Porträts
7 : Annerose Kirchner – »Andrea Schneider. Bibliothekarin aus Zella-Mehlis«

Person

Annerose Kirchner

Ort

Zella-Mehlis

Thema

Porträts und Podcasts

Autor

Annerose Kirchner

Thüringer Literaturrat e.V.

I.

Corona im Jahr 2020 ver­än­dert alles – den All­tag der Men­schen, die zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen, ihre Arbeit, ihre Inter­es­sen und Akti­vi­tä­ten auf vie­len Gebie­ten. Zeit­weise stand das Leben spür­bar still und längst ist noch nicht klar, wel­che Fol­gen für die Zukunft welt­weit ent­stan­den sind. Ein win­zi­ges Virus löste den Lock­down aus. Seit Mona­ten lau­ten die Regeln: Abstand hal­ten, Hygie­ne­re­geln ein­hal­ten, All­tags­mas­ken tra­gen. Kurz AHA. Nun steigt seit Anfang Okto­ber der Wachs­tums­pfad, wie Exper­ten sagen. Es ent­ste­hen neue Hot­spots. Die Ein­schrän­kun­gen betref­fen nicht nur das gesell­schaft­li­che und wirt­schaft­li­che Leben, son­dern auch die Kul­tur, die Kunst. Und dazu gehö­ren Bücher. Die gehen in Quarantäne.

»Für 24 Stun­den«, sagt Andrea Schnei­der, »erst danach wer­den sie wie­der in die Regale gestellt für unsere Leser. DVDs und Spiele rei­ni­gen wir extra.« So eine Situa­tion hat Andrea Schnei­der, seit 2015 Lei­te­rin der Stadt- und Kreis­bi­blio­thek in Zella-Meh­lis, im Land­kreis Schmal­kal­den-Mei­nin­gen, noch nie erlebt. »Am 16. März war hier der Schnitt. Das Rat­haus geschlos­sen. Kein öffent­li­cher Zugang mehr.« Home­of­fice kam für sie nicht in Frage. Leser frag­ten tele­fo­nisch oder per Mail, wann sie denn ihre aus­ge­lie­he­nen Bücher zurück­brin­gen kön­nen. »Wir haben alles ver­län­gert und die Leser beru­higt. Man­che Leute waren unglück­lich, dass wir geschlos­sen hat­ten. Neue Lek­türe haben wir auf Wunsch in Beu­tel gepackt und zu Fuß im Ort ver­teilt. Es war ja auch im Früh­jahr wun­der­schö­nes Wet­ter. Spä­ter haben wir auch Bücher abge­holt und beim Brin­gen haben wir sie kon­takt­los vor die Türen gestellt oder aus dem Fens­ter unse­res Arbeits­bü­ros her­aus gereicht. Das wurde sehr gut ange­nom­men. Ich denke, für unsere jun­gen Leser, die Kin­der, ist die Situa­tion sehr schwie­rig. Das trifft nicht nur uns, son­dern auch die Päd­ago­gen, die mit uns zusam­men­ar­bei­ten, die Eltern, die Autoren, Musi­ker und viele andere. Wie soll das jetzt gehen bei 28 Kin­dern, für jeden ein Sitz­kis­sen und 1,5 Meter Abstand? Dafür haben wir gar keine Kapa­zi­tät. Wir rich­ten uns nach der aktu­el­len Thü­rin­ger Ver­ord­nung über die grund­le­gen­den Infek­ti­ons­schutz­re­geln zur Ein­däm­mung die­ses Virus. Wenn wie­der kleine Ver­an­stal­tun­gen erlaubt sind, dann wer­den wir aktiv.«

Die Biblio­thek ist nun seit Mai wie­der geöff­net, zuerst mit ver­kürz­ten Zei­ten, jetzt wie­der bis 18.00 Uhr. »Dafür haben wir viel Lob von den Lesern bekom­men«, freut sich Andrea Schnei­der. »Ach, wie schön, dass es Locke­run­gen gibt, haben sie gesagt. Und es sind jetzt auch wie­der kleine Ver­an­stal­tun­gen für die Kin­der mög­lich, mit fes­ten Stamm­grup­pen, Kitas und Schu­len. Wir kom­men bis jetzt mit Corona eigent­lich ganz gut klar und hof­fen das auch für die Zukunft.«

 

II.

