Verena Zeltner – »299 Tage«

Person

Verena Zeltner

Ort

Neunhofen

Thema

Gelesen & Wiedergelesen

Autor

Rebekka Jochem

Thüringer Literaturrat e.V.

Gele­sen von Rebekka Jochem

Die Stimme im Zeit­al­ter der Digitalisierung 

 

Eine Ope­ra­tion an der Schild­drüse – ein Rou­ti­ne­ein­griff, der ver­gleichs­weise wenig Risi­ken und Kom­pli­ka­tio­nen mit sich führt. Doch was ist, wenn man aus der Nar­kose erwacht und die Stimme nicht län­ger gehor­chen will? In Zei­ten der Digi­ta­li­sie­rung, in denen man rund um die Uhr sein Smart­phone mit sich trägt und immer erreich­bar ist, scheint die Stimme an Bedeu­tung ver­lo­ren zu haben. Schließ­lich wickelt sich ein Groß­teil der Kom­mu­ni­ka­tion über SMS- und Whats­App-Nach­rich­ten ab. Wenn dann die Stimm­bän­der durch die Nar­kose ein paar Tage gelähmt sind, ist das nicht wei­ter schlimm – das denkt auch Sanna, eine junge Schü­le­rin, der genau das pas­siert. »Zwei, drei Tage – da wollte sie mal nicht meckern, das würde sie schon aus­hal­ten.« Dass es nicht bei eini­gen Tagen blei­ben sollte, in denen sie nicht spre­chen kann, wird Sanna erst nach und nach her­aus­fin­den. Anfangs ist sie noch vol­ler Hoff­nung, denn die Ärzte sagen ihr, dass ihre Stimme bald wie­der­kom­men wird. Viel­leicht sogar über Nacht.

Die Autorin Verena Zelt­ner erzählt in ihrem Jugend­buch »299 Tage« San­nas Geschichte. Wie ihre Hoff­nun­gen, dass sie über Nacht wie­der spre­chen lernt, immer wie­der aufs Neue ent­täuscht wer­den und wie sie den Wert des Redens begreift. Sanna ist 14 und wurde kurz vor der OP zur Leads­än­der­gin ihrer Schul­band gewählt. Als sie erkennt, dass sie nicht mehr reden, geschweige denn sin­gen kann, scheint ihr Traum, Sän­ge­rin zu wer­den, wie eine Sei­fen­blase zu plat­zen. Doch Sanna gibt nicht auf, macht eine The­ra­pie in der Pho­nia­trie und lässt tap­fer eine Kehl­kopf­spie­ge­lung nach der ande­ren über sich ergehen.

Wer »299 Tage« liest, fühlt schnell mit dem jun­gen Mäd­chen. Verena Zelt­ner schafft es, Sanna zu einer Per­son wer­den zu las­sen, die nicht nur auf den Sei­ten ihres Buches lebt. Gleich­zei­tig klärt ihr Buch auf. Man erfährt über das Krank­heits­bild der Rekur­ren­spa­rese und ver­steht, was es für Betrof­fene bedeu­ten kann, sich nicht ver­bal ver­stän­di­gen zu kön­nen. Die Autorin spricht aus eige­ner Erfah­rung, die sie selbst nach einer Opre­ra­tion machen musste, wenn sie von den Pro­ble­men der Stimm­lo­sig­keit redet. Ver­nena Zelt­ner gelingt es mit ihrem neuen Roman, authen­tisch und ein­drucks­voll zum Lesen und Nach­den­ken anzuregen.

 

  • Verena Zelt­ner: 299 Tage, Roman, Thami-Ver­lag, Neun­ho­fen 2020, 310 S., 14,90 €.

 

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