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Achim Wünsche
Alle Rechte liegen beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors. Erstdruck in: Palmbaum 1/2025.
Achim Wünsche
Kein Schwarmgeist
Man freut sich heute schon über ein gut gesetztes und sauber gebundenes Buch in handlichem Format. Das vorliegende gehört zu diesen Büchern, in denen man gern liest. Auf dem Cover weckt jene Zeichnung die Neugier, die sich auch auf dem Frontispiz unseres Palmbaum-Heftes findet: Dürers Entwurf eines Denkmals mit dem hinterrücks erstochenen Bauern zu oberst, der in diesem Sommer in Mühlhausen realisiert werden soll.
Es wird nicht das umfangreichste Buch sein, das zu 500 Jahren Bauernkrieg erscheint, aber vielleicht eines der interessantesten. Tobias Prüwer, 1977 in Erfurt geboren, hat Philosophie und Geschichte in Leipzig und Aberdeen studiert und lebt als freier Publizist in Leipzig. Er betont das Streitpotential seines Gegenstandes: „Fanatiker oder Freiheitskämpfer: Über keine andere Person der Reformationszeit wurde derart heftig diskutiert wie über Thomas Müntzer. Die einen erklärten ihn zum mystischen Schwärmer, andere zum Theologen auf Abwegen, zum Utopisten oder Revolutionär mit Regenbogenfahne.“
Er skizziert in kompakter Form die mittlerweile gut belegten Fakten des Aufstands und die noch immer lückenhafte Vita Müntzers in eins mit der Geschichte ihrer kontroversen Deutung in Ost und West. Wurde Müntzer in der DDR zum Bauernführer und Revolutionär stilisiert, galt er in der Alt-BRD – aus durchaus antikommunistischen Gründen – bestenfalls als Schwarmgeist. Dabei erliegt der Autor zuweilen der Versuchung, die Plattheiten der DDR-Vereinnahmung ebenso platt zu entlarven. Wäre es nicht produktiver, das Scheitern des „Arbeiter- und Bauernstaates“ so zu erkunden wie den Aufstand: mit Trauer um vergebene Möglichkeiten statt Schadenfreude?
Der letzte von fünf Teilen des Buches – „Müntzer und wir“ – zeigt ja, dass die Fragen, die Müntzer und der Aufstand von 1525 aufwarfen, keineswegs erledigt sind – weder mit dem Scheitern der Bauern, noch mit dem Untergang der DDR. Die Sehnsucht nach einem Gemeinwesen, das Freiheit und Gleichheit mit Solidarität und Gerechtigkeit vereint, ist aktueller denn je.
Prüwer will mit Vereinfachungen aufräumen. Müntzer sei kein Schwärmer, sondern ein Reformator, der Mystik mit Humanismus verband. Die Bauern wollten keinen Krieg, sondern Verhandlungen. Und sie standen nicht allein, waren verbunden mit unzufriedenen Städtern. Deshalb sei der Begriff Bauernkrieg falsch. Ob der Terminus „Revolution des gemeinen Mannes“ den Aufstand tiefer begreift, bleibt fraglich. Mir scheint „frühbürgerliche Revolution“ für die Epoche treffender. Nur war der Siegeszug des Geldes, der Privatisierung und des Kapitals die eigentliche Umwälzung. Fochten die Bauern gegen diesen Fortschritt nicht auf verlorenem Posten – bis heute?
Tobias Prüwer, 1525. Thomas Müntzer und die Revolution des gemeinen Mannes, Salier Verlag Eisfeld 2025, 168 S., 22 EUR
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