Thema
Julia Florschütz
Alle Rechte bei der Autorin. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Gelesen von Julia Florschütz
Zwischen den Zeiten
Miku Sophie Kühmel versteht es, in ihrem zweiten Roman „Triskele“ den Generationenkonflikt zu erzählen, ohne dass beim Lesen das Gefühl entsteht, sich auf eine Seite schlagen zu müssen. Die Heldinnen des Romans, drei Schwestern, welche jeweils mit 16 Jahren Abstand geboren sind, eint zu Anfang des Buches das Schicksal, dass ihre Mutter vor ein paar Monaten Suizid begangen hat. Das erste Trauerjahr begleitend schlüpfen die Leser abwechselnd in die Perspektive der einzelnen Schwestern. Sie erfahren von Alltagsproblemen, Erinnerungen, der Schwierigkeit der Annäherung zu den Leidensgenossinnen und ihren individuellen Problemen, den Verlust ihrer Mutter zu bewältigen. Dabei entsteht nicht das Gefühl der emotionalen Überhöhung. Der Mutter wird zugestanden, Fehler in der Erziehung gemacht zu haben. Sie erscheint nicht als leuchtende Mutterfigur, mehr als Frau, die noch andere Kämpfe in ihrem Leben zu bestehen hatte. Ihre tiefe Depression war ein zentraler von ihnen.
Miku Sophie Kühmel versteht es mit sprachlicher Finesse, eine Fülle an Themen auszubreiten, ohne dass das gewollt erscheint. Tod, Trauer, Demenz, Suizid, ungewollte Schwangerschaften, Zweifel an der eigenen Erziehung, emotionale Kälte, Jobverlust – trotz düsterer Themen macht die Lektüre nicht todtraurig, sondern regt zum Nachdenken über das eigene Sein an. Wie erlebte ich meine Kindheit? Welcher Figur bin ich am nächsten? Was ist eine Frage des Charakters, was Identifikation über Zeit, Ort, Generation? Es ist dabei tröstlich zu erfahren, wie die Protagonistinnen selbst in der größten Misere ihr Leben weiterleben und meistern. Dies lebt das Buch vor – authentisch und auch hier und da mit Humor.
Auch wenn die Handlung im Jahr 2020 spielt – die Auswirkungen der Pandemie werden immer wieder erwähnt, jedoch nicht aufbürdend präsentiert – hat der Roman Potential für eine zeitlose Leseerfahrung, zumindest für die gegenwärtig lebenden Generationen. Wenngleich der große Abstand der Jahre die Schwester trennt, so teilen sie Identitätsprägendes wie die Heimat in Sachsen-Anhalt, die Erinnerung an einen verschlafenen Ort, ein vergangenes Land, das nicht alle von ihnen selbst erlebt haben und dass sie dennoch auf ganz unterschiedliche Weise formte. Trotz des abrupten Endes der DDR, beeinflusste sie das Lebensgefühl der Menschen nachhaltig. So wie sich der Ost-West-Konflikt erst im Laufe der Zeit auflösen wird, begleitet der Roman die Protagonistinnen nur ein Stück auf ihrem Lebensweg. Das Ende bleibt offen. Immer wieder wird beim Lesen klar, dass Erfahrungen und Herkunft Menschen verbinden, aber letztlich jeder seinen individuellen Weg geht und seine persönlichen Lebenserfahrungen macht. Es gibt dabei keine eindeutigen Vorhersagen, außer die der Endlichkeit des Lebens. Die Toten behalten bei Miku Sophie Kühmel das letzte Wort.
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