit­ter vor­aus­sah, war alles in den Klei­dern geblie­ben… Der Sturm brauste fort, aber wie er aus dem letz­ten Glo­cken­ton von Sankt Georg gebo­ren schien, so erhob sich jetzt aus sei­nem Brau­sen etwas, das an Gewalt sich so rie­sig über ihn empor­reckte, wie sein Brau­sen über den Glo­cken­ton. Eine unsicht­bare Welt schien in den Lüf­ten zu zer­trüm­mern. Der Sturm brauste und pfiff wie mit der Wut des Tigers, das er nicht ver­nich­ten konnte, was er packte, das tiefe majes­tä­ti­sche Rol­len, das ihn über­dröhnte, war das Gebrüll des Löwen, der den Fuß auf dem Feinde hat, der tri­um­phie­rende Aus­druck der in der Tat gesät­tig­ten Kraft. »Es hat ein­ge­schla­gen«, sagte einer. Apol­lo­nius dachte: Wenn es in den Turm schlüge von Sankt Georg, dort in die Lücke und ich müßte hin­auf und es schlüge Zwei und – Er konnte nicht aus­den­ken. Ein Hil­fe­schrei, ein Feu­er­ruf erscholl durch Sturm und Donner.

 Auf den Spuren des Dichters Otto Ludwig in Eisfeld:

  1. Der Mann auf dem Sockel
  2. Der Eisfelder Marktplatz
  3. Das Eisfelder Rathaus
  4. Der dicke Herr
  5. Das Geburtshaus
  6. Zwischen Himmel und Erde
  7. Die alte Bastei
  8. Der Schützenhof zu Eisfeld
  9. Der Garten - »Jedes Blättchen ist mir wie ein Bruder«
  10. Die Dichtergedenkstätte
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