Stadtlengsfeld
[Gemeinde]

Lokation

36457
36457 Stadtlengsfeld

50.782349, 10.129586

Autor

Detlef Ignasiak

Das literarische Thüringen, Bucha 2018.

Bis 1815, als das Städt­chen zu Sach­sen-Wei­mar kam, hieß der Ort Lengs­feld. Davor gehörte es den Boi­ne­bur­gern und war eine eigene Reichs­rit­ter­schaft. Lud­wig von Boi­ne­burg (vor 1491–1527) führte die Refor­ma­tion ein und war Vor­mund des spä­te­ren hes­si­schen Land­gra­fen Phil­ipp. Er schützte die  jüdi­schen Ein­woh­ner, deren Gemeinde erst die Natio­nal­so­zia­lis­ten 1942 aus­lösch­ten. Zeit­wei­lig war die Anzahl der christ­li­chen Kin­der in Stadt­lengs­feld so gering, dass sie zusam­men mit den jüdi­schen Kin­dern unter­rich­tet wur­den. Der 1745 ange­legte jüdi­sche Fried­hof am Weila­rer Weg ist bis heute erhalten.

Her­mine (Minna) Meyer wurde 1804 in Gehaus gebo­ren, das heute zu Stadt­lengs­feld gehört. Sie war die spä­tere Ehe­frau des Ver­le­gers Joseph Meyer und Eigen­tü­me­rin des von die­sem gegrün­de­ten »Biblio­gra­phi­schen Insti­tuts«. Dadurch war sie im 19. Jahr­hun­dert die ein­zige deut­sche Frau, die ein wer­den­des Groß­un­ter­neh­men führte. Lud­wig Storch schrieb 1857 über sie in der »Gar­ten­laube«: »Mit wah­rer Vir­tuo­si­tät wusste sie ihre Oblie­gen­heit als Mut­ter und Haus­frau mit dem von ihr so leb­haft ver­folg­ten und geför­der­ten Geschäft zu ver­bin­den.« Zudem arbei­tete sie auch inhalt­lich für den Ver­lag, vor allem seit 1826 für die «Biblio­thek der deut­schen Clas­si­ker«. Man­ches von Meyer aus­ge­wählte Gedicht hat sich bis heute in Antho­lo­gien gehal­ten; auf sie gehen auch die Strei­chun­gen der obs­zö­nen Stel­len in Goe­thes »Faust« (Hexen­kü­che, Wal­pur­gis­nacht) zurück.

1827 wurde der Publi­zist und Päd­agoge Julius Löwen­heim in Gehaus gebo­ren, Er wirkte zunächst als Leh­rer an der jüdi­schen Schule in Stadt­lengs­feld, nach 1876 dann als Redak­teur in Eisen­ach und Erfurt. 1864 publi­zierte er den »Kate­chis­mus für den israe­li­ti­schen Religionsunterricht«.

Hugo Chan­nach Fuchs, 1878 in Stadt­lengs­feld gebo­ren, war Theo­loge und His­to­ri­ker. Von 1907 bos 1938 war er der Rab­bi­ner von Chem­nitz, wo er in 2. Ehe mit Else Flieg ver­hei­ra­tet war, der Mut­ter des Schrift­stel­lers Ste­fan Heym. Fuchs ver­fasste 1922 eine viel­ge­le­sene »Jüdi­sche Geschichte«.

Aus Gehaus, wo das Boi­ne­burg­sche Schloss noch zu bewun­dern ist, stammt der Rab­bi­ner Juda Eberscht (um 1745/50–1794), der nach Offen­bach aus­wan­derte, wo sein Sohn Isaac Ben-Juda (1779–1854) gebo­ren wurde; die­ser ist der Vater des in Köln zur Welt gekom­me­nen und vor­nehm­lich in Paris wir­ken­den welt­be­rühm­ten Kom­po­nis­ten und Thea­ter­man­nes Jac­ques Offen­bach (1819–1880).

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