Dominik Dombrowski – »Schwanen«

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Dietmar Ebert

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Dietmar Ebert

Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Diet­mar Ebert 

Lyrik, die stär­ker ist als ihr Dich­ter? – Domi­nik Dom­brow­skis neuer Lyrik-Band Schwa­nen

 

eigent­lich müsste man mal einen Roman schreiben

                   über Tommy Leonetti…

 

Schwa­nen – so heißt Domi­nik Dom­brow­skis neuer Gedicht­band. Dom­brow­ski liebt das nicht Ein­deu­tige im Titel sei­ner Lyrik-Bände. Schwa­nen – da fal­len mir sofort Kom­po­sita ein wie Schwa­nen­see, Schwa­nen­ge­sang oder der Schwa­nen­kö­nig der Gruppe Karat. Nicht ganz so nah lie­gen Asso­zia­tio­nen zum Volks- und Frie­dens­lied Zogen einst fünf wilde Schwäne, zum Schloss Neu­schwan­stein, zum Schwa­nen­rit­ter Lohen­grin und des­sen Arie Mein lie­ber Schwan. Das sagt man auch aner­ken­nend im All­tag für etwas ganz Beson­de­res: Mein lie­ber Schwan! Auch an den Schwan in Wie­pers­dorf sei erin­nert. Wen er nicht mochte, den ver­jagte er mit aus­ge­brei­te­ten Flü­geln, die aber, die er in sein altes Schwa­nen­herz geschlos­sen hatte, durf­ten ihn eimer­weise mit Äpfeln füt­tern. Dann erzählte er ihnen von sei­ner Gefähr­tin, die längst tot war, von den Unter­schie­den zwi­schen Dorf- und Schloss­teich und all dem, was sonst nur Kaf­kas Land­ver­mes­ser wusste.

Schwa­nen kann man aber auch als Verb benut­zen. Wenn jeman­dem etwas schwant, dann ist es nicht ein­deu­tig, es ist etwas nebu­lös, schwer fass­bar und manch­mal noch nicht ein­mal arti­ku­lier­bar; und doch ist viel­leicht gerade hier ein Kern­be­zirk lyri­schen Spre­chens zu suchen. So nimmt es nicht wun­der, dass Domi­nik Dom­brow­ski sei­nem neuen Gedicht­band Schwa­nen ein Zitat von Albert Camus vor­an­ge­stellt hat: Ich habe zuwei­len das Bedürfnis,/ Dinge zu schreiben,/ die ich zum Teil nicht fas­sen kann,/ die aber gerade den/ Beweis für das erbringen,/ was in mir stär­ker ist als ich.

Schwa­nen – so heißt das titel­ge­bende Gedicht aus der fünf­ten Abtei­lung des Lyrik-Ban­des, der aus einem Pro­log (Die Milch­straße und ich, wir zwei), der vier Gedichte umfas­sen­den Abtei­lung I, der fünf Gedichte ent­hal­ten­den Abtei­lung II, den Ein­schla­f­es­says der Abtei­lung III, sie­ben mit Däm­me­rungs­job über­schrie­be­nen Gedich­ten der Abtei­lung IV, vier Gedich­ten der Abtei­lung V Behel­ligte Habi­tate und einem Epi­log (Die Seele der Ese­lin Els) besteht. Das Gedicht Schwa­nen wirkt wie ein Schwa­nen­ge­sang und ist doch kei­ner. Es scheint, als hätte sich Domi­nik Dom­brow­ski die Form des Schwa­nen­ge­sangs gelie­hen, um sein lyri­sches Ich über die letz­ten Dinge medi­tie­ren zu las­sen: Ein Mann darf das Kran­ken­haus noch ein­mal ver­las­sen und spielt die Mög­lich­kei­ten durch, die ihm noch ver­blei­ben. Eine davon ist, ein Pfahl­sit­zer zu wer­den und eine finale Meta­pher für den Schwe­be­zu­stand zu fin­den  zwi­schen der Unent­rinn­bar­keit vor dem Tode bei gleich­zei­ti­ger voll­kom­me­ner Gewiss­heit, dass zu ster­ben nie­mals mög­lich ist, inmit­ten der Last­kräne und Con­tai­ner­schiffe…. Und nun ist es völ­lig egal, ob das lyri­sche Ich sieht, wie ein Schwan eine ver­waiste Schwa­n­at­trappe entert und sich aufs Meer trei­ben lässt  oder ob es sich als Pfahl­sit­zer ima­gi­niert, der den Schwan ima­gi­niert, dem am Ende schwa­nen wird, wie das Meer denkt/was die Seele nicht will/ ver­schwin­den las­sen ver­schwin­det nicht. Viel­leicht offen­bart das Gedicht Schwa­nen etwas, was typisch ist für die Gedichte Domi­nik Dom­brow­skis: Es gibt einen kon­kre­ten Anlass und einen lyri­schen Spre­cher, der immer neue Meta­phern von absurd erschei­nen­den Situa­tio­nen ersinnt, mit­ein­an­der ver­netzt und inein­an­der ver­schach­telt, bis er am Ende eine Lebens­weis­heit von frap­pie­ren­der Ein­fach­heit gewinnt. Domi­nik Dom­brow­skis „erzäh­lende Gedichte“ wer­den von Erin­ne­rung und Ima­gi­na­tion gespeist, in der Schwebe gehal­ten und immer wei­ter zu absur­den Sze­na­rien vor­an­ge­trie­ben, sodass Erin­ner­tes wie Ima­gi­nier­tes, und Erfun­de­nes wie Erin­ner­tes wirkt. Dann blitzt für einen kur­zen Moment etwas auf, was das Leben viel­leicht aus­macht: eine poe­ti­sche Wahrheit.

