Roland Krischke – »Von Don Carlos zu Don Haarlos – Mein Schiller«

Person

Friedrich von Schiller

Ort

Schillerhaus Rudolstadt

Thema

Aktuelles

Autor

Roland Krischke

Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Gruß­wort von Dr. Roland Krischke, Prä­si­dent des Muse­ums­ver­ban­des Thü­rin­gen, zur Ver­lei­hung des Muse­ums­prei­ses der Spar­kas­sen-Kul­tur­stif­tung Hes­sen-Thü­rin­gen 2024 am 9. Mai 2025 im Schil­ler­haus Rudolstadt

 

Roland Krischke

Von Don Car­los zu Don Haar­los – Mein Schiller

 

Sehr geehr­ter Herr Bür­ger­meis­ter Reichl,
sehr geehrte Frau Halwas,
sehr geehr­ter Herr Klinge,
sehr geehr­ter Herr Lenz,
lie­ber Chris­tian Hof­mann mit dem Team des Schillerhauses,
liebe Gäste,

mir geht es wie den meis­ten Men­schen, die in Deutsch­land auf­wach­sen, Schil­ler ist mein ste­ter Beglei­ter. Aus der Schul­zeit sehe ich noch meine Deutsch­leh­re­rin vor mir, die vom »Sturm und Drang« auch als damals Mitt­fünf­zi­ge­rin immer noch hef­tig mit­ge­ris­sen wurde und das auch – zu die­ser Zeit aller­dings ver­geb­lich – von uns Schü­lern erhoffte. Sie füt­terte uns mit Don Car­los und schwelgte in Schil­lers Ver­sen. Und diese Verse pas­sen doch ganz wun­der­bar für mei­nen heu­ti­gen Moment bi die­ser Preisverleihung:

O, könnte die Bered­sam­keit von allen
Den Tau­sen­den, die die­ser gro­ßen Stunde
Theil­haf­tig sind, auf mei­nen Lip­pen schweben …

Don Car­los, 3. Akt, 10. Auftritt

Wäh­rend die Deutsch­leh­re­rin schwärmte, bemal­ten wir der­weil die berühm­ten gel­ben Reclam-Heft­chen und mach­ten aus Don Car­los einen Don Haar­los. Noch Jahre spä­ter hat sich das Schick­sal für diese Fre­vel­tat dann hämisch grin­send an mir gerächt. Um es mit der Figur des »Rol­ler« aus den Räu­bern zu sagen: »Möch­test du bald auch in den Pfef­fer gera­ten, daß ich dir Glei­ches mit Glei­chem ver­gel­ten kann!«

Don Car­los, das Drama, das ein Jahr vor Schil­lers Rudol­städ­ter Som­mer 1787 in Ham­burg urauf­ge­führt wurde, war dann über­ra­schen­der­weise auch Thema in mei­nem schrift­li­chen Abitur. Zu mei­nem Glück konnte man aber unter vier The­men wäh­len und ich ent­schied mich, über Her­mann Hes­ses »Step­pen­wolf« zu schrei­ben, Step­pen­wolf, der ich damals wahr­schein­lich auch selbst sein wollte.

Meine Damen und Her­ren, es ist die Stärke von Museen, dass es Ihnen gelingt das Herz der Men­schen zu erobern, sie in ihrem Inners­ten zu berüh­ren und auf diese Weise, Freunde fürs Leben zu gewin­nen. Und wie wir mit Schil­ler wis­sen, ist es ein gro­ßer Wurf, eines Freun­des Freund zu sein. Aus die­ser Freund­schaft ent­steht innere Teil­nahme und Enga­ge­ment. Enga­ge­ment im Ehren­amt zur Unter­stüt­zung der Häu­ser, aber auch Enga­ge­ment in der För­de­rung, wie es sich die Spar­kas­sen-Kul­tur­stif­tung Hes­sen-Thü­rin­gen auf die flat­tern­den Fah­nen geschrie­ben hat.

Aus Anlass die­ser bereits zwölf­ten Ver­gabe des Muse­ums­prei­ses in Hes­sen und Thü­rin­gen seit 2002 möchte ich sei­tens der Museen in Thü­rin­gen, aber auch sei­tens des eng mit uns zusam­men­ar­bei­ten­den Muse­ums­ver­ban­des Hes­sen, für die­ses groß­ar­tige Enga­ge­ment dan­ken. Gerade in unse­rer von vie­len Sor­gen gekenn­zeich­ne­ten Zeit ist es wich­tig, her­aus­ra­gende Muse­ums­ar­beit her­vor­zu­he­ben und sie gerade auch finan­zi­ell zu unter­stüt­zen. Das ist ein kla­res Zei­chen für die Not­wen­dig­keit von Kul­tur­för­de­rung einer­seits, aber auch ein kla­res Zei­chen für den Aus­wahl­pro­zess und die beson­dere För­de­rung jener, die sich durch ihre gute Muse­ums­ar­beit sehen las­sen und sehen las­sen können.

Ein herz­li­cher Gruß geht von hier aus an die Häu­ser im hes­si­schen Hat­ters­heim und an die ana­to­mi­sche Samm­lung in Jena, die die bei­den För­der­preise 2024 erhal­ten. Zum wohl­ver­dien­ten Haupt­preis gra­tu­liere ich aber dem Schil­ler­haus Rudol­stadt, das ich auch per­sön­lich sehr schätze, sei­nem Lei­ter und dem Team ganz herzlich.

