Porträts
2 : Daniela Danz – »Aus Gegensätzen Funken schlagen. Der Verleger, Ausstellungsmacher und Historiker Jens Henkel«

Personen

Daniela Danz

Jens Henkel

Orte

Rudolstadt

Schwarzburg

Thema

Porträts und Podcasts

Autor

Daniela Danz

Thüringer Literaturrat e.V.

 

Von Daniela Danz

 

Ein Mann steht im gro­ßen Saal des Fürst­li­chen Zeug­hau­ses Schwarz­burg inmit­ten einer gigan­ti­schen Samm­lung his­to­ri­scher Waf­fen. Er kennt jede ein­zelne von ihnen und weiß zu erzäh­len davon. Sei­nem »Dreh­buch« ver­dankt das 2018 ein­ge­weihte neue Museum das Poten­zial, Geschich­ten und damit auch Geschichte zu zei­gen. Wer den Mann dort mit vor Freude blit­zen­den Augen über die Dinge, die nun in eine anre­gende Nach­bar­schaft gebracht sind, erlebt, meint, dass er hier einen gebo­re­nen Muse­ums­mann vor sich hat. Wer aber dann den­sel­ben Mann vor einem Regal biblio­phi­ler Bücher sieht, Künst­ler­bü­cher, von denen jedes mit der­sel­ben Sorg­falt wie eine ganze Aus­stel­lung geschaf­fen sind, der ist über­zeugt, dass er es mit einem gebo­re­nen Ver­le­ger zu tun hat. Und wer schließ­lich die­sem Mann lauscht, der Ver­qui­ckung von Wis­sen und Unter­hal­tung in sei­nen Wor­ten, der meint, dass er es hier mit einem gebo­re­nen Mode­ra­tor zu tun hat. Die Rede ist von Jens Hen­kel, dem His­to­ri­ker, Aus­stel­lungs­ma­cher, Ver­le­ger, Mode­ra­tor, Samm­ler. Schon allein die Auf­zäh­lung die­ser sei­ner Funk­tio­nen und Talente zeigt, dass sich hier nicht die Geschichte eines Lebens oder Werks in der Abfolge ein­zel­ner Sta­tio­nen zei­gen lässt. Viel­mehr wird es um sich ergän­zende und wech­sel­sei­tig befruch­tende Tätig­keits­fel­der ein und des­sel­ben Men­schen gehen, der 1953 im thü­rin­gi­schen Rudol­stadt gebo­ren wurde und dort mit weni­gen Unter­bre­chun­gen bis heute lebt und wirkt. Denn das Ende sei­ner jahr­zehn­te­lan­gen Arbeit als Kus­tos des Resi­denz­schlos­ses Hei­decks­burg im Juni 2018 war kei­nes­wegs das Ende sei­nes viel­fäl­ti­gen Wir­kens. Den­noch, eine Epo­che ging damit zu Ende, in der große Pro­jekte seine Hand­schrift tru­gen, ange­fan­gen mit den Thü­rin­ger Bau­ern­häu­sern, dem Hein­rich-Schütz-Haus in Bad Kös­tritz, dem Kra­nich­fel­der Baum­bach­haus, über das Blan­ken­bur­ger Frö­bel­mu­seum, das Museum in Paulin­zella, die Aus­stel­lung »Rococo en minia­ture«, die sich zu einem Publi­kums­ma­gne­ten ent­wi­ckelt hat, und das Rudol­städ­ter Schil­ler­haus bis hin zur Eröff­nung des Schwarz­bur­ger Zeug­hau­ses mit sei­ner ein­zig­ar­ti­gen Waf­fen­samm­lung in ange­stamm­ter Umgebung.

