Gotthold Ephraim Lessing – »Die Juden«

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Autor

Holger Uske

Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors. Erstdruck in "Palmbaum - literarisches Journal aus Thüringen", Heft 1/2024.

Hol­ger Uske 

Mut zur Geschichte 

 

Dass die Edi­tion Orna­ment schöne Bücher macht, hat sich längst her­um­ge­spro­chen. Nun beweist sie erneut auch Mut zum Expe­ri­ment: mit Les­sings Die Juden greift die Reihe lite­ra­risch weit zurück und spannt zugleich den Bogen bis in die Gegen­wart, denn es mutet bei­nahe gespens­tisch an, wie aktu­ell die­ses Stück aus dem Jahr 1749 heute wirkt. Les­sing war der erste, der den Anti­se­mi­tis­mus in Deutsch­land auf die Bühne brachte. Und das auch noch in Form eines Lustspiels.

Dank des Kunst­griffs, den Text um acht aktu­elle Kup­fer­sti­che von Bald­win Zettl zu ergän­zen, weist das Büch­lein auch optisch ins Heute. Oder ist seit dem Erst­druck gar keine Zeit ver­gan­gen? Sind wir noch immer nah an den anti­se­mi­ti­schen Kli­schees von einst? Das Den­ken in hie­si­gen Hin­ter­stu­ben könnte, was vor­schnelle Urteile anbe­langt, gar nicht so weit weg von Les­sing sein. Inso­fern ist die­ses Buch auch ein Fin­ger­zeig auf uns selbst. Es spie­gelt Mut zur Geschichte und zum Dis­put. In sei­nem Nach­wort greift Jens-Fietje Dwars diese The­men selbst auf. Darf man in Form eines Lust­spiels noch über Juden reden? Der Rezen­sent meint: unbe­dingt, gerade im Wis­sen um die ver­hee­ren­den Ereig­nisse, die zwi­schen Erst- und aktu­el­lem Nach­druck liegen.

Worum geht es bei Les­sing? Zwei Ange­stellte eines Guts­be­sit­zers ver­klei­den sich als Juden mit lan­gen Bär­ten, um ihren Herrn auf einer Reise aus­zu­rau­ben. Selbst der Herr, ein Baron, glaubt, von Juden über­fal­len wor­den zu sein, denn sie gel­ten den Chris­ten als Gano­ven und Stra­ßen­räu­ber. Der Baron wird von einem Rei­sen­den geret­tet, der die wahr­haft Schul­di­gen über­führt und sich am Ende als ein Jude zu erken­nen gibt. Beschämt von sei­nem eige­nen Vor­ur­teil will der Baron ihm aus Dank seine Toch­ter zur Frau geben. Doch obwohl die bei­den ein­an­der gefal­len, muss der Rei­sende ableh­nen. Denn „Misch­ehen“ sind im ach so christ­li­chen Deutsch­land ver­bo­ten. Da bleibt das Lachen im Halse stecken …

Es ist ein schö­nes Buch gewor­den. Die Leser dür­fen ob des Tex­tes stau­nen, der trotz des erns­ten Gegen­stan­des vol­ler Komik steckt, Zettls Kup­fer­sti­che genie­ßen und sich an der fei­nen Gestal­tung erfreuen. Und „neben­bei“ tole­ran­tem Den­ken und Han­deln einst und heute nach­sin­nen. Ein „Lust­spiel“, das sol­ches bewirkt, sollte hoch­will­kom­men sein.

 

Gott­hold Ephraim Les­sing: Die Juden. Ein Lust­spiel mit Kup­fer­sti­chen von Bald­win Zettl. Edi­tion Orna­ment im quar­tus-Ver­lag, Bucha 2023. 72 Sei­ten, geb., 18 €.

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