Christa und Gerhard Wolf in Jena

Personen

Christa Wolf

Gerhard Wolf

Ulrich Kaufmann

Ort

Jena

Thema

Von 1945 bis zum Ende der DDR

Autor

Ulrich Kaufmann

Alle Rechte beim Autor. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors. / Thüringer Literaturrat e.V.

Ulrich Kauf­mann

Ein Lebens­mo­dell der ande­ren Art
Auf der Jenaer Mensa-Treppe lern­ten sich 1949 die Wolfs kennen

 

Christa Wolf (gebo­rene Ihlen­feld) und Ger­hard Wolf stu­dier­ten in den Jah­ren 1949 bis 1951in Jena Ger­ma­nis­tik. Die Initi­al­zün­dung für einen 62 Jahre wäh­ren­den gemein­sa­men Weg des wun­der­ba­ren Dich­ter-Paa­res gab es auf der neun­stu­fi­gen Treppe zur Mensa am Phi­lo­so­phen­weg. »Ich blickte auf«, schreibt Christa Wolf, »da stan­dest du in dei­ner ver­wa­sche­nen Luft­waf­fen­hel­fer­ja­cke auf der Treppe…und blick­test dann prü­fend auf mich, und das war der Blick. Das Bild glitt in mein inne­res Archiv zu den unzer­stör­ba­ren Stücken.«

Die Fami­lien der frisch Imma­tri­ku­lier­ten wohn­ten in Bad Fran­ken­hau­sen und kann­ten sich nur vom Sehen. Christa zog sehr bald zu Ger­hard, der bei der Witwe Specht im Jenaer Ricarda-Huch-Weg 32 logierte, im Nach­bar­haus der 1947 ver­stor­be­nen Schrift­stel­le­rin Ricarda Huch. Im »Geteil­ten Him­mel« hat Christa Wolf 1963 den herr­li­chen Aus­blick über die Stadt beschrieben.

Nicht zuletzt die Semi­nare Edith Bräe­mers, einer Jüdin und Kom­mu­nis­tin, die ein mar­xis­ti­schen Her­an­ge­hen an die Lite­ra­tur, vor allem im Umgang mit Tex­ten des Sturm und Drang lehrte, waren für die Wolfs prä­gend. Spä­ter hat Christa Wolf die Krän­kun­gen nicht ver­schwie­gen, die sie durch ihre frü­here Dozen­tin bei den Debat­ten um »Nach­den­ken über Christa T.« (1969) erfuhr. Noch in ihrem letz­ten Roman »Die Stadt der Engel« (2010) kommt sie auf die­sen Schmerz zu sprechen.

In dem Text »Herr Wolf erwar­tet Gäste und berei­tet für sie ein Essen vor«, schreibt die Wolf : »Kass­ler bei der Witwe Specht, die zum Glück fast taub war, im Ricarda-Huch-Weg in Jena sonn­abends auf dem Herd geschmort, dazu Erb­sen und Möh­ren. Die hab ich teil­weise auf dem Markt geklaut – ein Bün­del Möh­ren bezahlt, eins geklaut. Ebenso wie die Bücher. Geld hat­ten wir ja keins.«

Um die Eltern zu beru­hi­gen, haben sich die Bei­den 1950 ver­lobt. Christa Ihlen­feld erwar­tete ihre erste Toch­ter und so folgte ein Jahr spä­ter in Bad Fran­ken­hau­sen die Hoch­zeit. Die Wolfs stan­den am Ende ihrer Jenaer Zeit vor neuen Fra­gen: Wovon soll­ten sie leben, wo konnte die Fami­lie woh­nen, unter wel­chen Bedin­gun­gen war die Fort­set­zung des Stu­di­ums mög­lich? Beide gin­gen bereits am Beginn ihres gemein­sa­men Weges von der unbe­ding­ten Tei­lung der Las­ten und Pflich­ten aus. Ger­hard besaß zudem sein Leben lang die Fähig­keit, Eige­nes zurück­stel­len zu kön­nen. Sein Stu­dium unter­brach er, zuguns­ten einer ordent­lich dotier­ten Stelle beim Rund­funk in Leip­zig. Die dor­tige Uni­ver­si­tät hatte  ­– auch durch die Pro­fes­so­ren Ernst Bloch und Hans Mayer – einen aus­ge­zeich­ne­ten Ruf. Sie erwies sich als geeig­ne­ter Stu­di­en­ort für Christa Wolf. Mit einer von Mayer betreu­ten Diplom­ar­beit über Fal­lada konnte die junge Mut­ter 1953 ter­min­ge­mäß ihr Stu­dium abschließen.

Ger­hard Wolf, der spä­ter in Ber­lin seine Diplom­ar­beit über Fürn­berg ver­tei­digte und Mono­gra­phien über Bob­row­ski, den Maler Ebert und Höl­der­lin fol­gen ließ, war und ist ein erst­klas­si­scher Her­aus­ge­ber, Essay­ist und Lek­tor. Er konnte damit umge­hen und trug ent­schie­den dazu bei, dass seine Frau in den acht­zi­ger Jah­ren zu einer Erzäh­le­rin von euro­päi­schem For­mat wurde. Man­ches Pro­jekt wie den nicht­ge­dreh­ten »Eulen­spie­gel«- Film sowie das Buch »Gesprächs­raum Roman­tik« stemm­ten die Wolfs gemeinsam.

Die  Lust am Kochen hat sich Ger­hard Wolf sein Leben lang erhal­ten. Als seine Frau unheil­bar erkrankt war, brachte er ihr bis zum letz­ten Tag, am 1. Dezem­ber 2011, eine Suppe ins Krankenhaus.

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