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Achim Wünsche
Erstdruck: Palmbaum 1/2021. Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Achim Wünsche
lüg‘ dir nichts vor
1952 in Plauen geboren, hat Volker Müller erst Lehrer, später Musik studiert, war Klarinettist im Staatlichen Sinfonieorchester Greiz, in den 90ern Lokalredakteur bei der Frankenpost und ist seit 1998 freischaffender Journalist und Schriftsteller.
Gedichte schreibt er schon lange. Rainer Kunze war sein Vorbild, Günter Ullmann sein väterlicher Freund und Mentor. Mit den beiden teilte er den Blick auf das lähmend Beengende der späten DDR. Groß waren ihre Hoffnungen auf die »Wende«, bitter die Enttäuschungen danach.
Nun verordnet er sich selbst und seinen Lesern »Gutgemeinte Nadelstiche« in Form von Gedichten und Dialogen. Eine Art Akkupunktur, um die erlahmenden Lebensgeister wieder wachzurufen. Denn es ist nicht besser geworden: »Die Flaggschiffe der freien Presse, / Was hätten wir seinerzeit gegeben, / Ein Exemplar davon, eine Seite nur / in der Hand zu halten. // Was ist anders geworden, / dass mich heute beim Anblick der gleichen Blätter / Scham und Entsetzen erfüllt«. Aufwachen will er: »mach die Augen auf, lüg‘ dir nichts vor«, doch es bleibt leider nur bei Nadelstichen, die nicht an die Wurzel des Übels rühren.
Es bleiben alarmierende Zeit-Zeichen: »Ich höre, dass seit neuestem das Führen großer Kriege / wieder für möglich gehalten wird«.
Auf andere Art versucht der Autor eben diese Zeichen der Zeit und seiner Müdigkeit in dem Roman Abschied von Sontamur zu deuten. Ganz offensichtlich verarbeitet er darin eigene Erfahrungen als Lehrer, Sinfoniker und Journalist, aufgeteilt auf mehrere Figuren. Sein »Held« Hans Berg kehrt aus der Hauptstadt zurück in die Provinz, wird in der Zeitung als Zuträger des einstigen Geheimdienstes verdächtigt, was sich als Sensationsmache erweist, erkundet die Vergangenheit seines Vaters und vor allem die seines Großvaters, der als einstiger Farbrikbesitzer von der Sowjetarmee enteignet wurde und plötzlich verschwand. In alledem bricht sich durchaus Realgeschichte, die unverkennbar in Greiz spielt, doch indem der Autor die Stadt »Sontamur« nennt, Berlin »Mantribur«, die DDR »Freie Republik Talanta« und die Sowjetunion »Sarkundien« verrätselt er das Geschehen unnötig, ohne es auf einer höheren Ebene, als Legende, Symbol oder Allegorie zu verdichten. Ein mitdenkendes Lektorat wäre zu wünschen gewesen.
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