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Bernd Ritter
Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Gedanken beim Betrachten eines runden Tisches mit Motiven der Geschichte des biblischen Jona im Warteraum vorm Saal zur Audienz beim Herzog von Sachsen-Gotha und Altenburg auf Schloss Friedenstein im März 2022
Gott hatte Jona befohlen, nach Ninive, der Hauptstadt Assyriens, zu gehen, um den Menschen dieser gottlosen Stadt von Gott zu erzählen und sie zu bekehren, ihr frevelhaftes Tun zu überdenken, zu bereuen und zu beenden.
Jona hatte jedoch keine Lust dazu. Was gingen ihn diese Heiden in Ninive an? Diese gottfernen Assyrer! Sie hatten sein Volk überfallen und gedemütigt. Sollte Gott sie vernichten!
Jona bestieg ein Schiff, das nicht nach Ninive, sondern in die entgegengesetzte Richtung nach Spanien fuhr.
Kaum war das Schiff auf See, erhob sich ein furchtbarer Sturm. Die Matrosen beteten zu Gott, ein jeder zu dem seinen, er möge sie vorm Untergang und Tod bewahren, doch der Sturm wurde umso heftiger. Da weckte der Kapitän den schlafenden Jona und bat ihn, er solle zu seinem Gott beten, vielleicht würde dieser helfen, doch der Sturm ließ auch da nicht nach.
Da warfen die Matrosen ein Los, um zu erfahren, um wessentwillen es ihnen so übel erging – und das Los fiel auf Jona. Den fragten sie und der gestand, er sei Hebräer und habe von seinem Gott den Auftrag erhalten, die Assyrer in Ninive zur bekehren. Sein Gott wolle denen verzeihen können, aber er, Gottes Prophet Jona, könne nicht verzeihen. Deshalb sei er auf diesem Schiff und deshalb zürne sein Gott und deshalb tobe dieser fürchterliche Sturm. Er riet den Seefahrern, ihn ins Wasser zu werfen, dann wären sie gerettet.
Die Matrosen, die erfolglos versucht hatten, an Land zu rudern, um Jona zu retten, warfen ihn schließlich über Bord. Da wurde das Meer still. Und die heidnischen Matrosen beteten zu dem Gott des Jona, weil sie dessen Macht erfahren hatten.
Was sie nicht wussten: Gott ließ einen großen Fisch kommen, um Jona zu verschlingen und dadurch vorm Ertrinken zu retten. Drei Tage und drei Nächte war Jona im Leib des Fisches.
Er betete zu Gott und dankte ihm für sein Leben.
Da sprach Gott zum Fisch, er solle Jona aus und aufs Trockene spucken.
Jona befahl er erneut, nach Ninive zu gehen und wie besprochen zu predigen.
Ninive war riesig. Jona würde viele Tage brauchen, um allen Bewohnern Gottes Botschaft zu bringen, aber nur einen Tag lang zog er durch die Straßen der Stadt und predigte: »Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen.«
Er tat das ziemlich lustlos, gab keine Erklärung, spendete keinen Trost, denn die Assyrer waren das grausamste aller Völker, die Israel je erobert hatten.
Doch zu seiner Überraschung hörten die Menschen auf seine Warnung. Der König von Ninive befahl seinen Untertanen, zu bereuen und sich zu bekehren und zu fasten und zu Gott dem HERRN zu beten. Ninive tat Buße.
Das gefiel Jona ganz und gar nicht. Er verließ die Stadt, baute sich aus Zweigen eine schattige Hütte und wartete ab, was geschehen würde.
»Ich wusste, dass du barmherzig bist, HERR!«, rief er. Und weiter:«Diese Assyrer können tun, was sie wollen, Hauptsache, sie bereuen es hinterher – ja?!«
Das war keine Frage. Gott verstand den Vorwurf. Er sah, dass Jona schmollte wie ein Kind.
»Du bist mir böse« sagte er ruhig – und hatte schon beschlossen, dem grollenden Propheten eine Lehre zu erteilen.
Er ließ neben der Hütte eine Staude mit riesigen Blättern wachsen. Die spendeten Jona Schatten und Jona war froh darüber.
Doch am nächsten Morgen ließ Gott die Staude verdorren, so dass die Sonne Jona zu verbrennen drohte. Dazu kam ein heißer Ostwind auf, der Jona fast den Atem nahm. Da war Jona verzweifelt und sagte zu Gott, er wolle lieber tot sein als leben.
»Du möchtest sterben, weil die Pflanze eingegangen ist?« fragte Gott.
»Ja«, antwortete Jona.
Da sagte Gott:«Du jammerst wegen einer Pflanze, um die du dich nicht gekümmert hast, die in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb, und mich sollte nicht jammern die Stadt Ninive mit mehr als hundertzwanzigtausend Menschen?«
Putin, der Präsident Russlands, ließ die Ukraine überfallen.
Die Ukraine ist ein selbständiger Staat mit einer demokratisch gewählten Regierung.
Putin hat Russland zum Aggressor gemacht.
Das Volk der Ukraine kämpft gegen den Aggressor.
