Das Ende einer Wanderung – Nachruf auf den Schriftsteller Martin Stade von Matthias Biskupek

Personen

Martin Stade

Matthias Biskupek

Ort

Haarhausen

Thema

Nachrufe & Gedenken

Autor

Matthias Biskupek

Matthias Biskupek / Erstdruck: Thüringer Allgemeine, 5.1.2019.

Am 23. Mai 1998 wan­derte ein gutes Dut­zend Schrift­stel­ler von Fran­ken­hain am Thü­rin­ger Wald nach Erfurt, auf jenen 40 Kilo­me­tern, die einst der expres­sio­nis­ti­sche Dich­ter Jakob van Hod­dis (1887–1942) zurück­ge­legt hatte. Das »Wan­dern über dem Ab­grund« war ein Gang über eine unter­ir­di­sche Land­schaft, eine his­to­ri­sche Welt­kriegs­land­schaft und das sagen­um­wo­bene »Jonastal«.

Ein Schrift­stel­ler aus der Ge­gend, Mar­tin Stade, machte da­mals den Wan­der­lei­ter und Rast­platz­wart: ein Jonastal-Ken­ner. Da war er grad nach länge­ren Lebens-Wanderungen
durch das Oder­bruch, See­low und Sach­sen wie­der bei sei­nen Wur­zeln sess­haft gewor­den, in Haar­hau­sen. Sein Haus, das Im­bissquartier für das Dichterdut­zend, war damals halbfertig.

Von die­sem Win­kel Thü­rin­gens war Stade einst aufgebro­chen, zunächst als FDJ-Funk­ti­o­­när und jun­ger Autor mit Dorf­geschichten, »Der him­mel­blaue Zep­pe­lin« und »Vet­ters fröhli­che Fuh­ren« hie­ßen Sammel­bände; spä­ter schrieb er histori­sche Romane, ver­suchte sich mit Kol­le­gen an einer unzen­sier­ten Antho­lo­gie, pro­tes­tierte gegen die Aus­bür­ge­rung des DDR-Lie­­der­ma­chers Wolf Bier­mann und trat schließ­lich aus dem Schrift­stellerverband der DDR aus. So konnte man ihn nicht rausschmeißen.

Durch Zufall stieß ich bei der Suche nach Zita­ten zu Johann Sebas­tian Bach auf einen 1985 in Ham­burg erschie­ne­nen Ro­man »Der junge Bach«. Von Mar­tin Stade. Und wurde in eine Welt ver­setzt, nach Arn­stadt, je­ne Zeit ab August 1703, da Bach hier seine Stelle als Orga­nist an der Neuen Kir­che antrat. Das war so far­big und detail­reich, so urkun­den­ge­nau und doch fanta­sievoll beschrie­ben, dass ich mich glück­lich schätzte, ein Vier­tel­jahr­hun­dert nach Er­scheinen end­lich auf die­sen Ro­man gesto­ßen zu sein.

Die Arn­städ­ter kön­nen sich noch glück­li­cher schät­zen. Seit 1985 haben sie ihr Hei­mat­buch, das 1990 den Titel »Zwi­schen Schleh­dorn und Para­dies« be­kam. Andern­orts steht so etwas in den Stadt-Anna­len, ver­kün­den Stadt-Füh­rer dies an passen­den Stadt-Ecken.

Spä­tere Erzäh­lun­gen Sta­des hatte ich schon frü­her gele­sen. Dar­un­ter »Der Stein­bruch«, just dort spie­lend, wo im Mai 1998 das Autoren­dut­zend über dem Abgrund wan­derte. Die Ge­schichte führt zurück, als Stade ein drei­zehn­jäh­ri­ger Junge war und in einen jener Abgründe blickte, die zu Kriegs­ende im ein­fa­chen wie im über­tra­ge­nen Sinne sich über­all auf­ta­ten. Sein letz­tes Buch hieß bezeichnen­derweise »Vom Bernsteinzim­mer in Thü­rin­gen und ande­ren Hohl­räu­men«, 2008 im Rhino-Ver­lag erschienen.

In einem Kran­ken­haus zu Arn­stadt voll­endete sich am 11. Dezem­ber 2018 die­ses Schriftstellerleben.

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