Rat­haus und öffent­li­che Biblio­thek. Bei­des bil­det in Zella-Meh­lis eine Sym­biose, und doch ist jeder Bereich getrennt und selbst­stän­dig. »1995, vor 25 Jah­ren, sind wir in das Rat­haus, das gerade saniert wor­den war, ein­ge­zo­gen. Ein Glücks­tref­fer. Das haben wir unse­rem Bür­ger­meis­ter und den Stadt­rä­ten zu ver­dan­ken. Unser letz­ter Stand­ort war in einer Villa, also einem pri­va­ten Haus, hier in der Nähe, im Koh­len­ma­ga­zin. Dort ging es sehr beengt zu«, berich­tet Andrea Schneider.

Der Ursprung der Biblio­thek in der Klein­stadt zwi­schen Suhl und Ober­hof süd­lich des Renn­stei­ges führt in die ers­ten Jahre des 20. Jahr­hun­derts zurück. In die­sem Sinne ist die Biblio­thek noch sehr jung und so alt wie die Stadt. Als sich Zella und Meh­lis 1919 zur Stadt ver­ei­nig­ten, beschlos­sen die Bür­ger den Bau eines gemein­sa­men Rat­hau­ses. Als Stand­ort wurde die Mitte bei­der Orts­teile gewählt, so dass sich kein Stadt­teil benach­tei­ligt füh­len musste. Gleich­zei­tig ent­stand in pri­va­ter Initia­tive die erste öffent­li­che Biblio­thek. Jahr­zehnte spä­ter, 1948, erhielt sie die Bezeich­nung Stadt­bi­blio­thek. 1966 wurde dar­aus die Stadt- und Kreis­bi­blio­thek (abge­kürzt SKB), die nun auch die Gemein­de­bi­blio­the­ken im Umkreis betreute. Heute sind es von 34 Gemein­de­bi­blio­the­ken nur noch vier – in den Orten Schwarza, Bens­hau­sen, Vier­nau und Dillstädt.

Das »Reich« von Andrea Schnei­der und ihren drei Mit­strei­te­rin­nen, dar­un­ter ein Azubi, ist über­schau­bar und den­noch beson­ders. Wenn der Bür­ger­meis­ter mor­gens das Gebäude betrifft, geht er, genau so wie seine Mit­ar­bei­ter an der glä­ser­nen Ein­gangs­tür der Biblio­thek vor­bei, denn diese befin­det sich im Foyer. »Richard Ros­sel unter­stützt die Biblio­thek in allen Berei­chen, da er sich selbst für Lite­ra­tur und Kunst inter­es­siert«, sagt Andrea Schnei­der. »Und wir sind mit­ten­drin in die­ser Schalt­zen­trale für die Stadt.« Gleich­zei­tig schwärmt die Biblio­the­ka­rin von den Räum­lich­kei­ten ihrer Ein­rich­tung. »Wir sit­zen nicht nur im Erd­ge­schoss, bei uns geht es noch eine Etage tie­fer. Dort ›unten‹ befand sich der ehe­ma­lige ›Rats­kel­ler‹, eine Gast­stätte, die zu unse­rer Stadt gehörte und heute noch man­che Erin­ne­rung weckt«, meint Andrea Schnei­der. In den 1990er Jah­ren gab es in der Gas­tro­no­mie meh­rere Wech­sel bis zur end­gül­ti­gen Schlie­ßung. Die Räume wur­den lange nicht genutzt. »Bis 2009, denn da beka­men wir sie noch dazu und konn­ten unsere Biblio­thek wesent­lich ver­grö­ßern. Das High­light sind unsere schö­nen Blei­glas­fens­ter, die zur Gast­stätte gehör­ten. Sie ste­hen unter Denk­mals­schutz und sol­len auch für die Zukunft erhal­ten blei­ben.« Nicht nur erwach­sene Leser, son­dern auch ganze Schul­klas­sen ste­hen stau­nend vor den Fens­tern, die Geschich­ten vom alten Hand­werk der Stadt erzäh­len. Der Grund­riss der Gast­stätte ist immer noch erkenn­bar, obwohl durch Umbau Per­so­nal­räume, ein gro­ßer Ver­an­stal­tungs­raum und das kleine Les­e­café »biboxx« ent­stan­den. Eine Oase der Ruhe. Hier kann man sit­zen, einen Kaf­fee trin­ken, plau­dern, lesen. Und wie »oben« in der Kin­der­bi­blio­thek ein Spar­kas­sen­tre­sor zur »kiboxx« wurde? Diese Frage beant­wor­tet Andrea Schnei­der gern, hier im Text soll des Rät­sels Lösung ein­mal offen bleiben…

