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Andreas Seifert
Thüringer Literaturrat e.V.
In überschaubarer Entfernung von seinem Sommerhaus, dessen Fensterläden nachgeahmte Sonnenblumen van Goghs goldgelb schmückten, war Bertram noch viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Die Angst um seine Genesung machte ihm fortwährend zu schaffen. (…) Nur eine Viertelstunde Fußweg lagen zwischen dem baumbestandenen, efeuumrankten Friedhof und Bertrams leicht gebautem Sommerhaus, seinem Domizil und Exil, das der freisinnigen Schreiberseele Unterschlupf gewährte. (…) Daß alles einmal vergehen würde, wußte er schon in der Jugend. Aber die Schnelle des Vergehens erfuhr man erst an der Schwelle des Alters.
Im letzten Lebensjahrzehnt arbeitete Walter Werner an einer Fortsetzung seines autobiografischen Erzählbandes »Der Traum zu wandern«. Den Ich-Erzähler ersetzte der Autor dabei durch den gealterten Schriftsteller Bodo Bertram, der über seine körperliche Gebrechlichkeit, sein Verständnis von Literatur und seine Rolle als Literat sowie sein Verhältnis zur Nach-Wende-Gegenwart reflektiert.
Seit den 1980-er Jahren kämpfte Walter Werner mit gesundheitlichen Problemen. Schon im »Traum zu wandern« hatte er bekannt: Meine Haut wird dünner. Ich magere dahin, werde durchsichtig. Das Leben bekennt sich endlich zu dem, was es wirklich ist: Angst und Hoffnung.
Im Jahr 2000 frag’ ich meinen Apfelbaum
Alle Blätter noch grün,
Alter, genug oben im Licht?
Stiehlst aus meinem Gesicht
Dein Kornäpfelblühn.Alle Blüten noch weiß
fürs Denken und Freun?
Der Wind wird sie streun,
schütteln vom Reis.Alle Äpfel noch rot?
Mit Schale und Kern
Noch immer modern
wie den Essern das Brot.Alle Äste noch gesund,
Alter? Daß die Leitern gut stehn
und die Pflücker drauf gehen,
halt’ ich dich am Grund.
aus: Die Strohhalmflöte. Skizzen und Etüden.
Aufzeichnungen. Halle/Saale 1965
Walter Werner 1994 in einer Zeitungsumfrage zum Jahr 2000: Mein Geburtsjahr versagt ihm die Korrespondenz. Schlicht gesagt: Zukunft hätte ich da ohnehin keine mehr, also brauchte ich auch keine Angst vor ihr zu haben.
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