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Jens-F. Dwars
Palmbaum, Heft 1/2023 mit dem Titelthema: Was ist Reichtum? Einbandzeichnung: Dieter Goltzsche (Berlin).
Das Herbstheft 2022 hat schon einmal versucht, der Zeit den Spiegel vorzuhalten: die absurde Welt zum Tanzen zu bringen, indem sie ihr die eigene Melodie vorspielt. Wir erinnerten an das Treffen der Dadaisten und Konstruktivisten im September 1922 in Weimar. Natürlich waren unsere Nadelstiche so wirkungslos wie die unserer Vorgänger. Schlimmer noch: hatte man Schwitters & Co. im Jenaer Kunstverein wenigstens noch ausgebuht, stieß unserer Dada-Abend im Romantikerhaus nur noch auf allgemeinen Beifall und fröhlich lachende Gesichter. Dabei hatte ich das Aussichtslose unseres Bemühens schon im Editorial vorweggenommen: Wir haben uns im Absurden eingerichtet, die Verhältnisse absurd zu nennen, ist keine Provokation mehr.
Nun greifen wir ins finstere Herz dieser Wirklichkeit und fragen sie, die sich so reich gibt wie keine Zeit vor ihr, was das denn ist: Reichtum? Der Kontostand auf der Bank? Geschenkt: die solcherart Reichen sind arm dran, weil permanent auf der Jagd nach neuen Anlagemöglichkeiten. Noch sind wir weit von der Inflation vor hundert Jahren entfernt, aber schon ist die Entwertung des Geldes rasant spürbar. Nur des Geldes? Was sind denn wahre Werte? Was ist ein reiches Leben? Und was verrät uns Literatur über solche Fragen? Fast alle Märchen kreisen um Haben oder Sein: Wer Reichtum für Besitz hält, verliert alles, während jene, die „reinen Herzens“ sind, als das kenntlich werden, was sie schon immer waren: reich in sich, in ihrer Art zu sein. Und deshalb wird der Verzicht auf äußeren Reichtum, bei Franz von Assisi, zum Zeichen für den inneren. Aber das Innere gibt auch Rätsel auf: wieso war ein so reicher Geist wie Goethe so arm im Herzen, dass er seinem Sohn nicht zu geben vermochte, worum der ihn bat: die Liebe eines Vaters? Was ist immaterieller Reichtum der Kultur, wie kann die UNESCO ihn bewahren? Und worin besteht der Reichtum unserer Sprache? Wird künstliche Intelligenz ihn erweitern?
Unser Lyrik-Block umfasst 20 Seiten. Unter Prosa bringen wir u.a. autobiografische Erzählungen von Wulf Kirsten. Der Spracharbeiter ist im Dezember von uns gegangen. Ein großer Verlust nicht nur für die Thüringer Literatur. Im Essay-Block versuchen wir eine doppelte Annäherung an Günter Grass: an seine Lebensspuren und eine Nachlass-Erzählung über die Naumburger Uta. Friedrich Dieckmann schließlich rechnet mit dem verkürzten Denken der Gegenwart ab. Lassen Sie sich von 20 Seiten Rezensionen anregen und feiern Sie mit uns 30 Jahre Palmbaum: in einer Ausstellung auf Schloß Burgk bis zum 25. Juni.
Jens‑F. Dwars
Dieter Goltzsche / Jens-F. Dwars / Thüringer Literaturrat.
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