Was macht das Volk von Ninive?
In einer Rede vor der Gewerkschaftskonferenz am 5. Januar 1918 skizzierte der damalige britische Premier LIoyd George die Position seiner Regierung für eine künftige Friedensordnung nach Beendigung des Völkermordens von 1914 bis 1918.
Lloyd George argumentierte, dass man sich in der »kritischsten Stunde dieses furchtbaren Kampfes« befinde, dass »nur die klarste, größte und gerechteste Sache« die Fortsetzung dieses so opferreichen Krieges rechtfertigen könne.
Man führe keinen »Angriffskrieg gegen das deutsche Volk«, sondern kämpfe für die »Selbstverteidigung, zur Verteidigung des vergewaltigten öffentlichen Rechtes in Europa und zur Rettung der feierlichen Verpflichtungen, auf welche die politische Struktur Europas gegründet« sei.
Großbritannien wolle keine »Auflösung des deutschen Staates«. Obwohl LIoyd George die »militärautokratische Verfassung« des Deutschen Reiches als »gefährlichen Anachronismus« bezeichnete und betonte, dass es leichter sei, einen »weitherzigen demokratischen Frieden« mit einem Land zu schließen, dass eine demokratische Verfassung besitze, entscheide allein das deutsche Volk über die innere Gestaltung des Landes.
(LIoyd George, Rede vor der Gewerkschaftskonferenz, 5.Januar 1918, S. 138–145; englisches Original: Papers Relating to the Foreign Relations of the United States 1918, Suppl. I, The Wold War, Bd. 1, S. 4–12; Schwabe (Hg.), Quellen zum Friedensschluß, S. 42–47, hier: S. 43–44) aus: Jörn Leonhard »Der überforderte Frieden, Versailles und die Welt 1918–1923« Verlag C.H.Beck, München 2018, S. 107–108.
Worte, vor 103 Jahren gesprochen, die nur für Ignoranten »Schnee von gestern«sein können.
Für uns Realisten leuchtet Gegenwart hindurch.
Vor 103 Jahren, im November 1918, musste Wilhelm II., der Kriegskaiser, gehen, um Schlimmeres von Deutschland abzuwenden.
Wann jagen die Russen den Kriegspräsidenten Putin zum Teufel?
Mag sein, dass es wahr erscheint im Augenblick: Außenpolitik kenne keine Gründe als die der Macht und Gewalt.
Mag sein, dass es wahr erscheint im Augenblick: Außenpolitik entbehre der Vernunft, ihres Inhalts und ihrer Form nach, dergestalt, dass die Vernunft erkennbar, nachvollziehbar und berechenbar sei.
Mag sein, dass es wahr erscheint im Augenblick: Die Kunst der Diplomatie erschöpfe sich darin zu reden, um zu verbergen, zu verwirren, zu lügen und zu betrügen.
Putin und Lawrow haben nicht die Bauernschläue, die man einem Chrustschow bescheinigen konnte. Ihnen muss man unterstellen, dass sie die Wahrheit kennen, die sie verdrehen.
Vernunft – so Augen- und Ohrenzeugen – soll ihnen früher einmal beschieden gewesen sein.
Was ist passiert?
Der Glaube des Westens, Außenpolitik hänge vom guten Willen ab und Handel schaffe Wandel, sei schuld, habe russische Oligarchen reich, Lawrow zur Marionette und Putin größenwahnsinnig gemacht.
Ist das die Wahrheit? Die ganze Wahrheit?
Eine ganze Wahrheit gäbe es ohnehin nicht, sagen die einen; der Teil Wahrheit, den es tatsächlich gäbe, sei es, meinen die anderen.
Daraus erwachse die Verantwortung, die es nur als Ganzes gibt, den Krieg zu stoppen.
Die Ukrainer leisten ihren Teil mit ihrem Leben.
Die Welt übt tätige Solidarität, nimmt Flüchtlinge auf, schickt Hilfsgüter aller Art zu den kämpfenden Ukrainern.
Was macht das Volk von Ninive?
Sollen wir schmollen wie Jonas?
Hoffen, Gott wird’s schon richten?
Uns hilft kein Gott! Ob wir an ihn glauben oder nicht.
Ihm ist das wurscht.
Also was nun?
Größenwahn ist nicht zu therapieren!
Eine Scheidung a la russe ist nicht zu wünschen!
Die Schuldigen müssen vor Gericht!
Bleibt im Moment der Reichtum. (Nicht der Reichtum der Oligarchen!) Wir denken zuerst an den kulturellen Reichtum des russischen Volkes und der Menschheit: Die Lieder der freien Kosaken, Puschkins Gedichte, Dostojewskis Romane, Gogols Erzählungen, Tschechows Dramen, Tschaikowskis »Symphonie des großen Widerstands«, die Sammlungen der Eremitage und des Puschkin-Museums, das Bolschoi-Theater und so weiter und so fort …
Reichtum braucht Vernunft, soll er bewahrt bleiben. (Auch der Reichtum der Oligarchen!)
Die Vernunft des russischen Volkes ist unsere Hoffnung!
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