Person
Heinrich Hetzbold von Weißensee
Ort
Thema
Sylvia Weigelt
Erstdruck: Thüringer Allgemeine, 09.07.2016
Wol mich der stunde, / von rôtem munde
mir liep geschach! / den sach ich machen
ein zartes lachen, / des ich dô jach.
ir mündel vreche, / daz gestellet sich,
alsz »viunviu« spreche, / gar durchsiuverlich.
Ach, swer daz kuste, / zwâr den geluste
vröude âne nôt. / sîn lachen lôse,
ez enwart nie rôse mê halb sô rôt.
kel unde hende / wîzer danne ein snê!
liep trût ân ende, wes tuost dû mir wê?
Wilt dü mich twinge, / durch daz ich singe /
dir offenbar? / trœste mich eine,
sît ich dich meine / mit triuwen gar.
mîn zuckerkrûtken, / tuo mir helfe schîn!
trût herzen trûtken, jâ bin ich ie dîn.
_________________________________________________
Gepriesen sei der Augenblick, / ein roter Mund
hat sich mir freundlich zugewendet! / Der schenkte mir
ein kleines Lächeln, / das konnte ich da wohl sagen.
Ihr mutwilliger kleiner Mund, / der gibt sich so,
als sagte er »Fünf«, / aber auf ganz und gar feine Art.
Ach, wer den küßte, / wahrhaftig, der schwelgte
in ungetrübtem Glück. / Sein munteres Lächeln,
in den Schatten stellt es / das Rot aller Rosen.
Dazu Hals und Hände / weißer als Schnee!
Mein unendlich geliebter Liebling, / warum läßt du mich leiden?
Willst du mich dafür bedrücken, / daß ich mit Liedern
dein Lob verbreite? / Ach, gib mir Einsamen doch Mut,
denn nur dich / habe ich ja getreulich im Sinn.
Mein Zuckerkräutlein, / offenbare mir deine hilfreiche Kraft!
Du allerliebste kleine Herzensgeliebte, / für immer und ewig bin ich ja dein.
aus: Thüringische Minnelieder. Frouwe, Frouwe, Frouwe mîn,
hg. Von Gerhard Tänzer, Bucha 2005.
Das Gefühl enttäuschter Hoffnung, das uns Heinrich Hetzbold von Weißensee hier vermittelt, ist wohl allseits bekannt. So ließe sich der Text ohne weiteres als Erlebnislyrik, als Reflexion echter Gefühle deuten: Der Sänger umwirbt die schöne Dame, die sein Herz entflammt. Allein bei dem Gedanken an einen Kuss von ihr schwelgt er »in ungetrübtem Glück«. Seine Hoffnung ist nicht unbegründet; denn »ihr mutwilliger kleiner Mund« formt das Wort »fünf«, eindeutiges Zeichen eines Kusses. Und dennoch gibt es keine Erlösung für den Sänger, ganz im Gegenteil: Die Schöne meidet ihn, weil er sie öffentlich preist.
Diese Konstellation gehört zum üblichen Muster des höfischen Minnesangs. Dabei muss die Dame nicht zwingend real existieren. Wahrscheinlich ist sie nur ein Phantasiegebilde des Dichters, das er vor der Hofgesellschaft erstehen lässt. – Doch Heinrichs Lied bietet auch Neues: Mit der volkstümlichen Anrede der Geliebten als »mein Zuckerkräutlein« und »allerliebste kleine Herzensgeliebte« überschreitet es die Grenzen des für den klassischen Minnesang Üblichen und tendiert zu einem echten Liebeslied. Und wenn sich der enttäuschte Hoffende in einem anderen Lied gar als »tummer affe« betitelt, übt er sogar offene Kritik am höfischen Sang.
So ist Heinrich der letzte uns bekannte Minnesänger Thüringens, und er ist zugleich der erste, der – auch dies gegen die üblichen Spielregeln – seinen Namen nennt. »Dir singet Hezzebolt« heißt es am Schluss der ersten seiner insgesamt acht dreistrophigen Minnekanzonen, die in der Großen Heidelberger Liederhandschrift überliefert sind.
Urkundlich ist der aus niederem Adel stammende Heinrich nachgewiesen. Zwischen 1306 und 1345 stand er als Burgvogt im Dienst der Thüringer Landgrafen auf der Runneburg in Weißensee (hier gibt es ein Minnesänger-Denkmal) und in Schönstedt (b. Bad Langensalza). Sein Beiname Hetzbold (Hetzer, Hetzjäger) ist wohl der Grund, dass ihn die ihm zugeordnete Miniatur der Liederhandschrift auf der Wildschweinjagd in Szene setzt.
Biographische Angaben
›Literaturland Thüringen‹ ist eine gemeinsame Initiative von
Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen · Thüringer Literaturrat e. V. · MDR-Figaro · MDR Thüringen – Das Radio
Gestaltung und Umsetzung XPDT : Marken & Kommunikation © 2011-2025 [XPDT.DE]
© Thüringer Literaturrat e.V. [http://www.thueringer-literaturrat.de]
URL dieser Seite: [https://www.literaturland-thueringen.de/artikel/thueringer-anthologie-nr-121-sylvia-weigelt-ueber-heinrich-hetzbold-von-weissensee/]