Thema
Walter von der Vogelweide
Aus: Walter von der Vogelweide, Gedichte, Wilhelm Borngräber Verlag, Berlin 1907.
Walter von der Vogelweide
Uns hât der winter geschadet über al
Uns hât der winter geschadet über al:
heide und walt sint beide nu val,
dâ manic stimme vil suoze inne hal.
sæhe ich die megde an der strâze den bal
werfen! sô kæme uns der vogele schal.
Möhte ich verslâfen des winters zît!
wache ich die wîle, sô hân ich sîn nît,
daz sîn gewalt ist sô breit und sô wît.
weiz got er lât ouch dem meien den strît:
sô lise ich bluomen dâ rîfe nu lît.
***
Frühlingssehnsucht
Winter allorts uns mit Schaden bezwang,
Kahl ist der Wald und die Felder sind blank,
Wo einst so lieblich manch Stimmlein erklang!
Würfen die Mägdlein erst Straßen entlang
Wieder den Ball, kläng auch Vogelgesang!
Könnt ich verschlafen im Winter die Zeit!
Wach ich indessen, so schafft es mir Leid,
Daß er sein Zepter so weit schwingt und breit!
Endlich besiegt ihn der Mai doch im Streit:
Blumen dann pflück ich, wo heut es noch schneit!
Übertragung von Richard Zoozmann (1864–1934)
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