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Jens-Fietje Dwars
Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors. Erstdruck in: Palmbaum 2/2024.
Jens‑F. Dwars
Farewell, du Menschenwelt
Man möchte es ein Exempel später Gerechtigkeit nennen, einen Beweis, dass sich Qualität mit der Zeit doch durchsetzt: Wilhelm Bartsch erhält endlich den Rainer-Malkowski-Preis der Münchner Akademie der Künste, einen der höchstdotierten für Lyrik.
Ich freue mich von Herzen über diese Anerkennung, die der Hallenser seit Jahren mehr als verdient hat. Und doch ist dieser Preis auch ein Zeichen für den Zustand des Literaturbetriebes: Denn er ist den Beziehungen des Wallstein-Verlags zu verdanken, in dem Bartschs jüngster Gedichtband erschien.
Er enthält eine ganze Reihe der schönsten, formstrengsten, welthaltigsten und anspielungsreichsten Sonette, die seit der Jahrhundertwende auf deutsch geschrieben wurden. Lesen Sie Schattenkind, Vulpus volatus, Flügelwind, Farewell, my love oder Farewell, du Menschenwelt, eines meiner liebsten Gedichte des großen Grantlers von der Saale, der in sich die derbe Spottwut eines Brandenburgischen Bierkutschers mit dem heilig-nüchternen Ernst eines Zen-Priesters vereint, gewürzt mit der Bildung eines vielbelesenen Professors für die Literaturgeschichte aller Länder.
Die Anmerkungen des neuen Bandes deuten an, was er alles in seine Verse verwoben hat. Nicht nur das immer wiederkehrende »Farewell«, das Lebewohl, das er von Shakespeare geborgt hat: Abschiedsgruß einst an die Reisenden, die Seefahrer und Weltentdecker. Bartsch ruft es der Menschheit zu, die ihm rettungslos in ihrer Welt von Gier, Habsucht, Eitelkeit und Dummheit verloren scheint. Freilich, um an der letzten Utopie oder Realität (?) festzuhalten, dem Halt der Geliebten, den Shakespeare in seinem 66. Sonett feiert. Farewell, du Menschenwelt ist eine Adaption darauf: »… ich hab dich satt! / Du zwingst Verdienst zum Betteln …/ Die Kunst, jetzt verbeamtet, ist verstummt, / … / Du machst mich pappesatt und noch zum Schwein! / Doch so ließ ich die Liebste ja allein …«
Im vorhergehenden Band Gotische Knoten endete das Sonett noch mit: »All dies hab ich so satt bis ins Gebein. / Ich ginge sterben, bliebst nicht du allein.« Das Du dieser Hoffnung war die Geliebte, der Band schöner als der vorliegende, aber chancenlos, denn er erschien in meiner winzigen Edition.
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