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Jens-Fietje Dwars
Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Jens‑F. Dwars
Bedenkliches
Ich mag die Texte von Daniela Danz und freue mich über jeden Preis, den sie dafür erhält. Aber es gibt auch ein Lob, das den Gelobten erstickt. Die vornehmste Aufgabe des Intellektuellen ist die Kritik am Bestehenden. Und wenn ein Minister, ein Exponent des Bestehenden, sie für eine Kritik lobt, von der er sich nicht getroffen fühlt, wie unlängst in Erfurt, dann hat einer von beiden etwas falsch gemacht.
Zu denken gibt nur Bedenkliches. Nur im Streit selbst, nicht danach, gab es für Hölderlin Versöhnung, im Offen- und Aushalten von Gegen-Sätzen. Klopfen wir den vorliegenden Essay-Band, in dem sich DD mehrfach zu Hölder als ihrem Leitstern bekennt, auf Bedenkliches ab. Der Band beginnt mit dem titelgebenden Essay: Karten sind Ausdruck von Macht. Wer ein Land vermessen hat, der beherrscht es. Aber Macht macht auch blind, sie sieht nur, was ihren Maßen entspricht. Deshalb, so Daniela Danz, brauchen wir neue Karten mit weißen Flecken, um Neues im Altbekannten entdeckbar zu machen. Novalis nannte das »Romantisieren«, Brecht sprach vom V‑Effekt. Das poetische Verfahren ist nicht neu, verstörend nur, dass DD es im Militär verortet: Nichts ersetzt den Blick ins Gelände – das »Credo« entnahm sie »der Internetseite der deutschen Gesellschaft für Heereskunde e.V.«
Solche Anleihen ans Soldatische durchziehen ihr gesamtes Werk. Wie passt Hölderlin dazu? Der Essay-Band enthält zwei Schlüsseltexte über ihn: Das philosophische Licht … ist ihr Bekenntnis, Hölders Sprache habe DD im Radio wie ein Blitz getroffen. Deshalb zog sie zum Studium nach Tübingen, zog in ein Gartenhaus, ihm nahe zu sein.
Solch Nähe ist bedenklich, ich sehe sie in ihren Kaskadengedichten wiederkehren: in äußerlichen Anleihen, die nicht unbedingt das Innere seines Dichtens und Denkens treffen. Der zweite Essay zielt auf dies Innerste: Hölderlins Wildniß.
Wie eine Spurenleserin geht DD diesem Wort nach, spürt es als Motiv in den Verästelungen der späten Hölder-Gedichte auf: »Sü. ists, zu irren / In heiliger Wildniß«. Gerade das Fremde, das sich der Interpretation, der Vereinnahmung entzieht, will sie retten, darin sieht sie das Rettende in Hölder: »eine Sehsucht nach dem Wilden, Chaotischen, Gewalttätigen«, ein Rest »wilde, unvernutzte Natur«, der in den Randbezirken ihrer industriellen Vernutzung wieder aufbricht.
Ist das eine neue Romantik?
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