Joachim Werneburg – »Das Drachenboot. Gedichte«

Thema

Gelesen & Wiedergelesen

Autor

Achim Wünsche

Alle Rechte liegen beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors. Erstabdruck in: Palmbaum 1/2025

Achim Wün­sche

Vers­ge­schmeide

 

Joa­chim Wer­ne­burg ist auf­merk­sa­men Palm­baum-Lesern kein Unbe­kann­ter. Die meis­ten sei­ner Gedicht-Zyklen, die der vor­lie­gende Band mit Tex­ten der letz­ten fünf Jahre ver­eint, sind zuerst in der Thü­rin­ger Lite­ra­tur­zeit­schrift erschienen.

Es sind keine leich­ten Texte. Wer­ne­burg gehört zu den weni­gen, die noch klas­si­sche Vers­maße beherr­schen. Man­chen gilt ja unter­ein­an­der gesetzte Prosa nicht nur ohne Reim­schema, son­dern auch bar jeder rhyth­mi­schen Glie­de­rung als beson­ders „moderne“ Poe­sie. Ein Irr­tum, dem in der bil­den­den Kunst die abs­trakte Male­rei ent­spricht. Auch dort gibt es gute und schwa­che Bil­der: die einen sind Kom­po­si­tio­nen aus Farbe, die ande­ren Klecksereien.

Wer­ne­burg bevor­zugt die strenge Kom­po­si­tion mit gebun­de­nen Ver­sen. Das birgt die Gefahr des Gleich­klangs: die Spra­che hebt bewusst vom All­täg­li­chen ab, sie ver­frem­det den Gegen­stand durch geho­be­nes Spre­chen in immer glei­cher Ton­lage. So droht die Form den Inhalt zu ver­schlin­gen – im wört­li­chen Sinne: als ein Vers­ge­schmeide, ein Geflecht aus kunst­voll geschwun­ge­nen Sprachbögen.

Geh durch den Tor­bo­gen, dar­über die Brü­cken­kopf­kir­che, / Oder ein Schild­krö­ten­leib, Pan­zer beschützt den Altar.“ Was ist das? Der Zwi­schen­ti­tel ver­rät es: Auf der Krä­mer­brü­cke. Eine Impres­sion aus der Lan­des­haupt­stadt, ver­dich­tet zu Erfur­ter Zaubersprüchen.

Bei ande­ren Gedich­ten mit fer­ne­ren Gegen­stän­den wird die Deu­tung noch schwe­rer: Geschichte erscheint in Mythen, die zu ent­zif­fern sind. Wie die Runen­zeich­nun­gen aus der Wikin­ger­zeit, die Wer­ne­burgs Sohn bei­gesteu­ert hat. Sie sind ebenso ver­schlun­gen wie die Verse des Vaters. Ein Laby­rinth aus Zei­chen, die von uns gedeu­tet sein wol­len. Und ist nicht die Welt, je kom­ple­xer wir sie betrach­ten, ein sol­ches Labyrinth?

 

Joa­chim Wer­ne­burg, Das Dra­chen­boot. Gedichte 2019–2024, Mit Zeich­nun­gen nach Wikin­ger-Runen­ste­len von Ing­mar Wer­ne­burg, Sci­dinge Hall Ver­lag Tübin­gen 2024, 169 S., br., 19,90 EUR

Diesen Artikel teilen:

Literaturland Thüringen‹ ist eine gemeinsame Initiative von
Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen · Thüringer Literaturrat e. V. · MDR-Figaro · MDR Thüringen – Das Radio

Gestaltung und Umsetzung XPDT : Marken & Kommunikation © 2011-2025 [XPDT.DE]
© Thüringer Literaturrat e.V. [http://www.thueringer-literaturrat.de]

URL dieser Seite: [https://www.literaturland-thueringen.de/artikel/joachim-werneburg-das-drachenboot-gedichte/]