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Georg Philipp Schmidt von Lübeck / Wulf Kirsten
Erstdruck in: Thüringer Allgemeine, 28.01.2017 / Thüringer Literaturrat e.V.
„So sahn wir uns zum letzten Male!
Dahin, dahin ist all das Glück.
Ich fliehe trüber als die Saale
Mit ihr aus dem geliebten Tale,
Und nur Erinnrung bleibt zurück.
Ich werde mich zu Tode härmen,
Du wirst darum nicht blässer blühn.
Es werden andre dich umschwärmen
Und sich an deiner Sonne wärmen,
Mich wird der Norden nicht erglühn.
Und wirst du meiner wohl gedenken,
Des Armen, der am Sunde schweift,
Des Blicke sich nach Süden lenken
Und in die schwarze Flut versenken,
Wenn Nebel ihm das Haar bereift?
Und zieht dich wohl einmal Verlangen
Zu dem verlornen Freunde hin?
Ach wohl! Was kümmert dich des Bangen!
Vergangenheit ist dir vergangen,
Und die Minute nur Gewinn.
Ich werde dich im Herzen tragen
So wie das Bildnis an der Brust,
Wohin auch je der Reisewagen
Und Meereswogen mich verschlagen –
Du, leb und liebe, wie du mußt.“
aus: Der Wagen, Lübeck 1961.
Wie Peter Hille, Jakob van Hoddis und so manch anderer Lyriker gründet sich deren Überleben auf ein einziges Gedicht. Dies gilt im besonderen von Georg Philipp Schmidt von Lübeck (1766–1849). Sein Gedicht „Des Fremdlings Abendlied“ hielt sich bis in die Gegenwart in zahlreichen Anthologien. So auch in Stephan Hermlins „Deutschem Lesebuch. Von Luther bis Liebknecht“ (Leipzig 1978). Nicht unerheblich zu diesem Nachruhm trug freilich Franz Schuberts Vertonung bei. Kaum bekannt ist das in dieser Kolumne vorgestellte Liebes-Verzicht-Gedicht. Während seines Studiums in Jena 1794–1797 gehörte auch jener Schmidt aus Lübeck zu den Studiosi, jungen Gelehrten, für die Sophie Mereau zu einem allseits frequentierten Anziehungspunkt wurde. Während er von dieser Liaison ein Leben lang zehrte, träumte, keine Ehe einging, blieb er für sie nur eine Episode. Welch ein Skandal einer gutbürgerlich verheirateten Frau die Flucht mit einem ihrer Liebhaber nach Berlin im Herbst 1796. Während für Sophie Mereau das kurze Zwischenspiel damit endete, sollte es für den sich getäuscht sehenden und fühlenden Liebhaber zu einem unvergänglichen Lebens-Höhepunkt werden. Gedichte wie Briefe bezeugen, dass er sich immer wieder Hoffnungen machte. Es blieb beim „Abschied von der Einzigen“.
Das fünfstrophige Gedicht des „volkstümlichen Lyrikers in klassischer Zeit“, dem immerhin eine „mehr als mittelmäßige Begabung“ attestiert wurde, gab der Autor erst fünfzig Jahre nach seiner Entstehung der Öffentlichkeit preis. Von Jena war er als Dr. med. geschieden. Bereits 1799 gab er die Arztpraxis in Lübeck auf. Seit 1818 fungierte er als Bankdirektor in Altona. Eine Sammlung seiner „Lieder“ erschien erstmals 1821. Wieder einmal mehr bin ich versucht, Elke Erbs ebenso genialen wie treffsicheren einfachen deutschen Aussagesatz zu zitieren: „Die Dichter wohnen in den Jahrhunderten.“ Aus dem berühmt gewordenen, gebliebenen Gedicht „Des Fremdlings Abendlied“ tönt es „Ich bin ein Fremdling überall.“ – „Dort wo du nicht bist, dort ist das Glück.“
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