Es ist nicht leicht, Lite­ra­tur in – im Sinne des Wor­tes – anspre­chen­der Weise zu ver­mit­teln. Dies gelingt die­sem Haus in ganz her­vor­ra­gen­der Weise und man ver­lässt die Aus­stel­lung berei­chert, als habe man einen unter­halt­sa­men Vor- oder Nach­mit­tag mit guten Bekann­ten ver­bracht. Die Lite­ra­tur- und Kul­tur­ge­schichte um 1800 wird durch Anschau­lich­keit zur unmit­tel­ba­ren Gegen­wart und Schil­lers Jahr 1788 zu einem zeit­lo­sen Teil unse­rer selbst.

Sie müs­sen mir noch ein wei­te­res Mal ver­zei­hen, dass ich sie mit auto­bio­gra­fi­schen Details beläs­tige, aber es ist eben Schil­ler, der einen nicht loslässt.

Als wir in mei­ner Schul­zeit ein­mal Gedichte aus­wen­dig ler­nen soll­ten, rezi­tierte ich ganz und gar stumm Chris­tian Mor­gen­sterns »Fisches Nacht­ge­sang«, wäh­rend ein Mit­schü­ler Schil­lers »Glo­cke« kom­plett auf­sagte. Natür­lich bewun­der­ten wir alle ihn zutiefst, hät­ten das aber nie zugegeben.

Statt­des­sen schrieb ich eine kleine Parodie:

 

Das Lied von der Socke

Ein Frag­ment

Sehr bedau­ert von der Herde
Steht das Schaf
Ganz müd gerannt
Heute muss die Socke werden,
Frisch, Ihr Stri­cker, seid zur Hand.
Von der Stirne heiß
Rin­nen muß der Schweiß,
Soll das Schaf den Meis­ter loben,
müs­sen wild die Nadeln toben.
Zur Socke, die wir ernst bereiten,
Geziemt sich wohl ein erns­tes Wort;
Wenn gute Reden ihn begleiten,
Wächst der Strumpf ganz mun­ter fort.
So lasst uns jetzt mit Fleiß betrachten,
Was aus der Wolle sich entringt,
Die Socke muss man wohl verachten,
wenn aus ihr ein Düft­chen dringt.
Das ist’s ja, was den Men­schen zieret,
Und dazu ward ihm der Verstand,
Daß er im innern Her­zen spüret,
Was er erschafft mit sei­ner Hand.

Dann ging mir die lyri­sche Puste aus. Sie wer­den es, denke ich, ver­schmer­zen können.

Im Stu­dium habe ich mit wach­sen­der Begeis­te­rung Schil­lers Dra­men auf der Thea­ter­bühne gese­hen oder an der Wie­ner Oper die Ver­to­nun­gen Giu­seppe Ver­dis (schon wie­der »Don Car­los«), Gaetano Doni­zet­tis (»Maria Stuart«) und Gia­como Ros­sini ver­folgt. Ins­ge­samt 50 Opern gehen auf Dra­men Schil­lers zurück.

Schil­lers Geburts­haus in Mar­bach habe ich bei Lite­ra­tur-Recher­chen im Deut­schen Lite­ra­tur­ar­chiv ken­nen­ge­lernt, Schil­lers Ster­be­haus in Wei­mar wäh­rend einer ers­ten gesamt­deut­schen Reise 1991. Im Schil­ler­haus in Oggers­heim – sozu­sa­gen bei Hel­mut Kohl um die Ecke, wo Schil­ler 1782 auf der Flucht aus Würt­tem­berg Halt machte – habe ich 1999 einen mei­ner ers­ten Vor­träge gehal­ten – über den mit Ernst Bloch befreun­de­ten Schrift­stel­ler Fried­rich Bur­schell, der eine hand­li­che Rowohlts Bild­mo­no­gra­phie über Schil­ler geschrie­ben und 1958 auch noch eine dicke Schil­ler-Bio­gra­fie vor­ge­legt hat. Rudol­stadt und sein Schil­ler­haus lernte ich dann – viel zu spät und früh genug – erst in mei­ner Thü­rin­ger Zeit seit 2007 kennen.

Ich bin froh auch heute, aus die­sem wun­der­vol­len Anlass wie­der hier zu sein und sage nun nur noch das, was wir der Presse als meine heu­ti­gen Worte mit­ge­ge­ben haben, damit ich mich nicht selbst Lüge strafe:

»Das Schil­ler­haus Rudol­stadt beein­druckt mit einer leben­di­gen Aus­stel­lung und einer ebenso enga­gier­ten wie inno­va­ti­ven muse­ums­päd­ago­gi­schen Arbeit. Der Muse­ums­preis 2024 ist eine ver­diente Aner­ken­nung für ein Museum, das nicht nur Lite­ra­tur-Geschichte erzählt, son­dern die Bedeu­tung Fried­rich Schil­lers und sei­ner nach wie vor aktu­el­len Fra­ge­stel­lun­gen zu Frei­heit und per­sön­li­cher Ver­ant­wor­tung erleb­bar macht. Für den Frei­staat Thü­rin­gen ist diese Aus­zeich­nung zugleich ein Ansporn und eine Mah­nung, in der Unter­stüt­zung der klei­ne­ren Museen im länd­li­chen Raum nicht nach­zu­las­sen. Gerade sol­che Orte sind die Keim­zel­len einer lite­ra­ri­schen Bil­dung und eines früh begrün­de­ten Ver­ständ­nis­ses für demo­kra­ti­sche Werte.«

Damit dem Schil­ler­haus noch­mals ein herz­li­cher Glück­wunsch und Ihnen allen einen schö­nen Nach­mit­tag im Zei­chen des locki­gen Schwa­ben. Herz­li­chen Dank!

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