 

III.

Spä­tes­tens jetzt darf gefragt, wie Andrea Schnei­der zu ihrem Beruf kam, den sie so liebt. »Über das Lesen«, ant­wor­tet sie. »Damit habe ich in der Schule begon­nen, mit der 1. Klasse. Ich wurde 1965 ein­ge­schult. Eines mei­ner Lieb­lings­bü­cher war ein Bil­der­buch, ›Pünkt­chen Panni‹. Das besitzt heute meine Enke­lin. Ab der 2. Klasse ging ich in die Kin­der­bi­blio­thek, das war meine Schatz­kam­mer. Dort lernte ich Frau Sig­rid Raabe, die Lei­te­rin, ken­nen und ver­ehrte sie bald. Eine sehr attrak­tive Frau und in der Stadt geach­tete Per­sön­lich­keit. Die Kin­der haben sie geliebt.« Andrea Schnei­der erzählt, dass die Biblio­thek ihr liebs­ter Ort wurde. »Lesen war mein Hobby Num­mer 1. Und ich hatte immer sehr gute Noten in Deutsch und Lesen. Wäh­rend meine Schwes­ter drau­ßen her­um­tobte, blieb ich im Ses­sel sit­zen und las ein Buch.« Eigent­lich wollte Andrea Schnei­der Unter­stu­fen­leh­re­rin wer­den. »Da wur­den mir aber einige Steine in den Weg gelegt«, erzählt sie. »Meine Fami­lie war reli­giös gebun­den, und ich wurde kon­fir­miert. Das war nicht gerne gese­hen.« Und da kam ein glück­li­cher Zufall ins Spiel. Die SKB bil­dete Lehr­linge aus. »Ich habe mich dort vor­ge­stellt und hatte gar keine rich­tige Ahnung, was mich erwar­tet. Für mich zähl­ten nur die tol­len Bücher.«

Der wei­tere Weg war nun abge­steckt; Aus­bil­dung (1975–1977) zum Biblio­theks­fach­ar­bei­ter, Theo­rie in der Berufs­fach­schule für Biblio­theks­we­sen in Son­ders­hau­sen. Par­al­lel dazu von 1975 bis 1983 Tätig­keit in der Erwach­se­nen­bi­blio­thek, unter Lei­tung von Andrea Pfütsch. In diese Zeit fiel das Fern­stu­dium zum Biblio­the­kar in Erfurt. »Ich habe 1983 meine Abschluss­ar­beit abge­ge­ben und sofort mein ers­tes Kind bekom­men. Das war alles gut geplant. Und ich muss sagen, meine Eltern haben mich immer unter­stützt, beson­ders bei der Berufs­wahl. Meine Mut­ter las sehr viel.« 1984 wurde es dann rich­tig ernst mit dem Beruf, als Unter­stüt­zung von Frau Raabe, die zeit­nah in Rente ging. Andrea Schnei­der lei­tete nun die Kin­der­bi­blio­thek bis zur Wende. 1992 kam die zweite Toch­ter zur Welt, drei Jahre Erzie­hungs­ur­laub und dann begann es 1995 noch ein­mal ganz neu. Gemein­sam mit Andrea Pfütsch voll­zog sich inner­halb weni­ger Wochen der Umzug ins Rat­haus. Beide Biblio­the­ken, die für Kin­der und die für Erwach­sene, fan­den nun ihre feste Hei­mat, nach­dem sie ab 1990 unter schwie­ri­gen Bedin­gun­gen zusam­men­ge­legt wor­den waren.

