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Detlef Ignasiak
Das literarische Thüringen, Bucha 2018.
»Ruhla, im nordwestlichen Teile des romantischen Thüringer Waldes gelegen, erinnert in Betreff seiner eigentümlichen landschaftlichen Lage an einen ringsum von hohen, bewaldeten Bergen umgebenen Alpenort.« (Alexander Ziegler, 1867)
Der Stadtname geht auf die den Ort teilende Ruhl zurück, seit dem 17. Jahrhundert Erbstrom genannt. Tatsächlich war seit 1640 die Seite rechts des Baches gothaisch, die links eisenachisch, seit 1741 weimarisch. Erst 1921 wurden beide Teile zusammengeschlossen. Daran erinnert heute ein Gedenkstein am oberen Ende der parallel zur Hauptstraße verlaufenden Köhlergasse, der ältesten Straße der Stadt mit wichtigen Dichterhäusern. Jede Stadtseite hatte seine eigene Kirche, die Trinitatiskirche (1682–86) für die rechte, die Concordiakirche (1660/61), die einzige Winkelkirche Deutschlands, für die linke. Über den »Rühler Kirchenstriet« (1908) schrieb der Mundartdichter Arno Schlothauer das gleichnamige Volksstück.
Seit alters her war im Tal der Ruhl Eisengewerbe ansässig. Seit dem 17. Jahrhundert bestimmten Messerschmiede das Profil, danach die Hersteller von Meerschaumpfeifen, seit Mitte des 19. Jahrhunderts mehr und mehr die Uhrenindustrie. Die seit 1890 zuerst für den amerikanischen Markt produzierte Taschenuhr »Faerless« (»Rühler Kartöffel«) war die erste maschinell in Serie gefertigte Uhr der Welt.
Aus Ruhla stammt der Komponist Friedrich Lux (1820–95), dessen Hauptwerk die heute vergessene Volksoper »Der Schmied von Ruhla« (1882) ist. An seinem Geburtshaus in der Köhlergasse 45 erinnert eine Gedenktafel an ihn.
Die Volksoper von Lux geht zurück auf die Sage vom »Schmied von Ruhla«. Landgraf Ludwig II. (reg. 1140–72), der Enkel Ludwigs des Springer, soll ganz das Gegenteil seines Großvaters gewesen sein. Er war freundlich, und gütig gegenüber jedermann, was allerdings viele Adlige aufs schändlichste ausnutzten. So erhoben sie eigene Steuern und gaben vor, im Auftrage des milden Landgrafen zu handeln. Als sich Ludwig während einer Jagd in die Gegend von Ruhla verirrte, bat er in einer Waldschmiede um Nachtquartier. Er stellte sich als Jäger des Landgrafen vor. Ob der Schmied diese falsche Angabe durchschaute oder das folgende zufällig geschah, wissen wir nicht. Der Schmied verfluchte den Landgrafen. Seine Stimme war dabei so laut, dass Ludwig keinen Schlaf finden konnte und hören musste, wie der Schmied bei jedem Schlag auf den Amboss vor sich hinsprach: »Landgraf, Landgraf, werde hart, hart wie dieses Eisen! Deine Edelleute schmeicheln dir ins Angesicht und brandschatzen dein Volk. Landgraf Ludwig, werde hart, werde hart!« Aus dem jungen, leichtgläubigen und gutmütigen Landgrafen wurde ein strenger aber gerechter Fürst, der mit seinen Edelleuten scharf ins Gericht ging. Als er erfuhr, dass einige der Adligen Bauern das letzte Zugvieh weggenommen hatten, bestellte er sie zu sich auf die Neuenburg und sprach: »Wohlan, was ihr von meinem Volke gefordert, das soll euch zuteil werden!« In Ketten mussten die aufrührerischen Junker paarweise einen Pflug durch ein großes Brachfeld ziehen. Er selbst, immer an die Worte des Schmieds von Ruhla denkend, trieb sie dabei an. Der so bereitete Acker hieß von Stund an »der Edelacker«. Die bestraften Adligen schwuren dem Landgrafen heimlich Rache. Ludwig trug darum stets eine Rüstung und erhielt so den Beinamen »der Eiserne«.
Der Liederdichter Hartmann Schenk wurde 1634 in Ruhla geboren. Aus seiner Feder stammt das Lied »Nun Gott Lob, es ist vollbracht« (1664). Er wurde mit einer Porträttafel in den Ruhlaer Dichterhain aufgenommen.
Aus Ruhla stammt der 1803 geborene Erzähler und Lyriker Ludwig Storch. Storch zählt zu den Pionieren des historischen Romans und wurde in den 1840er bis 1860er Jahren viel gelesen. Seine Gedichte haben lange gewirkt: »Thüringen, du holdes Land,/Wie ist mein Herz dir zugewandt!/Deiner Berge Häupter ragen/Auf gen Himmel kühn und stolz,/Die die Eich’ und Buche tragen/Und der Tanne schlankes Holz.« Von Storch stammt die Bezeichnung »Grünes Herz Deutschlands« für Thüringen. Noch heute gut lesbar ist Storchs »Wanderbuch durch den Thüringerwald« aus dem Jahr 1842. Sein Geburtshaus liegt in der Köhlergasse 29. Auch er wird mit einer Porträttafel im Dichterhain geehrt.
1822 wurde in Ruhla der spätere Reiseschriftsteller Alexander Ziegler als Sohn eines Unternehmers geboren. Nachdem er das Gymnasium in Eisenach besucht hatte, studierte er in Jena. 1846 unternahm er seine erste Nordamerika-Reise. Seine Bücher »Skizzen einer Reise durch Nordamerika unter besonderer Berücksichtigung des Staates Wisconsin«, 2 Bde. 1848) und »Meine Reise im Orient« (2 Bde. 1855) wurden wichtige Vorlagen für Karl May (1842–1912). Heute noch interessant ist sein »Neuestes Reisehandbuch für Thüringen«, das er gemeinsam mit Heinrich Schwerdt 1864 veröffentlichte. Sein Geburtshaus liegt in der Unteren Lindenstraße 17, wo noch heute eine Gedenktafel an ihn erinnert. Später wohnte er in der Villa Urso Montana am Bermberg 1, unweit davon liegt der Dichterhain, in den auch sein Porträt Eingang fand.
Die Literaturkritikerin Gertrud Alexander (Ps. GGL Alexander) wurde 1882 in Ruhla geboren. Durch Clara Zetkin, die Alexander 1907 kennenlernte, schloss sie sich der linken Sozialdemokratie und später den Kommunisten an, für deren Zeitung »Rote Fahne« sie schrieb und erbittert die Moderne bekämpfte. Seit 1930 lebte sie in Moskau, wo sie 1967 starb. Ihr Geburtshaus liegt in der Köhlergasse 31, wo eine Gedenktafel an sie erinnert.
Franz Stehmann, der sich später Donat nannte, wurde 1891 als Sohn eines Meerschaumpfeifenschnitzers geboren. Mit 16 Jahren heuerte er auf einem Überseedampfer an und ging in Brasilien von Bord. Über seine Abenteuer in Brasilien und Paraguay schrieb er drei Abenteuerbücher, von denen das 1926 erschienene »Paradies und Hölle. Abenteuerliche Schicksale eines Deutschen unter Hinterwäldlern, Diamantensuchern, Indianern, Einsiedlern und Verbrechern« das bekannteste ist. Donat starb 1960 in Santo Ângelo in Brasilien.
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