Bereits im Pro­log wer­den Töne und Motive ange­schla­gen, die in den fol­gen­den Gedich­ten in unter­schied­li­chen Varia­tio­nen wie­der­keh­ren. Die Milch­straße und ich, wir zwei. Da ist aber weder ein lyri­sches Ich, noch ein Dich­ter, um einen Hym­nus  auf den „Ster­nen­him­mel“ anzu­stim­men. Viel­mehr ima­gi­niert das lyri­sche Ich Bewe­gun­gen wie schwim­men, krie­chen oder sich in ein Foto fal­len las­sen und arti­ku­liert für einen Sterb­li­chen selt­same Wün­sche, wie am Meer und an den Ber­gen Betei­ligt-Sein. Es möchte nicht Reso­nanz erfah­ren, son­dern Reso­nanz aus­lö­sen oder viel­leicht Bei­des zugleich erle­ben. Unmög­lich ist das nicht, denn die Logik ist außer Kraft gesetzt, das lyri­sche Ich hat kein Gehirn, son­dern Gestirne im Kopf, es kennt jetzt Mond­bäume und nimmt ein Blatt vor den Mund. All das selt­sam Anmu­tende, Absei­tige, an den Welt­rän­dern sich Zutra­gende ver­mag das lyri­sche Ich  nur wahr­zu­neh­men, weil es im Bunde mit der Milch­straße ist und sich von den Gestir­nen in sei­nem Kopf lei­ten lässt.