 

IV.

Was zeich­net eine gute Biblio­the­ka­rin aus? »Die Ant­wort auf diese Frage fällt mir nicht leicht«, erklärt Andrea Schnei­der. »Das Berufs­bild hat sich in den letz­ten Jah­ren sehr gewan­delt. Die eigent­li­che Aus­leihe mit Bera­tung macht nur noch einen Bruch­teil der Arbeit aus. Meine Auf­ga­ben waren immer Öffent­lich­keits­ar­beit, Ver­an­stal­tungs­tä­tig­keit und die Kin­der­bi­blio­thek. Wir müs­sen immer aktu­ell sein, orga­ni­sie­ren kön­nen, die neu­este Tech­nik ken­nen, die neu­es­ten Trends. Der Anspruch ist über die Jahre gewach­sen. Vor allem mit dem Ein­zug der neuen Medien. Das Buch wird immer Bestand haben«, meint sie. »Vor Jah­ren war die DVD ein Hype oder Blu-ray, das ist schon gar nicht mehr gefragt, jetzt geht es um Strea­ming-Dienste.« Am wich­tigs­ten sei, meint Andrea Schnei­der, der Auf­ent­halts- und Wohl­fühl­cha­rak­ter einer Biblio­thek für alle Genera­tio­nen und sagt: »Jeder Besu­cher soll sich bei uns umfas­send und kom­pe­tent betreut füh­len und zufrie­den die Biblio­thek ver­las­sen. Wich­tig ist natür­lich, dass wir als Team gut zusam­men­ar­bei­ten. Ohne Team geht gar nichts. Wenn das stimmt, funk­tio­niert alles.«

Andrea Schnei­der bedau­ert, dass sie viel Zeit im Büro ver­brin­gen muss. Öffent­lich­keits­ar­beit, Ver­an­stal­tungs­tä­tig­keit, Tele­fo­nate, Orga­ni­sie­ren, Impro­vi­sie­ren. Neu­erschei­nun­gen der Ver­lage aus­wäh­len und bestel­len, vor­ran­gig im ört­li­chen Buch­han­del; Lesun­gen vor­be­rei­ten, Kon­takte zu Autoren pfle­gen. »Fern­leihe ist bei uns natür­lich auch mög­lich, wird aber in sehr gerin­gem Umfang genutzt. Unsere Schü­ler fra­gen nach, wenn sie Semi­nar­fach­ar­bei­ten schrei­ben zu einem bestimm­ten Thema. Da hel­fen wir mit Fern­leihe.« Im Mit­tel­punkt steht das seit Jah­ren mit gro­ßem Erfolg für so eine kleine Biblio­thek mit kon­ti­nu­ier­li­chem Enga­ge­ment umge­setzte »Aben­teuer-Biblio­thek« für Kin­der und Jugend­li­che, auch für die ganz Klei­nen. Dazu gehört neben den unzäh­li­gen Ver­an­stal­tun­gen auch der 2006 gegrün­dete Kin­der­bi­blio­theks-Club »Bibo­lino« und die Ver­an­stal­tungs­rei­hen wie »Aben­teuer Vor­le­sen«, »Buch und Musik« (Bu…u…Mu) für die Aller­jüngs­ten und der »Lese­fuchs« für die Kitas. In der Summe ergibt sich ein viel­fäl­ti­ges Kon­zept, das auch die Jury des »Thü­rin­ger Biblio­theks­prei­ses« über­zeugte. Dafür ver­lieh sie den Zella-Mehli­sern 2011 den Thü­rin­ger Biblio­theks­preis. Auf die­sen Preis sind die Zella-Mehli­ser immer noch stolz.

