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Schriftsteller der Frühen Neuzeit
Sylvia Weigelt
Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
Unmittelbar vor der Nikolaikirche am Karlsplatz steht das obligate Denkmal für den Reformator: »Luther mit der Bibel in der Hand« (Adolf von Donndorf, 1895, Bronze). Der Sockel aus rotem Granit, (Marmor?) trägt die Inschrift: »Errichtet am Erinnerungstage/von Luthers Ankunft auf der Wartburg/4. Mai 1521«
[Der Bildhauer Adolf Donndorf hatte bereits das Bachdenkmal in der Georgenkirche geschaffen.]
Das Relief des Sockels zeigt vier Darstellungen zu Luthers Leben: Luther als Kurrendesänger vor Frau Cotta (Westseite), die Lutherstube auf der Wartburg, Luther am Tisch an der Bibelübersetzung arbeitend (Südseite), »Junker Jörg« in nachdenklicher Haltung (Ostseite) und den Titel von Luthers bekanntestem Kirchenlied »Ein feste Burg ist unser Gott« (Nordseite). Die Lutherfigur selber ist im Talar mit der Bibel in den Händen dargestellt.
Ein’ feste Burg ist unser Gott,
Ein gute Wehr und Waffen;
Er hilft uns frei aus aller Not,
Die uns jetzt hat betroffen.
Der alt’ böse Feind,
Mit Ernst er’s jetzt meint,
Gross’ Macht und viel List
Sein’ grausam’ Ruestung ist,
Auf Erd’ ist nicht seingleichen.
Mit unsrer Macht is nichts getan,
Wir sind gar bald verloren;
Es steit’t für uns der rechte Mann,
Den Gott hat selbst erkoren.
Fragst du, wer der ist?
Er heisst Jesu Christ,
Der Herr Zebaoth,
Und ist kein andrer Gott,
Das Feld muss er behalten.
Und wenn die Welt voll Teufel wär’
Und wollt’ uns gar verschlingen,
So fürchten wir uns nicht so sehr,
Es soll uns doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt,
Wie sau’r er sich stellt,
Tut er uns doch nicht,
Das macht, er ist gericht’t,
Ein Wörtlein kann ihn fällen.
Das Wort sie sollen lassen stahn
Und kein’n Dank dazu haben;
Er ist bei uns wohl auf dem Plan
Mit seinem Geist und Gaben.
Nehmen sie den Leib,
Gut, Ehr’, Kind und Weib:
Lass fahren dahin,
Sie haben’s kein’n Gewinn,
Das Reich muss uns doch bleiben.
(1529)
Lutherdenkmale kamen vor allem seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts »in Mode«. Das älteste wurde 1868 in Wittenberg enthüllt; das bekannteste und zugleich mit 12,5m² größte ist das in Worms, ein Denkmal für Luther und durch die Aufnahme weiterer historischer Personen (u.a. Friedrich der Weise) zugleich für die Reformation. Die zentrale Lutherfigur wurde häufig kopiert, u.a. sehen wir sie vor der Frauenkirche in Dresden und 7mal in den USA.
Übrigens: Während der großen Volkszählung (vor zwei/drei Jahren?) sollte in Worms auch Martin Luther Auskunft über seine Lebens- und Wohnverhältnisse geben. Der Zufall wollte es, dass das hiesige Lutherdenkmal für die Befragung ausgewählt worden war.
Über Denkmale, zu Luthers Zeit waren dies vorrangig Heiligenstatuen, hatte Luther seine eigenen Ansichten. Und hier finden wir auch eine erste Schnittstelle mit der hl. Elisabeth.
Folgendes wird nämlich erzählt: Elisabeth besuchte einmal eine Kirche, die zum Kloster eines Bettelordens gehörte. Die Mönche bestritten ihren Unterhalt mehr schlecht als recht aus den täglichen Almosen, hatten aber unlängst einige kostbare Statuen in dem Gotteshaus aufgestellt, über und über mit Gold bedeckt. Diese zeigten sie nun voller Stolz Elisabeth. Doch wie groß war die Enttäuschung über Elisabeths gleichgültiges Gesicht.
»Was gefällt dir an unseren schönen Heiligenbildern nicht?« fragten die Brüder. «Ihr hättet klüger gehandelt, euch besser zu kleiden und zu ernähren, als so viel Geld für die Zierde der Wände auszugeben. Die Bilder der Heiligen solltet ihr stattdessen in euren Herzen tragen.« (Brot und Rosen, S. )
Nun, die Ablehnung der Heiligenstauen bewahrte Elisabeth nicht davor, später selber als solche verehrt zu werden, oft reich geschmückt und mit goldener Krone.
Aber Elisabeth hat mit ihrer Kritik am Bilderkult später die Herzen der protestantischen Welt erobert. Martin Luther erwähnt die Heiligenbilder-Episode im Vorwort seiner »Winterpostille« 1521 als »ein Exempel von der heiligen Frau Elisabeth« und lobt ausdrücklich Elisabeths »einfältig, göttlich und kräftiges Urteil« in dieser Angelegenheit.
Während das Leben Elisabeths vor allem durch die über Jahrhunderte tradierten Legenden präsent blieb, ist Luthers Wort bis heute in aller Munde lebendig. Wie kein anderer beherrschte er die hohe Kunst der Rhetorik im Mündlichen und im Schriftlichen, allen voran die sprachgewaltige Übersetzung des Alten und Neuen Testaments, die unter seiner Egide und mit einem überaus kundigen Mitarbeiterstab zwischen 1521 und 1534 entstand. Sie war nicht nur ein wesentlicher Baustein des Neuhochdeutschen. Die darin enthaltenen Sprichwörter und Redewendungen prägen auch immer noch die Sprache der Gegenwart (siehe unter 12. Wartburg).
Spätestens Anfang der 1530er Jahre war es Mode geworden, Luthers Reden mitzuschreiben, nicht heimlich, sondern mit dessen Wissen und Billigung. Und so brachte ihn wohl hin und wieder auch die Erwartungshaltung seiner Gäste dazu, neben all den tief schürfenden Gedanken manch lockeren Spruch in die zumeist männlich dominierte Runde zu werfen.
Mathesius (1504–1565), der mehrere Jahre lang Luthers Tischgenosse war, berichtet:
»Ob aber wohl unser Doktor oftmals schwere und tiefe Gedanken mit sich an den Tisch nahm, … ließ er sich zu gelegener Zeit sehr lustig hören, wie wir denn seine Reden ‚condimenta mensae’ – Tischwürze – pflegten zu nennen, die uns lieber waren, denn alle Würze und köstliche Speise«.
Gesammelt wurden diese Mitschriften von Aurifaber (1519–1575) und 1566 als »Tischreden Doctor Martini Lutheri« herausgegeben. Erst zwischen 1912 und 1921 legte die Luther-Forschung eine kritische Ausgabe dieser Tischreden in sechs Bänden (Weimarer Lutherausgabe) vor. Bis dahin war Aurifabers Sammlung, die 1968 ihre 20. Auflage erlebte, eines der meistgelesenen Bücher im protestantischen Deutschland – und damit waren auch die darin überlieferten Lutherworte in aller Munde.
50 m in östlicher Richtung
Abb. 1: Foto: Sylvia Weigelt / Abb. 2: Foto: Jens-Fietje Dwars.
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