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Achim Wünsche
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Achim Wünsche
Antiromantische Gedichte
Alles ist gesagt. Das tausendfach Gesagte immer wieder zitiert. Wie sollen, wie können da noch Gedichte entstehen, sind die Worte nicht längst verbraucht?
Holger Brülls, Jg. 1962, ist Konservator am Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Halle/Saale und hat zahlreiche Bücher zu seinem Fachgebiet veröffentlicht. Als Lyriker aber konserviert er nicht das überkommen Schöne. Seine Verse sind betont nüchtern, anti-romantisch. Sie arbeiten gegen jegliche Verklärung der Gegenwart.
In dem bösen garten des Titelgedichts gedeihen „hass und wut und gier und zorn“, alle elementar-irdischen Triebkräfte. Und doch ist er ein Garten – ein organisches Gebilde von eigentümlicher Schönheit. Das Ausleuchten der entzauberten Welt in schnoddrig alltäglicher, bewusst nicht gehobener Sprache, ist eine andere, eine zeitgemäße Form der Sehnsucht nach dem Lichten, nach einer Schönheit ohne Schein.
Philipp Kampa, 1987 in Zwenkau bei Leipzig geboren und in Halle lebend, geht noch einen Schritt weiter. In 25 mal zwei Gedichten, gespiegelt in elf mal zwei Fotografien, wird ihm die Sprache selbst zur Landschaft, wandert er durch eine Welt aus Worten.
Der Titel Stadt, Name, Land assoziiert ein Kinderspiel: Jemand ruft einen Buchstaben und alle anderen suchen die entsprechenden Begriffe, nein: Worte dazu. Worte als Zeichen, die sich selbst entleeren, die nur noch schattenhaft an einstige Bedeutungen erinnern, mit denen frei gespielt wird.
Kampa stellt jedem Gedicht einen Kommentar gegenüber, der selbst lyrisch wirkt. Exemplarisch: Was es zu verzeichnen gab. Links: „Was es zu verzeichnen gab? / Den Dunst über den Schneisen, / die in der Landschaft hingen, lau …“. Rechts: „Es gab: / Fünf Verben. / Acht Zeilen. / Zehn Nomen“ etc.
Kampa inszeniert (melancholische) Landschaften und dekonstruiert sie als Wortgebilde. Das ist kunstvoll, aber steril. Das Selbstbild eines verlorenen Ichs in Landschaften der Verlorenheit. Ich wünschte mir, er würde in wirkliche Landschaften gehen, ihre Geschichte(n) in sich aufnehmen und verdichten.
Holger Brülls, böser garten. Gedichte mit einer Zeichnung von Gerda Lepke. Weiße Reihe im quartus-Verlag Bucha 2024, Bd. 24, 88 S., 15 EUR
Philipp Kampa, Stadt, Name, Land. Gedichte und Fotografien. Verlag Ludwig, Kiel 2024, 143 S., 14,90 EUR
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