»Wir ver­ste­hen uns in jeder Hin­sicht als Ort des Lesens und der Bil­dung aller Alters­grup­pen der Stadt und der umlie­gen­den Orte, die zu unse­rem Ein­zugs­ge­biet gehö­ren«, meint die Lei­te­rin. »Ein­mal in der Woche bin ich für zwei, drei Stun­den in der Aus­leihe, um in Kon­takt mit den Lesern, auch mit den Senio­ren zu blei­ben. »Man­che sagen, ›ach, ich habe Sie ja lange nicht gese­hen‹. Dann muss ich ant­wor­ten: ›Ich sitze meis­tens am Schreib­tisch‹. Es gehört auch noch die Lek­to­rats­ar­beit zu mei­nem Arbeits­feld und die Bestel­lung der Bücher – wir bestel­len, wie ich schon sagte, vor­ran­gig im ört­li­chen Buch­han­del und unter­stüt­zen damit unsere ›Bücher­stube‹ seit vie­len Jahren.«

Andrea Schnei­der ist nun seit fünf Jah­ren Lei­te­rin der SKB. 1995 ging Andrea Pfütsch in Rente. Wer sollte die Sta­fette über­neh­men? Die Ant­wort lag auf der Hand. »Ich war natür­lich, obwohl ich schon lange im Beruf tätig bin, nicht so begeis­tert. Die Ver­ant­wor­tung erschien mir sehr groß. Aber nach lan­ger Über­le­gung und auch Gesprä­chen mit mei­ner Fami­lie habe ich zuge­stimmt.« Es war die rich­tige Ent­schei­dung, denn Andrea Schnei­der kennt ihre Leser, und sie kennt die Stadt, weiß, wie die Bewoh­ner ticken. Zella-Meh­lis ist über­schau­bar, Klein­stadt am Süd­hang des Thü­rin­ger Wal­des, rund 12.000 Ein­woh­nern. Vor der Wende waren es 17.000. In sol­chen Städ­ten ist die Biblio­thek der wich­tigste kul­tu­relle Mittelpunkt.

»Zella-Meh­lis ist eine Stadt mit vie­len älte­ren Men­schen«, gibt die Biblio­the­ka­rin unum­wun­den zu. »Das weiß jeder. Wir haben sehr viele Rent­ner als Leser. Zum Teil hoch­be­tagt. Die hal­ten uns die Treue. Die Mit­tel­schicht nutzt die Biblio­thek wenig. Wer berufs­tä­tig ist, nutzt unsere On-Leihe. Da sind die Nut­zer­zah­len in den letz­ten Jah­ren kon­ti­nu­ier­lich gestie­gen. Wir sind nach Erfurt und Jena die dritt­größte Biblio­thek mit den größ­ten Ent­lei­hun­gen in der Thü­rin­ger Online­bi­blio­thek ThueBIBnet.de, schon über Jahre. Viel Unter­hal­tung ist ange­sagt, vor­ran­gig Lite­ra­tur für Fami­lien und Kin­der. Wir sind, ganz klar, eine Fami­li­en­bi­blio­thek, ein Ort für alle Generationen.«

Auf einem Zet­tel notiert Andrea Schnei­der die Zahl der akti­ven Benut­zer. Aktu­ell sind es: 1.769, Besu­cher: 28.469, über 100 Ver­an­stal­tun­gen im Jahr 2019. »Wir sind mit die­sen Zah­len die am meis­ten fre­quen­tierte städ­ti­sche Kul­tur­ein­rich­tung«, fügt sie hinzu. Zah­len sind für sie nicht so wich­tig. Wich­ti­ger sind die sicht­ba­ren Ergeb­nisse ihrer Arbeit. Dazu gehört auch das Erfolgs­jahr 2019 – 100 Jahre Zella-Meh­lis, »Das war ein gro­ßes Ereig­nis für uns alle. Es wurde ein Schreib­wett­be­werb unter der Bevöl­ke­rung orga­ni­siert. Motto: ›Zella-Meh­lis schreibt‹ mit über 100 Ein­sen­dun­gen in ganz ver­schie­de­nen Kate­go­rien. Ein­ma­lig für unsere Stadt. Da wurde eine ›leben­dige Chro­nik« erstellt, als Buch gebun­den, mit Bil­dern. Es gab drei Preis­trä­ger in jeder Kate­go­rie: Lyrik, Prosa und Mund­art. Sehr bewe­gend war die Abschluss­ver­an­stal­tung im gro­ßen Sit­zungs­saal des Rat­hau­ses mit dem Bürgermeister.«

 

V.

