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Detlef Ignasiak
Das literarische Thüringen, Bucha 2018.
Schmalkalden entstand im 9. Jahrhundert am Beginn einer wichtigen Passstraße über den Thüringer Wald. Der anfangs den Würzburger Bischöfen gehörende Ort fiel vermutlich noch vor 1115 an Ludwig den Springer. Zur Sicherung der landgräflichen Herrschaftsansprüche wurde Schmalkalden zur Stadt erhoben und die Burg Waltaff gebaut. Doch schon 1203, während der Kämpfe zwischen dem Staufer Philipp von Schwaben und seinem welfischen Gegenspieler Otto IV., wurde Schmalkalden zerstört.
Als die Thüringer Landgrafen Schmalkalden darauf wiederaufbauten, errichteten sie sich eine Stadtresidenz, den späteren Hessenhof. 1227 nahm darin Ludwig IV. Abschied von seiner Gemahlin Elisabeth und begab sich auf den Kreuzzug.
Im Erdgeschoss des Hessenhofes entstand durch die Hand eines unbekannten Meisters ein aus 26 Szenen bestehender Bilderzyklus zum Vers-Roman »Iwein« (um 1200) von Hartmann von Aue (etwa 1165-um 1210), der im 19. Jahrhundert bei Restaurierungsarbeiten entdeckt wurde. Vermutlich wurde der bebilderte Raum, der heute im Keller des Gebäudes liegt, ursprünglich als Gerichtsstätte genutzt. Vermutlich hat dieser bedeutende, in mittelhochdteutscher Sprache schreibende und aus dem Breisgau stammende klassische Dichter Thüringen nie besucht.
Doch wird man sein Werk am Landgrafenhof gekannt haben, denn nachfolgenden Dichtern wie Wolfram von Eschenbach, der den »Iwein« in seinem Werk erwähnt, galt er als Leitbild höfischen Erzählens. Der im »Iwein« verarbeitete Stoff gehört zum Sagenkreis um König Artus und war im Mittelalter sehr beliebt. Iwein selbst ist einer der Tafelrundenritter. Man kann davon ausgehen, dass die Schmalkaldener Fresken, die umfänglichsten ihrer Art in Mittel-Deutschland in enger Beziehung zur Literaturpflege am Landgrafenhof standen, wenn auch der Auftraggeber nicht bekannt ist. Als die Fresken im 19. Jh. entdeckt wurden, war ihr Zustand schon sehr schlecht. Aus diesem Grunde können sie nicht besichtigt werden. Zugänglich ist aber eine Kopie in nachgebauter Umgebung im Keller des Museums Schloss Wilhelmsburg.
Nach dem Tod des letzten Landgrafen fiel Schmalkalden an die Henneberger. Obwohl die Reformation schon 1525 in die Stadt einzog, blieben die Grafen noch beim alten Glauben. Deshalb schlossen sich unter Führung des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich I. und des hessischen Landgrafen Philipp am 27. 2. 1531 in Schmalkalden die Protestanten zum antikaiserlichen Schmalkaldischen Bund zusammen, der bis 1543 acht Mal in Schmalkalden tagte. Nach dem Aussterben der Henneberger 1583 fiel Schmalkalden an Hessen. Nach dem Deutschen Krieg 1866 kam die Stadt zu Preußen. Anstelle der zerstörten Burg Waltaff ließ Landgraf Wilhelm IV. von 1585 bis 1590 Schloss Wilhelmsburg errichten, das heute die am besten erhaltene Renaissance-Anlage Thüringens ist. Wilhelm IV. nutzte Wilhelmsburg als Sommer- und Jagdresidenz. Besonders oft hielt sich hier sein Nachfolger Moritz der Gelehrte (1572–1632) auf. Der kulturell stark engagierte Landgraf machte die Wilhelmsburg zum frühen Theaterzentrum in Thüringen.
