Drackendorf
[Gemeinde]

Lokation

Alte Dorfstraße
07751 Drackendorf

50.887754, 11.631465

Personen

Johann Wolfgang von Goethe

Friedrich von Hardenberg (Novalis)

Artikel

Novalis-Wanderweg – Rundweg von Drackendorf nach Schlöben

Weiterführende Informationen

Drackendorf

Autor

Detlef Ignasiak

Das literarische Thüringen, Bucha 2018.

Dra­cken­dorf liegt unter­halb der Lob­de­burg am süd­west­li­chen Fuß der Wöl­misse. Seit der Errich­tung der Neu­bau­sied­lung Lobeda-Ost ist Dra­cken­dorf über die Erlan­ger Allee, auf der seit 1996 die Stra­ßen­bahn ver­kehrt, schnell zu errei­chen. Das Dra­cken­dor­fer Rit­ter­gut bestand vom 12. Jahr­hun­dert bis 1945. Die Haupt­ge­bäude wur­den Anfang 1949 abgebrochen.

Unter den 29 Besit­zern ragt die Fami­lie von Zie­ge­sar her­aus, die 1745 vom bran­den­bur­gi­schen Zie­sar hier­her kam. Der schon in Dra­cken­dorf gebo­rene August Fried­rich Carl von Zie­ge­sar (1746–1813) war Sach­sen-Got­hai­scher und Alten­bur­gi­scher Minis­ter, Wei­ma­ri­scher Gene­ral­land­schafts­di­rek­tor und 1792–1813 Jenaer Hof­rich­ter. Am 26. 5. 1808 beriet Zie­ge­sar hier zusam­men mit Minis­ter Chris­tian Gott­lob Voigt und Carl August über eine »Con­sti­tu­tion« für Sach­sen-Wei­mar-Eisen­ach. Am 20. Sep­tem­ber 1809 trat diese in Kraft. Goe­the war mit Zie­ge­sar eng befreun­det und besuchte ihn erst­mals 1776 in Dra­cken­dorf. 1801–1803 hielt sich Goe­the häu­fig in Dra­cken­dorf auf, um Zie­gesars Toch­ter Sil­vie zu sehen.

Dra­cken­dor­fer Pfar­rer waren nach­ein­an­der Chris­tian Lud­wig Brehm und August Thieme, des­sen Gedicht »Der ewige Friede. Im Jenaer Tale« (1814) aus die­ser Zeit stammt:

O komm! Die klei­nen kah­len Alpen schließen
Nun unser Täl­chen wie­der fried­lich ein!
Das Feder­gras – die Küchen­schel­len sprießen
Um uns! – der Win­zer hackt den Wein­stock ein!

Sil­vie von Zie­ge­sar, eigent­lich Agnes Syl­via Doro­thea von Zie­ge­sar (1785–1858), war eine domi­nie­rende Frau­en­gestalt für Goe­the am Anfang des 19. Jahr­hun­derts. Sie war die Schwes­ter von Anton von Zie­ge­sar (1783–1843), mit dem Goe­the von Amts wegen viel zu hatte. – Sil­vie von Zie­ge­sar wuchs prak­tisch unter Goethess Augen in Dra­cken­dorf auf, doch stand sie ihm erst 1802/03 nahe, nach­dem er der 17-jäh­ri­gen bei J. Loder in Jena wie­der­be­geg­net war. Damals schrieb er für sie das unge­wöhn­lich gegen­ständ­li­che bal­la­deske Gedicht »Berg­schloss«

Da dro­ben auf jenem Berge,
Das steht ein altes Schloss,
Wo hin­ter Toren und Türen
Sonst lau­er­ten Rit­ter und Ross,

das die Lob­de­burg meint. Dazu schrieb sie: »Das hat Goe­the in der Eck­stube an mei­nem Näh­tisch sit­zend für mich gedich­tet.« Wenig spä­ter ent­stan­den die an seine frühe Lie­bes­ly­rik anknüp­fen­den Verse des Gedichts  »Sehn­sucht«

Was zieht mir das Herz so?
Was zieht mich hin­aus? Und win­det und schraubt mich
An’s Zim­mer und Haus?

Sil­vie von Zie­ge­sar ant­wor­tet in Ver­sen: »Wir scherz­ten, spiel­ten, lach­ten viel,/Und fröh­lich war dies Herz,/Die Liebe führte unser Spiel …« Dann kommt die Ent­sa­gung. Erst im Mai 1807 begeg­nen sich beide bei J. From­mann in Jena wie­der. Wei­tere Male 1808 in Karls­bad und drei Tage lang in Dra­cken­dorf 1809 folgt Goe­thes bes­ter Roman, »Die Wahl­ver­wandt­schaf­ten«, in dem er sich von Sil­vie befreit und diese in der Figur der Otti­lie sym­bo­lisch über­höht wie­der­auf­er­ste­hen lässt.

Sil­vie von Zie­ge­sar hei­ra­tete am 21. Juni 1814 in der Dra­cken­dor­fer Kir­che den Jenaer Theo­lo­gie-Pro­fes­sor Fried­rich August Koe­the (1781–1850) und über­sie­delte mit die­sem 1819 nach Alls­tedt, wo Koe­the Super­in­ten­dent wurde. Eine Gedenk­ta­fel an der Dra­cken­dor­fer Kir­che erin­nert an ihn. Dort fin­den sich auch Grab­stät­ten der Fami­lie von Zie­ge­sar. Eine Gedenk­ta­fel am Inspek­tor­haus in der Alten Dorf­straße 8 erin­nert an die von Zie­ge­sar. Geblie­ben ist auch der gegen­über­lie­gende Park mit dem 1854 erbau­ten Römi­schen Haus (»Tee­haus«). Goe­the durch­schritt den Park oft mit Sil­vie von Zie­ge­sar, machte am 31. August 1803 sogar Vor­schläge für des­sen künf­tige Glie­de­rung, was sich in den »Wahl­ver­wandt­schaf­ten« atmo­sphä­risch wiederspiegelt.

Klara von Hell­dorf, eine gebo­rene von Zie­ge­sar (1813–1876), war Dra­cken­dor­fer Guts­her­rin und Salo­niere. Sie hei­ra­tete 1835 in der Dra­cken­dor­fer Kir­che Fer­di­nand Hein­rich von Hell­dorf (1807–1853), mit dem sie das Dra­cken­dor­fer Gut bewirt­schaf­tete. Im Guts­haus unter­hielt sie einen Salon. Häu­fige Gäste waren Kuno Fischer und Karl von Hase, aber auch Groß­her­zog Carl Alex­an­der kehrte mehr­mals bei ihr ein. Ihr Grab befin­det sich auf dem Dorffriedhof.

Heute führt ein Nova­lis-Wan­der­weg, der am Jenaer Roman­tik­er­haus beginnt, durch Dra­cken­dorf über die Wöll­misse nach Schlöben.

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