Volker Müller – »Dabei ging nur ein leichter Regen nieder. Gedichte« und Joachim Werneburg – »An der Schwelle des Erwachens. Träume und Gedanken«

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Autor

Jo Fried

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Jo Fried

2 x Fragmente

 

Die Gedichte, Thea­ter­stü­cke, Romane und Erzäh­lun­gen des Grei­zer Musi­kers Vol­ker Mül­ler haben wir im Palm­baum schon oft bespro­chen. Das vor­lie­gende Buch ist sein bis­lang am schöns­ten gestal­te­tes. Peter Zaum­seil belebt es mit sei­nen Holz­schnit­ten.  Die kraft­vol­len Schwarz-Weiß-Kon­traste, die in den bes­ten Blät­tern wie Kra­ni­che, Am Bod­den und Wall­gra­ben durch Auf­bre­chen des stren­gen Rah­mens dyna­mi­siert wer­den, über­tra­gen sich auch auf die Texte.

Gedichte, Notate, Frag­men­ta­ri­sches ver­spricht der Titel: es sind meist pro­sai­sche Refle­xio­nen in Gedicht­form, ergänzt um ein fik­ti­ves Gespräch. Sie alle krei­sen um das Thema, das auch all seine ande­ren Bücher der letz­ten zehn Jahre durch­zieht: die ent­täusch­ten Hoff­nun­gen der Wende. So wenig er sich „das dumpfe Gleich­maß im Gleich­heits­staat“ zurück wünscht, so bit­ter emp­fin­det er die ver­ge­be­nen Mög­lich­kei­ten und das Auf­zie­hen neuer Dumm­hei­ten mit der aktu­el­len „Zei­ten­wende“ …

Da wie­der­holt sich vie­les. Beim trost­su­chen­den Blick in die immer wäh­rende Natur aber gelin­gen ihm berüh­rende Verse wie Mai­mor­gen, In Plau, Eis­zeit, Hin­ter den Dünen, Hei­det­raum, Far­ben­pracht und Oktober.

 

Auch Joa­chim Wer­ne­burg ist Palm­baum-Lesern ver­traut. Sein neuer Band ver­eint Träume und Gedan­ken, die der Autor „an der Schwelle des Erwa­chens“ auf­ge­zeich­net hat. Nur dort, in weni­gen Augen­bli­cken, ist das im Traum Geschaute noch greif­bar, oft nur in Fet­zen und Ahnun­gen von etwas, das selbst nur fet­zen- und frat­zen­haft in uns auf­huscht. Bil­der inners­ten Erle­bens, der Ver­dich­tung von Erleb­tem auf im wört­li­chen Sinn unfass­bare Weise. Wer einen Traum fas­sen will, der ver­liert ihn, wie jede Erin­ne­rung steigt die an das Geträumte nur unwill­kür­lich in uns auf, und dies bes­ten­falls in Fragmenten.

Wer­ne­burg hat sol­che Frag­mente notiert und gewiss treu über­lie­fert. Oft sind es Wunsch­träume, wenn er Ezra Pound, Goe­the oder George begeg­net. Inter­es­san­ter sind die unlo­gi­schen Träume, in denen etwas in uns die Welt ver-rückt, ver­wan­delt, was ja die Wur­zel aller Poe­sie ist: eine Katze erleuch­tet mit einer Taschen­lampe um den Hals den Weg; das eigene Wohn­haus zer­fällt nicht bei einem Erbe­ben, es beginnt zu fah­ren; ein Alt­nazi liegt in einem aus­ge­wei­de­ten Pferd wie in einer Hän­ge­matte, befes­tigt auf einem LKW mit einem Pla­kat, das „gegen die Nie­der­schla­gung des Drit­ten Reichs“ protestiert …

Viel­leicht muss man Träume doch bear­bei­ten, sie weiter-„denken“ oder „fabu­lie­ren“ in der je eige­nen Logik des Traums. Wie es die Sur­rea­lis­ten ver­sucht haben.

 

Vol­ker Mül­ler, Dabei ging nur ein leich­ter Regen nie­der. Gedichte, Notate, Frag­men­ta­ri­sches. Mit Holz­schnit­ten von Peter Zaum­seil, Engels­dor­fer Ver­lag Leip­zig 2024, 174 S., br., 12,80 EUR

Joa­chim Wer­ne­burg, An der Schwelle des Erwa­chens. Träume und Gedan­ken, Sci­dinge Hall Ver­lag Tübin­gen 2024, 234 S., 19,95 EUR

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