Vom »Partekenhengst« zum »Junker Jörg« – Auf den Spuren Luthers und der heiligen Elisabeth von Eisenach auf die Wartburg
6 : Lutherhaus

Person

Martin Luther

Orte

Eisenach

Lutherhaus Eisenach

Thema

Schriftsteller der Frühen Neuzeit

Autor

Sylvia Weigelt

Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.

Luther war noch keine fünf­zehn Jahre alt, als er – das erste Mal ohne elter­li­che Obhut und Auf­sicht – einer Frau begeg­nete, die ihm offen­sicht­lich gewo­gen war: Ursula Cotta, seine Eisen­acher Wir­tin. An sie erin­nert er mehr­fach, wenn auch namen­los, als seine »Wir­tin« zu Eisenach.

So weiß er auch spä­ter noch ange­sichts sei­nes ehe­li­chen Glücks mit Käthe: »Darum sagte meine Wir­tin zu Eisen­ach recht, als ich daselbst in die Schule ging, <Es ist kein lie­ber Ding auf Erden, als Frau­en­liebe, wem sie zuteil mag wer­den>« (Tisch­re­den). An ande­rer Stelle lesen wir: »Wem ein tugend­sa­mes Weib beschert ist, das ist viel edler denn die köst­lichs­ten Per­len« (Über­set­zung des Spru­ches Salo­mo­nis Kap. 31, Vers 10, 1532/33, als Spruch sei­ner Wir­tin am Rande markiert).

Wer aber war diese »Wir­tin«?

Luther lässt uns wis­sen, er habe bei »Cuntz (Kon­rad) Kot­ten« Her­berge und Unter­halt gehabt. Ursula war des­sen Ehe­frau. Kon­rad Cotta wird 1505 noch als Gemein­de­ver­tre­ter der Stadt genannt. Folg­lich kann Ursula 1498/1501 nicht Witwe gewe­sen sein. Ursula Cotta war die Toch­ter Hein­rich Schal­bes, dem Initia­tor des »Kol­le­gium Schal­bense«, war, des­sen beson­dere För­de­rung Luther erfuhr. Bei Schalbe kam er auch in den Genuss eines Frei­ti­sches; frei­lich nicht ohne Gegen­leis­tung. Der Klas­sen­pri­mus Luther gab Schal­bes Sohn und Ursu­las Bru­der Kas­par Nach­hil­fe­un­ter­richt. Ursula Cotta starb am 29. Novem­ber 1511, wie die Inschrift auf ihrem Grab­stein (nicht erhal­ten, einst in der Geor­gen-Kapelle auf­ge­stellt) aus­wies. Aus die­sen weni­gen Fak­ten erwuchs schon bald die sog. »Ursula-Legende«.

Den Grund­stein dafür lie­ferte Johann Mathe­sius (1504–1565), Schü­ler und Tisch­ge­nosse des Refor­ma­tors, in sei­nen »Erin­ne­run­gen an Luther«: der schrieb, die Wir­tin sei eine »andäch­tige Matrone« gewe­sen, die den um Brot sin­gen­den Kna­ben an ihrem Tisch auf­nahm, »die­weil sie um sei­nes Sin­gens und herz­li­chen Gebets wil­len in der Kir­che eine sehn­li­che Zunei­gung zu dem Kna­ben trug.« Der Ahnen­for­scher Pau­lini beschreibt sie als »rei­che alte Dame«, die Gefal­len an dem Kna­ben gefun­den und ihn wohl­wol­lend geför­dert habe. Für wie­der Andere aber war Ursula Cotta eine junge Witwe von kaum sieb­zehn Jah­ren und folg­lich sei es nur zu ver­ständ­lich, dass zwi­schen ihr und dem jun­gen Luther erste zarte Lie­bes­bande geknüpft wor­den seien. Luther habe eine »schwär­me­ri­sche Zunei­gung« zu ihr erfasst.

Das bekannte Bild von F. Pau­wels im Luther­haus nährt diese Vor­stel­lung. Es zeigt den Kna­ben Mar­tin mit drei wei­te­ren Kna­ben sin­gend vor der jun­gen Frau, die ihm ange­tan lauscht. Ursula Cotta scheint hier kaum älter als zwan­zig Jahre zu sein. In ihrem Arm hält sie ihren jün­ge­ren Bru­der Kas­par Schalbe, der etwa in Luthers Alter, also 14/15, gewe­sen sein wird. Er, wie auch Luther, erscheint hier jedoch deut­lich jünger.

Das Bild spie­gelt also kaum die Rea­li­tät wider, son­dern ver­mit­telt eine Situa­tion, die zur Zeit sei­ner Ent­ste­hung 1872/80 bereits zum Bestand­teil des Luther­bil­des gehörte: die roman­tisch ver­klärte Situa­tion des um Brot bit­ten­den Kna­ben, der die wohl­ha­bende Dame durch sei­nen Gesang und seine Bedürf­tig­keit anrührt. Die Wirk­lich­keit, soweit sie sich bei der spär­li­chen Quel­len­lage über­haupt rekon­stru­ie­ren lässt, sah wohl etwas anders aus. Dass aber Luther den Spruch sei­ner Wir­tin mehr­fach zitierte, trug wohl maß­geb­lich zu die­ser Legen­den­bil­dung bei.

Die ange­nehme und lehr­rei­che Zeit im Hause Cotta könnte ihn auch zu sei­ner nach­drück­li­chen Emp­feh­lung für eine gute Erzie­hung der Kin­der ver­an­lasst haben: »Kannst du es nicht, bitte und such andere Leute, die es kön­nen, und lass dich kein Geld, Kost, Mühe und Arbeit reuen« (Ser­mon vom ehe­li­chen Stand, 1519).

Das Cott­asche Haus, in dem Luther als Schü­ler wohnte, befand sich eigent­lich in der Geor­gen­vor­stadt (Cott­asches Pal­lais). Doch schon bald nach Luthers Tod galt das heu­tige Luther­haus – das sich im Besitz eines Bru­ders von Kon­rad Cotta befand – als das Her­bergs­haus Luthers. Ein fin­di­ger Wirt, der Ende des 16. Jahr­hun­derts hier ein Wirts­haus betrieb, baute den Ruf des Hau­ses als authen­ti­schen Luther­ort aus. Heute kann man hier u. a. zwei his­to­ri­sche Räume sehen, die Luther einst bewohnt haben soll.

Ca. 200 m durch die Char­lot­ten­straße zum Frau­en­plan.

 Vom »Partekenhengst« zum »Junker Jörg« – Auf den Spuren Luthers und der heiligen Elisabeth von Eisenach auf die Wartburg:

  1. Lutherdenkmal am Karlsplatz
  2. Nikolaikirche
  3. Elisabethkirche
  4. Georgenkirche
  5. Steinhof – heute Residenzhaus
  6. Lutherhaus
  7. Die Marienkirche – der Dom
  8. Bach-Haus
  9. Reuter-Wagner-Museum
  10. Elisabethbrunnen
  11. Das Hospital unter der Wartburg
  12. Die Wartburg
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