So viel­sei­tig Jens Hen­kel immer schon war, so treu ist er den Kon­stan­ten sei­nes Lebens geblie­ben, ins­be­son­dere der Hei­decks­burg, auf der er schon als Jugend­li­cher arbei­tete und an die er nach einem Stu­dium der Geschichte und Museo­lo­gie in Leip­zig und Ber­lin zurück­kehrte und wo er zwölf Jahre lang sogar wohnte. Treu blieb er aber auch sei­nen eige­nen Inter­es­sen, denn schon als Schü­ler sam­melte er mit Lei­den­schaft – und tat sich hier­bei bereits mit einer Samm­lung von Käse­e­ti­ket­ten her­vor, wie er mit dem ihm eige­nen inne­ren Augen­zwin­kern preisgibt.

Auch sei­ner Lei­den­schaft für Bücher blieb er seit sei­ner Ver­lags­grün­dung in den Wir­ren der Wen­de­zeit treu. Die burg­art-presse, der erste Pri­vat­ver­lag Thü­rin­gens, dem bereits etli­che von Jens Hen­kel in der DDR ille­gal her­aus­ge­ge­bene Bücher vor­aus­gin­gen, ent­wi­ckelte sich zu einer wich­ti­gen Marke im Bereich der Künst­ler­bü­cher und damit zu einem Ver­lag, der in Thü­rin­gen sei­nes­glei­chen sucht. Jens Hen­kel selbst könnte sich der Exper­ten­schaft auf die­sem Gebiet rüh­men, wenn er denn jemand wäre, der sich rüh­men würde. 150 Bücher sind in den 30 Jah­ren der Ver­lags­ge­schichte erschie­nen. Unter den Autoren, deren Erst­ver­öf­fent­li­chun­gen bei der burg­art-presse ver­legt wur­den, sind Christa Wolf, Frie­de­rike May­rö­cker, Mat­thias Bis­ku­pek, Arno Schmidt, Wal­ter Jens, Harald Ger­lach, Hanns Cibulka und Nick Cave, um nur einige zu nen­nen – unter den Gra­phi­kern Michael Mor­g­ner, Karl-Georg Hirsch, Alfred Trau­gott Mör­s­tedt, Horst Hus­sel, Klaus Süß und Moritz Götze, auch hier nur ein klei­ner Aus­schnitt des Œuvres des Verlags.

Dass sich die burg­art-presse unter Autoren und bil­den­den Künst­lern so gro­ßer Beliebt­heit erfreute, liegt sicher auch daran, dass Jens Hen­kel eine Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tion im Umgang mit Künst­lern mit­bringt: Er kann ver­mit­teln und schafft es, die ver­schie­dens­ten Bedürf­nisse und Anfor­de­run­gen unter einen Hut zu brin­gen. Ein Talent, das ihm als Ver­le­ger ebenso nützt wie als Aus­stel­lungs­ma­cher, als der er auch immer schon eine große Affi­ni­tät zur bil­den­den Kunst der Gegen­wart hatte. Die erste Joseph-Beuys-Aus­stel­lung in Thü­rin­gen geht ebenso auf sein Konto wie Aus­stel­lun­gen der Werke von A. R. Penck, Klaus Staeck, Vic­tor Vaza­rely oder zum Thema »Comic in der DDR«.

Nütz­lich war das Ver­mit­teln­kön­nen aber auch für seine Tätig­keit als Mode­ra­tor. Wer ihn ein­mal als sol­chen oder bei einer Füh­rung durch eine sei­ner Aus­stel­lun­gen oder auch nur in einem ganz all­täg­li­chen Gespräch erle­ben konnte, der weiß, wie er das Dis­pa­rate zu ver­bin­den ver­mag und Fun­ken schlägt aus der Zusam­men­füh­rung von Gegen­sät­zen, von Bei­läu­fi­gem und Wesent­li­chem, von Scherz und Ernst und einer Iro­nie, die letz­ten­en­des immer der Lei­den­schaft und dem per­sön­li­chen Ein­ste­hen für die Sache dient, was ja im Alt­grie­chi­schen bekannt­lich mit dem Wort »pathos« gefasst wird.

