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Katrin Lemke
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Katrin Lemke
Jenas erste Bibliothekarin
Äußerlich unspektakulär, im Inneren aber reichhaltig, informativ und mit vielen Abbildungen historischer Quellen ausgestattet – so kommt der vom Jenaer Lesehallen e.V. geförderte Band über die heute leider vergessene „Erste Bibliothekarin“ der Jenaer Lesehalle, Helene Petrenz, daher. Was die beiden Autorinnen Andrea Nikolaizig, Professorin für Bibliotheks- und Informationswissenschaft in Leipzig, und ihre Studentin Annika Kohl hier vorlegen, ist eine anschaulich gestaltete, sauber und gründlich recherchierte Biografie der Helene Petrenz, aber auch eine ebensolche Studie über die Lesehallengründung in Jena im Jahre 1896 und den Weg der Jenaer Lesehalle in den folgenden Jahren. Sowohl die moderne Satzung der Lesehalle, die durch Ernst Abbe, Eduard Rosenthal und Hermann Zeiß erarbeitet wurde, als auch das Anliegen einer Volksbibliothek und der gewöhnliche Bibliotheksalltag mit Ausleihe, Rückgabe, Zeitschriftenlesesaal usw. weisen die Jenaer Bibliothek als eine volksnahe, lesefördernde Einrichtung aus. Der Leser, die Leserin erfährt viel über ein Stück frühe Demokratiegeschichte in Jena und ebenso über die allgemeine Bildungsförderung, die durch die Lesehalle möglich wurde. „Das kostenfreie Angebot können Besucherinnen und Besucher montags bis samstags von 9.00 Uhr bis 22 Uhr nutzen, ebenso an Feiertagen. Ernst Abbe legt äußersten Wert darauf, die Lesehalle auch Heilig Abend und Sylvester zu öffnen, damit alleinstehende Menschen eine Stätte der Besinnung und Begegnung […] finden.“ Im Kern also war die Lesehalle immer auch ein sozialer Ort, was Ernst Abbe und Eduard Rosenthal besonders am Herzen lag.
1899 wird die gebürtige Ostpreußin Helene Petrenz die erste festangestellte Bibliotheksleiterin. Also: Der Vereinsvorstand „traut einer Frau zu, als erster Bibliothekar verantwortlich zu arbeiten.“ Wer diese Frau war, wie sie ihre Familie organisierte, um arbeiten zu können, was sie (u.a. durch die Scheidung von ihrem Ehemann Otto Petrenz) durchmachte und erleben musste, all das ist auch ein Stückchen Emanzipationsgeschichte. Denn noch nach ihrem frühen Tode 1914 kursierten Beurteilungen, die Helene Petrenz im Vergleich mit dem Wirken ihrer männlichen Berufskollegen herabsetzten. Das Buch würdigt Helene Petrenz‘ bescheidenes und sachkundiges Wirken.
Eine empfehlenswerte, gut lesbare Dokumentation, die nicht nur geeignet ist, Helene Petrenz dem Vergessen zu entreißen, sondern auch die Bedeutung der heutigen „Lesehalle“, der Ernst-Abbe-Bibliothek, unter historischen Aspekten hervorzuheben.
Andrea Nikolaizig und Annika Kohl, Helene Petrenz und die Ernst-Abbe-Bücherei Jena. Leipziger Universitätsverlag 2023, 175 Seiten, beziehbar über den Lesehallen e.V., EUR 24
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