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Jens Kirsten
Erstdruck in Palmbaum 2-2019.
Gelesen von Jens Kirsten
Plädoyer für die Phantasie
Dass Elisabeth Dommer zu erzählen versteht, zeigt sie in ihrem neuen Buch „Der unheimliche Zauber der Sterne“ einmal mehr. Neben der titelgebenden Erzählung ist „Der Mond, der Schnee, der Name“ die überzeugendste des Bandes.
Ein Versicherungsvertreter glaubt sich eines Winterabends an den Namen einer Klientin zu erinnern und begibt sich auf die Suche nach ihr. Abend um Abend geht er durch die dunkle Stadt und folgt Hinweisen von Passanten, die stets ins Leere führen. Bis er eines Abends in den Fluss fällt und im eisigen Wasser an eine ihm unbekannte Brücke gespült wird, über die er schließlich geht. Es ist die blaue Stunde, in der er von seiner Stadt in einen völlig andere wechselt, die an Alfred Kubins „andere Seite“ erinnert. Hier schließlich begegnet er der Schriftstellerin Mara Elvers, die seine Welt in ihrer Literatur geschaffen hat. Dieses Wechselspiel mag auf den ersten Blick verwirrend erscheinen, fordert die Leser jedoch zu einem Reflektieren über die Schreibintention der Autorin heraus.
In welcher Realität leben wir? Welche Realitäten erleben die uns umgebenden Menschen und was verbindet uns mit ihnen? Elisabeth Dommer stellt sich und ihren Lesern immer wieder die Frage nach der Möglichkeit menschlichen Zusammenlebens, sozialer Nähe und Distanz.
In der Erzählung „Die andere Richtung“ geht eine Frau, die sich auf eine Stelle beworben hat, vom Bahnhof eine steile Straße nach oben, auf der alle Menschen, die ihr begegnen, scheinbar fluchtartig bergab gehen, bis auch die Heldin von diesem Sog erfasst wird und ohne an ihr Ziel zu gelangen zurück zum Bahnhof hastet. In „Warten auf Regen“ will sich ein kleiner Junge mit der realen Welt nicht abfinden und verharrt allen Ermahnungen zum Trotz in einer Traumwelt, die sich vor seinen Augen in einer Pfütze entfaltet.
Auch die Keramikerin Selena, die eine besondere Arbeit versehentlich zum Verkauf an einen Händler gibt, trifft auf der Suche nach ihr, die sie bis an die Meeresküste führt, auf einen Mann, zu dem sie sich sogleich stark hingezogen fühlt. Elisabeth Dommer erzählt indes keine einfache Liebesgeschichte, sondern nähert sich der Suche nach Glück und menschlicher Nähe, auf ihre eigene, unverwechselbare Art. Andere kürzere Texte im Band bleiben skizzenhaft. Hier wünschte man sich stärker ausgearbeitete Erzählungen.
Es sind keine geradlinigen und glücklichen Beziehungen, für die sich die Autorin interessiert, sondern meist solche, die offenbar zum Scheitern verurteilt sind. Der Trostlosigkeit dieser Aussicht begegnet sie, indem sie die Handlung ins Phantastische wendet. Lesererwartungen werden von der Autorin dadurch enttäuscht und die Leser herausgefordert, über sich und ihr Sein nachzudenken. Damit ist Elisabeth Dommer eine moderne Märchenerzählerin im besten Sinn.
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