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Jens Kirsten
Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors. Erstdruck in: Palmbaum. Literarisches Journal aus Thüringen, 2/2023.
Jens Kirsten
Triffst du nur das Zauberwort
Der Dichter Thomas Spaniel ist ein Wünschelrutengänger. Im Eichendorffschen Sinne findet er Poesie in den Dingen, die ihm zuhause, in der Alltagswelt, in seinen Erinnerungen begegnen. Der Nüchternheit von Gegenständen wie einem alten Putzschrank auf dem Dachboden, einer Standuhr, einer filigranen Briefwaage oder einem alten Röhrenradio begegnet er im Schreiben, indem er sie in Novalis’ Sinn romantisiert. Aus unserer komplexen Welt, in der wie in einem Uhrwerk alles ineinandergreift und dessen Zeiger jede Sekunde hinter sich lässt, hebt er Momente heraus und lädt seine Leser zum Innehalten ein. Im Gedicht »samstagnacht« gelingt ihm das beispielhaft: »die musik ist verstummt / aber das meer / will nicht aufhören / zu applaudieren«.
Spaniel plädiert mit seinen Gedichten dafür, sich von der Geschwindigkeit des Lebens nicht fortreißen zu lassen, den kleinen Dingen des Lebens gegenüber nicht ignorant zu sein, sondern im Augenblick zu leben. Dabei ist er sich dieser Schwierigkeit bewusst: »ich habe den tag lang / akten gestapelt / direkt am abgrund / ohne daß mir dabei / schwindlig wurde«. Stärker noch tritt dieser Moment des Verweilens im titelgebenden Gedicht des Bandes hervor, in dem eine Katze im Schatten des Dichters träumt: »ich fotografiere / nur ihren schlaf / ihr traum bleibt / unsichtbar«.
Im Gedicht »vor dem angriff« vereint sich dieser Moment mit der Erinnerung an die eigene Kindheit »kein grashalm zuckt / es ist so still / als zögerten die zeiger / auf dem zifferblatt // ein schwert aus plaste / das gewehr aus holz / mit den feinden gehe ich / in eine klasse«. Dem gegenüber stehen Gedichte wie »umbau« oder »aufbruch« über die Endlichkeit unseres Daseins. Thomas Spaniel erweist sich als genauer Beobachter der ihn umgebenden Welt. »der jeden morgen / vor der schule / meine hausaufgaben / abschrieb geht nach / all den jahren / stumm vorüber« heißt es im Gedicht »wiedersehen«.
In seinen lyrischen Ton mischt sich zuweilen leise Ironie und feindosierter Spott über seine Mitmenschen, wie etwa beim Anblick einer bankrotten Autowerkstatt: »an der backsteinwand / die nackten mädchen / schon seit wochen / streichelt sie / kein blick. »selbstbildnis mit katze« ist ein Gedichtband, dessen Lektüre lohnt, weil hier einer die ihn unmittelbar umgebende Welt in Poesie übersetzt und Hoffnung aufscheinen lässt: »die gräser nicken / zu den weisungen / des windes doch / die birke tanzt«.
Jens-Fietje Dwars hat den Band in seiner Weißen Reihe herausgegeben, für dessen Einband der kürzlich verstorbene Gerd Mackensen eine wunderbare Zeichnung schuf.
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