Alle Gedichte die­ses Ban­des sind von einer selt­sa­men abgrün­di­gen Schön­heit und Tiefe; an die­ser Stelle kön­nen nur ein paar wenige, mir beson­ders nahe und mich sehr anspre­chende Lang­ge­dichte gewür­digt wer­den. Das Über­ge­ord­nete – so heißt das Gedicht, das die erste Abtei­lung beschließt. Das lyrisch  erzäh­lende Ich löscht alle Lich­ter in sei­nem Hause und starrt eine Ewig­keit in die Dun­kel­heit, bis es erschrickt und eine 2,30m große hagere Grei­sin erblickt, die ihn anstarrt. Stun­den­lang starrt sie ihn an, erst in der Däm­me­rung ver­wan­delt sie sich in einen Apfel­baum, hin­ter dem sich eine kaputte Steh­lampe mit Schirm befin­det. Es ist ein schö­ner Som­mer­tag, und am Rhein­ufer wälzt eine sin­gende Frau einen Stein in den Fluss, und in gol­de­nen Let­tern steht auf einem schwarz­ge­stri­che­nen Wohn­wa­gen CAFÉ CAMUS, in gol­de­nen Let­tern steht auf einem der Con­tai­ner­schiffe URLICHT und in eben­falls gol­de­nen Let­tern ste­hen auf einem Urnen­grab­stein die Namen der Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen des stau­nen­den Beob­ach­ters. Durch eine drei­fa­che Kon­no­ta­tion wird der Name des Dich­ters mit dem des Schrift­stel­lers Albert Camus und dem des Kom­po­nis­ten der Lie­der Rhein­le­gend­chen und Urlicht, Gus­tav Mah­ler, ver­bun­den. Die Frau, die den Stein in den Fluss wälzt, ist eine mythi­sche Gestalt, die den Sisy­phos-Mythos umkehrt, der Stein wird nicht mehr den Berg auf­wärts gewälzt, son­dern immer wie­der in den Fluss hin­ein, und ganz im Sinne des Urlichts ver­wan­delt sich das Fami­li­en­grab in eine blü­hende Wiese, deren Pflege die Mut­ter des stau­nen­den Beob­ach­ters über­nom­men hat. Wir befin­den uns in einer poe­ti­schen, einer mythi­schen Zeit und Wirk­lich­keit. Wohl des­halb fällt dem stau­nen­den erzäh­len­den Dich­ter der Weg zurück in seine Straße und seine Woh­nung so schwer. In unmit­tel­ba­rer Nähe sieht er einen Mann im Schat­ten auf einem Baum­stamm sit­zen. Neben sich hat er eine halb­volle Fla­sche mit Bier. Komisch dachte ich, dass ich das nicht bin./Aber viel­leicht war ich es auch.

Die zweite Abtei­lung der Gedichte beginnt mit Tommy Leo­netti, einem Knei­pen­ge­sang, der Kult­sta­tus ver­dient. In einer Bar sitzt der lyri­sche Erzäh­ler, trinkt einen Gin nach dem ande­ren und lässt die Gedan­ken schwei­fen: Ich dachte am Tre­sen an nichts Beson­de­res: an den Urknall,/das Son­nen­sys­tem, die Milchstraße,/ die Pla­ne­ten­bah­nen, ich dachte, man müsste/eigentlich einen Roman schrei­ben über Tommy Leo­netti. Die Wir­tin hin­ter dem Tre­sen kennt die­sen Namen nicht, und sie trägt ein T‑Shirt, auf dem steht: I Am Not Your Poem. Eine Muse würde andere Auf­schrif­ten wäh­len. Und so schwei­fen die Gedan­ken des Poe­ten, ver­su­chen ein­zelne Sta­tio­nen aus dem Leben Tommy Leo­net­tis dem Erin­ne­rungs­ne­bel zu ent­rei­ßen, und er sagt vor jedem wei­te­ren Gin: Ja, eigent­lich müsste man mal einen Roman schreiben/ über Tommy Leo­netti… Als er schließ­lich als einer der letz­ten Gäste die Bar (nicht ganz frei­wil­lig) ver­lässt, geht ihm fol­gen­des durch den Kopf: Eigent­lich, dachte ich beim Raus­ge­hen, müsste man/mal einen Roman schrei­ben über Tommy Leo­netti,/aber ein Gedicht tut‘s ja viel­leicht auch. Wer für den wun­der­bar schrä­gen Humor die­ses Gedichts offen ist, wird bei der Lek­türe des gesam­ten Lyrik-Ban­des Schwa­nen reich belohnt werden.

Fünf Lang­ge­dichte hat Domi­nik Dom­brow­ski in der drit­ten Abtei­lung zusam­men­ge­fasst. Sie trägt den Titel Ein­schla­f­es­says. Eines der Gedichte, das zugleich Lächeln und Gän­se­haut erzeugt, heißt Kehr­wie­der. Das Kehr­wie­der ist ein Gast­haus, in dem der lyri­sche Erzäh­ler, als er noch ein Kind war, Sonn­tag für Sonn­tag sei­nen Vater abge­holt hat. Ich mochte es als Kind, mei­nen Vater an den Sonntagnachmittagen/ vom Kehr­wie­der abzu­ho­len, einem Gast­haus voller/ anony­mer Melan­cho­li­ker: innen und außen umnachtete/ See­len im Tabakrauch,/ abge­brannte Ker­zen, wie unterm eigenen/ kal­ten Wachs begra­ben. Ehe sich an den Sonn­ta­gen der Vater mit ihm auf den Heim­weg machte, nahm er für gewöhn­lich noch einen tie­fen Zug aus sei­ner Gesund­heits­pfeife, tippte mit sei­nem Zei­ge­fin­ger an die Stirn und sang: Mis­ter Sand­man – bring me a dream. Zwan­zig Jahre spä­ter, als der erzäh­lende Poet auf einer süd­li­chen Insel sein wird, wie er uns wis­sen lässt, wird sein Vater an Krebs erkrankt sein. Der mag nicht in die Kli­nik gehen, sitzt im Ses­sel, nimmt tiefe Züge aus sei­ner Gesund­heits­pfeife, holt seine alte Trom­pete aus dem Kel­ler, geht auf den Bal­kon und ver­sucht immer wie­der eine Sequenz aus Mr. Sand­man zu spie­len: Immer wie­der­keh­rende, laute, fal­sche Töne./ Dann hat er ange­fan­gen zu lachen, und dann wieder/ von vorn: Mr. Sand­man, bring me/ a dream, bis sie ihn abge­holt haben.

