Lokation
Detlef Ignasiak
Das literarische Thüringen, Bucha 2018.
Bis 1815, als das Städtchen zu Sachsen-Weimar kam, hieß der Ort Lengsfeld. Davor gehörte es den Boineburgern und war eine eigene Reichsritterschaft. Ludwig von Boineburg (vor 1491–1527) führte die Reformation ein und war Vormund des späteren hessischen Landgrafen Philipp. Er schützte die jüdischen Einwohner, deren Gemeinde erst die Nationalsozialisten 1942 auslöschten. Zeitweilig war die Anzahl der christlichen Kinder in Stadtlengsfeld so gering, dass sie zusammen mit den jüdischen Kindern unterrichtet wurden. Der 1745 angelegte jüdische Friedhof am Weilarer Weg ist bis heute erhalten.
Hermine (Minna) Meyer wurde 1804 in Gehaus geboren, das heute zu Stadtlengsfeld gehört. Sie war die spätere Ehefrau des Verlegers Joseph Meyer und Eigentümerin des von diesem gegründeten »Bibliographischen Instituts«. Dadurch war sie im 19. Jahrhundert die einzige deutsche Frau, die ein werdendes Großunternehmen führte. Ludwig Storch schrieb 1857 über sie in der »Gartenlaube«: »Mit wahrer Virtuosität wusste sie ihre Obliegenheit als Mutter und Hausfrau mit dem von ihr so lebhaft verfolgten und geförderten Geschäft zu verbinden.« Zudem arbeitete sie auch inhaltlich für den Verlag, vor allem seit 1826 für die «Bibliothek der deutschen Classiker«. Manches von Meyer ausgewählte Gedicht hat sich bis heute in Anthologien gehalten; auf sie gehen auch die Streichungen der obszönen Stellen in Goethes »Faust« (Hexenküche, Walpurgisnacht) zurück.
1827 wurde der Publizist und Pädagoge Julius Löwenheim in Gehaus geboren, Er wirkte zunächst als Lehrer an der jüdischen Schule in Stadtlengsfeld, nach 1876 dann als Redakteur in Eisenach und Erfurt. 1864 publizierte er den »Katechismus für den israelitischen Religionsunterricht«.
Hugo Channach Fuchs, 1878 in Stadtlengsfeld geboren, war Theologe und Historiker. Von 1907 bos 1938 war er der Rabbiner von Chemnitz, wo er in 2. Ehe mit Else Flieg verheiratet war, der Mutter des Schriftstellers Stefan Heym. Fuchs verfasste 1922 eine vielgelesene »Jüdische Geschichte«.
Aus Gehaus, wo das Boineburgsche Schloss noch zu bewundern ist, stammt der Rabbiner Juda Eberscht (um 1745/50–1794), der nach Offenbach auswanderte, wo sein Sohn Isaac Ben-Juda (1779–1854) geboren wurde; dieser ist der Vater des in Köln zur Welt gekommenen und vornehmlich in Paris wirkenden weltberühmten Komponisten und Theatermannes Jacques Offenbach (1819–1880).
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