Dankmar Bosse / Maja Rehbein – »Jutta Hecker. Ein Leben für die Weimarer Klassik«

Person

Jutta Hecker

Orte

Villa Altenburg

Weimar

Thema

Gelesen & Wiedergelesen

Autor

Thomas Liebe

Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors. Erstdruck in: Palmbaum, Heft 1/2022.

Tho­mas Liebe

Jutta Hecker

 

Um Jutta Hecker (1904–2002), die Ehrenbürgerin Wei­mars, ist es im neuen, schnell­le­bi­gen Jahr­tau­send ruhi­ger gewor­den. Und dabei hat diese Frau als Schrift­stel­le­rin, pro­mo­vierte Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­le­rin und Päd­ago­gin Außer­or­dent­li­ches geleis­tet. Maja Reh­bein und Dank­mar Bosse haben den Titel ihrer Mono­gra­phie klug gewählt, steht er doch für Heckers Dop­pel­be­ga­bung als Erzäh­le­rin und Wis­sen­schaft­le­rin. Grund­lage die­ses Buches ist eine Fülle bekann­ter und vor allem neu erschlos­se­ner Doku­mente. Bestechend ist der beigefügte Bestand an Fotos. Hecker, die Toch­ter des nam­haf­ten Goe­the-Phi­lo­lo­gen Max Hecker, ist in Wei­mar gebo­ren und auf­ge­wach­sen. In München stu­dierte sie Ger­ma­nis­tik und Anglis­tik. 1932 erlangte sie den Dok­tor­ti­tel mit einer Arbeit zur Sym­bo­lik in der Roman­tik. Es schloss sich eine freie Mit­ar­beit am Goe­the-Schil­ler- Archiv an, wo sie als Edi­to­rin an der Seite ihres Vaters tätig war. Nach­dem sie von 1935–1937 in Jena ein päd­ago­gi­sches Zusatz­stu­dium absol­viert hatte, war sie an ver­schie­de­nen Schu­len tätig. Die letz­ten Jahre wäh­rend des Natio­nal­so­zia­lis­mus arbei­tete sie als Gründungsdirektorin einer Leh­re­rin­nen­an­stalt in Hon­nef (am Rhein). Die­ses Amtes wegen wurde sie nach 1945 aus dem öffent­li­chen Dienst ent­las­sen. Die Fami­lie Bosse, der einer der Autoren ange­hört, fing sie auf. Und so wurde sie zu einer enga­gier­ten Mit­ar­bei­te­rin der Firma Bosse, die Woh­nungs­ein­rich­tun­gen her­stellte. Im Jahre 1954 wagte Jutta Hecker den Sprung in die Frei­be­ruf­lich­keit als Schrift­stel­le­rin. Gleich ihr Debüt Die Alten­burg (1955) wurde ein Erfolg. Darin erzählt sie die Geschichte des Hau­ses, das spä­tes­tens seit Franz Liszt berühmt wurde. Hier gaben sich jahr­zehn­te­lang Künstler, Lite­ra­ten und Wis­sen­schaft­ler die Klinke in die Hand. In der Alten­burg, gegenüber dem berühmtesten aller deut­schen Lite­ra­tur­ar­chive, wohn­ten die Heckers, Endes des 19. Jahr­hun­derts für kurze Zeit auch Rudolf Stei­ner. In ste­ter Folge ver­öf­fent­lichte Jutta Hecker ein Jugend­buch über Wickel­mann, Goe­the-Novel­len sowie Romane über Wie­land, Ecker­mann, Schil­ler und die Schau­spie­le­rin Corona Schrö­ter. In den Pas­sa­gen der Mono­gra­phie, in denen Heckers Haupt­werke vor­ge­stellt wer­den, hätte man sich mehr Ana­lyse und weni­ger Nach­er­zäh­lung gewünscht. Die Auf­fas­sun­gen des Anthro­po­so­phen Rudolf Stei­ner, des Vaters der Wal­dorf­schu­len, haben Jutta Hecker jahr­zehn­te­lang geprägt. Stei­ner, obgleich kein Phi­lo­loge, war auch am Goe­the-Schil­ler-Archiv tätig. Er beschäf­tigte sich vor allem mit Goe­thes natur­wis­sen­schaft­lich Schrif­ten, wobei ihn nament­lich die Meta­mor­pho­sen und die Far­ben­lehre inter­es­sier­ten. Stei­ners Goe­the-Bild kul­mi­nierte 1897 in dem Buch Goe­thes Welt­an­schau­ung. Da man Stei­ners Denk­an­satz (von der »Weis­heit des Men­schen«) in der DDR kaum kannte und wenig schätzte, musste die Autorin ihr Stei­ner-Buch fast heim­lich schrei­ben. Noch vor 1989 konnte es in Dor­nach in der Schweiz am Goe­thea­neum, dem Sitz der Stei­ner-Gesell­schaft, erschei­nen. Kaum überschaubar ist die Anzahl der klei­ne­ren publi­zis­ti­schen Arbei­ten der Jutta Hecker, die meist für Tages­zei­tun­gen ent­stan­den. Mit Gewinn kann man einige die­ser Kost­pro­ben (im Anhang des Ban­des) genie­ßen. Der Leser wird gründlich darüber unter­rich­tet, wel­che Aner­ken­nun­gen und Preise die Schrift­stel­le­rin vor und nach dem gesell­schaft­li­chen Umbruch erhielt. Glei­cher­ma­ßen erfah­ren wir von den Kon­flik­ten und Beein­träch­ti­gun­gen, die Jutta Hecker mit ihren Tex­ten in den Ver­la­gen der DDR durch­zu­ste­hen hatte. Ebenso ist wie­der­holt von Wid­rig­kei­ten im Lebens­all­tag der Schrift­stel­le­rin die Rede. Jutta Hecker lebte über Jahr­zehnte mit ihrer Schwes­ter in der Alten­burg. Den letz­ten Lebens­ab­schnitt ver­brachte die hoch­be­tagte Autorin allein – im fast benach­bar­ten Wei­ma­rer See­bach- Stift. Maja Reh­bein lässt das Buch mit einem Spa­zier­gang durch die Stadt an der Ilm aus­klin­gen. Wel­che Orte erin­nern an »ihre« Autorin, wel­che soll­ten im kul­tu­rel­len Gedächt­nis blei­ben? Autorin und Rezen­sent sind sich einig darin, dass an die Alten­burg (die Jutta Hecker zu einem lite­ra­ri­schen Ort machte) unbe­dingt eine Tafel ange­bracht wer­den sollte, die an die nam­hafte Bewoh­ne­rin erinnert.

 

  • Dank­mar Bosse / Maja Reh­bein: Jutta Hecker. Ein Leben für die Wei­ma­rer Klas­sik, Palm­baum Texte. Kul­tur­ge­schichte Bd. 47, quar­tus- Ver­lag 2022, 228 S., 19,90 EUR
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