Das Gedicht Park­land aus der Abtei­lung V Behel­ligte Habi­tate steht mir beson­ders nahe, scheint mir doch sein Ent­ste­hungs­ort, die Villa Rosen­thal, in der Domi­nik Dom­brow­ski in sei­ner Zeit als Jenaer Stadt­schrei­ber wohnte, ins Gedicht ein­ge­schrie­ben zu sein. Ein Fuchs sitzt im Park und fixiert den Dich­ter. Wäh­rend­des­sen erzählt ein Enter­tai­ner im Fern­se­hen einen selt­sa­men Witz: »Sagt ein Nazi:/ Fuchs du hast die Gans gestoh­len, gib sie wie­der her! Sagt der Fuchs: Nö/ ich habe keine Gans gestoh­len! Dar­auf der Nazi: Häh?/ Woher kannst du denn deutsch? Der Enter­tai­ner muss sich nun vor Lachen dar­über aus­schüt­ten, dass sich der Nazi nicht dar­über wun­dert, dass der Fuchs spre­chen kann, son­dern dass er deutsch spre­chen kann. Dafür wird er von sei­nen Fans fre­ne­tisch gefei­ert. Ein paar Tage spä­ter toben zwei junge Füchse im Park herum, dann biegt ein drit­ter Fuchs um die Ecke und hat etwas Wei­ßes mit Federn im Maul. Plötz­lich ertönt ein Klin­gel­ton. Vor mir sitzt ein Fuchs und starrt mir ins Gesicht… Wei­tere Füchse haben sich hinzu gesellt und bevöl­kern bald die ganze Treppe, und schließ­lich sagt der vorn sit­zende Fuchs: »Ich hatte nichts Wei­ßes mit Federn im Mund!« Der Dich­ter ant­wor­tet: »Please feel free to talk in Eng­lish.« Hier endet das Gedicht, doch in unse­rem Kopf läuft der Film wei­ter. Wir hören den Fuchs etwas sagen, das klingt wie: »I have not­hing white with fea­thers in my mouth.« Weder der Dich­ter noch wir, seine Leser, wun­dern uns dar­über. Und noch weni­ger wun­dern wir uns, dass  nie­mand von uns bis­lang ein­ge­la­den wurde, als Enter­tai­ner im Fern­se­hen aufzutreten.