Was denkt Andrea Schnei­der über ihre eigene Zukunft? Wel­che Pläne hat sie? »Ja, da über­lege ich schon lange. Ich bin jetzt 61 Jahre alt. Mein Ziel ist, in zwei Jah­ren mit der Arbeit auf­zu­hö­ren, da bin ich 63, und dann ziehe ich zu mei­nen Kin­dern, die am Boden­see leben. Das war schon immer mein Traum.« Kaum vor­stell­bar, dass Andrea Schnei­der diese Ent­schei­dung tref­fen wird. »Der Abschied wird wahn­sin­nig schwer wer­den. Ich bin ja über 40 Jahre in der Biblio­thek. Daniela Bickel, einer mei­ner Mit­ar­bei­te­rin­nen, stu­diert gerade. Sie wird eine gute Nach­fol­ge­rin sein. Sie möchte auch in Zella-Meh­lis blei­ben. Das ist sehr schön. Viel­leicht kann ich am Boden­see noch etwas arbei­ten oder ehren­amt­lich tätig werden.«

Noch besitzt Andrea Schnei­der ihren Leser­aus­weis. »Bücher kaufe ich mir kaum. Ich habe ein paar Her­zens­bü­cher, die möchte ich behal­ten. Lang­sam trenne ich mich von Büchern, ich habe zu viel davon und muss mich ver­klei­nern, wenn ich weg­ziehe.« Das Leben wird wei­ter­ge­hen, ist die Biblio­the­ka­rin über­zeugt. »Wir haben so viel Gutes erreicht, zum Bei­spiel auch den mobi­len Bücher­dienst, den es schon vor Corona gab. Und auch unsere ›Bücher­theke‹ am Nach­mit­tag, mit Ver­an­stal­tun­gen für die Senio­ren, wird blei­ben.« Das schönste Fazit ihrer gegen­wär­ti­gen Tätig­keit sieht Andrea Schnei­der in der Auf­merk­sam­keit der Leser. »Da haben wir gemerkt, wie viel wir ihnen bedeu­ten. Das gibt uns Auf­trieb für die Zukunft.«

Sollte Andrea Schnei­der wirk­lich in eini­ger Zeit Abschied von den Thü­rin­ger Ber­gen neh­men, hat sie immer noch die Option, zu Besuch zu kom­men und in »ihrer« Biblio­thek Sta­tion zu machen.

 Porträts:

  1. Michael Knoche – »Große Kleinigkeiten. Der Dichter Wolfgang Haak«
  2. Daniela Danz – »Aus Gegensätzen Funken schlagen. Der Verleger, Ausstellungsmacher und Historiker Jens Henkel«
  3. Wulf Kirsten – »Hölderlin auf dem thüringischen Olymp«
  4. M. Kruppe & Tristan Rosenkranz – »Die ›Edition Outbird‹ und der Verleger Tristan Rosenkranz«
  5. Anke Engelmann – »Ich bin eine echte Arnstädter Frau«
  6. Mario Osterland im Gespräch mit Peter Hermann Braun
  7. Annerose Kirchner – »Andrea Schneider. Bibliothekarin aus Zella-Mehlis«
  8. »Wir hatten eine geile Zeit« - Podcast von Tristan Rosenkranz und Marko Kruppe über das Wirken Corina Gutmanns
  9. Stefan Petermann – »15 Jahre hEFt. Ein Gespräch mit Alexander Platz und Thomas Putz«
  10. Doris Weilandt – »Die Provinz greift nach den Sternen«
  11. Anke Engelmann – »›Lesen‹ ist ein Tätigkeitswort – Der Kritiker Hans-Dieter Schütt«
  12. Die Jenaer Bücherstube – ein guter Ort
  13. Nancy Hünger – »Auf dem Weg zu einem Du - Über Martin Straub«
  14. »Himmel und Hölle, aber vorwiegend Hölle« – Ein Tableau weiblichen Schreibens vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart
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