Literarisch bedeutende Persönlichkeiten versammelten sich in Schmalkalden während des Fürstenkongresses, den Johann Friedrich I. 1537 als Antwort auf auf die Einberufung eines Konzils durch den Papst einberief. Der Kongress sollte das weitere Vorgehen der Protestanten abstecken und ihren Weg durch die Bibel begründen. Deshalb wurden neben den 18 Fürsten auch 38 Theologen nach Schmalkalden geladen. Neben Martin Luther waren dies neben anderen Philipp Melanchthon, Georg Spalatin, Georg Bugenhagen, Nikolaus von Amsdorf, Justus Jonas, Johannes Lang, Justus Menius und Friedrich Myconius.
Martin Luther kam am 7. 2. 1537 nach Schmalkalden und predigte schon am Folgetag in der 1437–1509 erbauten Stadtkirche St. Georg. Er brachte die »Schmalkaldischen Artikel« mit, die den Bruch mit dem Papst besiegelten: »Darum müssen wir dessen ganz gewiss sein und dürfen nicht daran zweifeln. Sonst ist alles verloren, und Papst und Teufel und alles behält wider uns den Sieg und das Recht.« Luther erkrankte in Schmalkalden derart, dass er den Tod vor Augen hatte. Am 26. 2. reiste er Richtung Tambach ab. Vermutlich lösten die schlechten Wege des Thüringer Waldes die Nierensteine und retteten ihm das Leben. Eine Gedenktafel am Lutherplatz 7 erinnert an Luthers Aufenthalt und Quartier beim hessischen Rentmeister Balthasar Wilhelm, der schon 1524 mit einer evangelischen Streitschrift (»Practica oder Prenostication auff tzukünfftig Tzeyten«) hervorgetreten war.
Johann Steuerlein, der 1546 in Schmalkalden geboren wurde, war ein Liederdichter (»Das alte Jahr vergangen ist«, 1588) und Komponist. In Schmalkalden geboren wurde Ebenfalls Liederdichter war Johann Bornschürer , der 1625 hier geboren wurde. Er wirkte als Pfarrer in verschiedenen Orten um Schmalkalden. Er schrieb 1676 das Tauflied »Gott Vater, höre unsre Bitt/teil diesen Kindern Segen mit«.
Der Historiker Christoph Cellarius, der eigentlich Keller hieß, wurde 1638 in Schmalkalden geboren. Nach seinem Studium in Jena und Gießen war er ab 1663 der erste Rhetorik- und Geschichts-Professor in Halle an der Saale, wo er auch die Bibliothek und das Franckesche Seminarium verwaltete. Er bemühte sich um eine deutscheUnterrichtssprache. In seiner »Historia Universalis« (1709) gliederte er die Geschichte erstmals in Antike, Mittelalter und Neuzeit.
Johann Georg Pforr, der 1612 in Schmalkalden geboren wurde und 1687 hier starb, entstammte einer alteingesessenen Schmalkalder Kaufmannsfamilie und war mehrfach Bürgermeister von Schmalkalden. Er verfasste eine Chronik »Beschreibung etzlicher denckwürdigen Geschichten«, die die Zeit 1400–1600 behandelt und weit über Schmalkalden und Thüringen hinausreicht.
Johann Conrad Geisthirt, 1672 in Schmalkalden geboren, war ein Polyhistor und Chronist mit enzyklopädischem Anspruch. Seine »Historia Schmalcaldica« (1881–1889) ist das reichhaltigste Werk der hennebergisch-hessischen Historiographie. Über seine »Schmalcaldia Literata« (1720) urteilte der Historiker Volker Wahl 1989, dass sie »der erste Versuch einer landschaftlich begrenzten Personengeschichte [sei], die ein nahezu vollständiges Bild des im 16. und 17. Jahrhunderts dort tätigen Gelehrtenstandes bietet«.
In dem heute zu Schmalkalden gehörenden Dorf Fambach war Johann Ernst Wagners ältere Schwester seit 1782 Pfarrfrau. Die Besuche beim Dortchen gehören zu Wagnes glücklichsten Kindheitserinnerungen. Seine Liebe zu Friederike, »einem schönen Dorfkinde«, spiegelt sich in der engelhaften Mathilde im Roman »Willibalds Ansichten des Lebens«. 1788 lernte Wagner in Fambach seinen Freund Friedrich Mosengeil kennen.
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