Den Epi­log des schma­len Lyrik­ban­des Schwa­nen bil­det ein län­ge­res Gedicht, in dem zwei absurd erschei­nende Erzäh­lun­gen inein­an­der ver­schach­telt sind. Es trägt den Titel Die Seele der Ese­lin Els. Der lyri­sche Erzäh­ler hat einen Film­riss und es mal wie­der nicht in sein Bett geschafft, son­dern er liegt auf den Trep­pen­stu­fen im Hin­ter­hof. Dort fin­det  ihn eine Freun­din, die öfter ein­mal in den Gedich­ten Domi­nik Dom­brow­skis auf­taucht. Sie heißt  wie eine Lebens­mit­tel­kette und die Ober­pries­te­rin der Drui­den. Im Gegen­satz zu die­ser fleht Norma keine Costa diva an, son­dern erzählt von zwei Spät­hip­pies, die Mit­be­woh­ner ihrer WG in Ams­ter­dam waren. Sie wur­den die bei­den Har­rys genannt und gin­gen Abend für Abend zu einem Gna­den­hof, auf dem die alte Ese­lin Els stand, sie rauch­ten ihre Joints und raun­ten dem Tier selt­same Sachen ins Ohr. Eines Tages fin­den sie das Tier reg­los lie­gend am  Zaun. Nun gehen sie so oft es geht zum Gna­den­hof, sie haben – davon ist Norma über­zeugt – die Stelle der Ese­lin ein­ge­nom­men. Ihre See­len hät­ten sich mit der der Ese­lin Els ver­fan­gen. So muss Norma die bei­den Har­rys Abend für Abend vom Gna­den­hof nach Hause holen. Dabei holen sie Flach­män­ner aus ihrer Tasche und spre­chen in pri­va­ten Rät­seln, etwa, dass sie alte Gespens­ter ken­nen wür­den, so alt, dass sie noch grüne Feen getrun­ken hät­ten. Meis­tens spre­chen sie von See­len, die auf geheim­nis­volle Art den Kör­per ver­las­sen. Norma ist über­zeugt davon, dass sich die See­len der bei­den Har­rys mit denen der Ese­lin Els ver­fan­gen hät­ten und dass ihrem Nach­barn, dem sie all das erzählt, etwas Ähn­li­ches wider­fah­ren sein müsse. Und tat­säch­lich erin­nert sich der, dass er vor unge­fähr zehn Wochen auf dem Heim­weg aus der Kneipe einen über­fah­re­nen Igel gese­hen habe und dass das genau der Igel gewe­sen sei, der immer mor­gens das rest­li­che Kat­zen­fut­ter weg­ge­fres­sen habe. Nun beschlie­ßen Norma und der lyri­sche Erzäh­ler, die Igel­seele, die sich mit sei­ner ver­fan­gen hat, frei­zu­las­sen. Er legt sich auf den Asphalt, ver­fällt in Trance und spürt, wie ein Igel an sei­nem Gesicht schnüf­felt, es wer­den immer mehr: Das Letzte, was ich sehe, sind Hun­derte von Igeln um mich herum./ Eine schwarze Hügel­land­schaft aus Igeln, eine Stimmung,/ähnlich der Schluss­szene aus Hitch­cocks Die Vögel, nur eben Igel überall.

Irgend­wann keh­ren Norma und der erzäh­lende Dich­ter nach Hause zurück. Sie sit­zen auf den Trep­pen­stu­fen vor ihrem Haus, und er fragt Norma, was denn aus den bei­den Har­rys, die­sen Spät­hip­pies, gewor­den sei.  Nor­mas lako­ni­sche Ant­wort lau­tet: Soviel ich weiß – haben sie sich totgesoffen.

Domi­nik Dom­brow­skis Gedicht­band Schwa­nen beein­druckt mit einer Art von Lyrik, wie sie hier­zu­lande sel­ten, wenn nicht ein­zig­ar­tig, ist. Ganz leicht glei­ten äußere und innere Rea­li­tät inein­an­der über. Erdach­tes, Erahn­tes, einem Schwa­nen­des und Erträum­tes ver­bin­den sich zu einer magisch-phan­tas­ti­schen Rea­li­tät. Zugleich gibt Domi­nik Dom­brow­skis jenen, die die Gesell­schaft für Tau­ge­nichtse und Nichts­nutze hält, eine Stimme. Ganz im Sinne roman­ti­schen Dich­tens bringt er deren Träume zur Spra­che. Wie neben­bei ent­ste­hen dabei Gedichte, in denen Geschich­ten erzählt, inein­an­der ver­schränkt und mit­ein­an­der ver­wo­ben wer­den und gleich einem sur­rea­len Film vor den Augen des Lesers ablau­fen. Gewiss, auch was in ihnen erzählt wird, macht sie unver­wech­sel­bar. Das Beste an ihnen ist jedoch, wie Lyri­sches und Erzähl­tes zu einem hin­rei­ßen­den, ganz eige­nen Sound ver­schmel­zen, dem man als Leser immer­fort lau­schen möchte!

 

  • Domi­nik Dom­brow­ski: Schwa­nen. Gedichte, edi­tion Azur im Ver­lag Voland & Quist, Ber­lin und Dres­den 2022, 80 S., 18,00€
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