Aber auch in sei­ner Eigen­schaft als Auk­tio­na­tor, als wel­cher Jens Hen­kel seit 1990 unter ande­rem für ein Erfur­ter Auk­ti­ons­haus und ein­mal auch für die Anna-Ama­lia-Biblio­thek in Wei­mar tätig war, war ihm diese Fähig­keit, ver­mit­teln und unter­hal­ten zu kön­nen von Nut­zen und dem Publi­kum zum Gewinn.

Viel­leicht gehen am Ende alle seine viel­fäl­ti­gen Tätig­kei­ten doch auf einen Kern zurück, den eines Men­schen, der grund­sätz­lich neu­gie­rig ist und des­halb Freude daran hat, sich in neue The­men­ge­biete zu ver­tie­fen, um aus dem Berg­werk gründ­li­cher Sach­kennt­nis das Erzäh­lens­werte und Inter­es­sante zu Tage zu för­dern. Und auf den Kern eines Men­schen, der an ande­ren inter­es­siert ist, seien sie auch noch so eigen, und der des­halb nicht nur ver­mit­teln und ver­ste­hen kann, son­dern auch ver­ständ­lich machen und visua­li­sie­ren. Und dann ganz sicher auch auf den Kern eines Men­schen, der von schö­nen Din­gen umge­ben sein möchte, der gerne mit Kunst lebt und das, was er beginnt, zu einem ansehn­li­chen Ergeb­nis brin­gen will. Bei aller Ver­bun­den­heit mit dem Nächs­ten, mit Orten, Men­schen und Gegen­stän­den um ihn herum, hat er dabei immer einen wei­ten Hori­zont, und dass seine Künst­ler­bü­cher im Getty Cen­ter of the Arts and Huma­nities in Santa Monica in Kali­for­nien gezeigt wer­den, ver­wun­dert eben­so­we­nig wie dass er sich in Zukunft ver­stärkt der Rudol­städ­ter Stadt­ge­schichte wid­men will. Dass er dabei Neues und Inter­es­san­tes zu Tage för­dern wird, ist jeden­falls klar.

 

Nach­be­mer­kung:

In der Rudol­städ­ter KulTour­Diele wird, sobald es die aktu­elle Lage erlaubt, die Aus­stel­lung: »Alles für die Katz« mit Ori­gi­nal­gra­phi­ken aus dem letz­ten Pres­sen­druck der burg­art-presse gezeigt.

 Porträts:

  1. Michael Knoche – »Große Kleinigkeiten. Der Dichter Wolfgang Haak«
  2. Daniela Danz – »Aus Gegensätzen Funken schlagen. Der Verleger, Ausstellungsmacher und Historiker Jens Henkel«
  3. Wulf Kirsten – »Hölderlin auf dem thüringischen Olymp«
  4. M. Kruppe & Tristan Rosenkranz – »Die ›Edition Outbird‹ und der Verleger Tristan Rosenkranz«
  5. Anke Engelmann – »Ich bin eine echte Arnstädter Frau«
  6. Mario Osterland im Gespräch mit Peter Hermann Braun
  7. Annerose Kirchner – »Andrea Schneider. Bibliothekarin aus Zella-Mehlis«
  8. »Wir hatten eine geile Zeit« - Podcast von Tristan Rosenkranz und Marko Kruppe über das Wirken Corina Gutmanns
  9. Stefan Petermann – »15 Jahre hEFt. Ein Gespräch mit Alexander Platz und Thomas Putz«
  10. Doris Weilandt – »Die Provinz greift nach den Sternen«
  11. Anke Engelmann – »›Lesen‹ ist ein Tätigkeitswort – Der Kritiker Hans-Dieter Schütt«
  12. Die Jenaer Bücherstube – ein guter Ort
  13. Nancy Hünger – »Auf dem Weg zu einem Du - Über Martin Straub«
  14. »Himmel und Hölle, aber vorwiegend Hölle« – Ein Tableau weiblichen Schreibens vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart
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