Lesungen
3 : Ralf Eggers – »Geständnis«

Person

Ralf Eggers

Thema

Porträts und Podcasts

Autor

Ralf Eggers

Thüringer Literaturrat e.V.

 

Las­sen Sie mich aus­re­den. Eine Ein­la­dung, ent­fernte Ver­wandte mei­ner Frau. Nein, ich wusste nicht, wo. Natür­lich reden wir mit­ein­an­der. Hätte sie den Ort genannt, säße ich jetzt nicht hier. Nein, ich brau­che kei­nen Anwalt.

Schrei­ben Sie alles mit ? Gut. Auf der Fahrt tat mein Sohn alles, um mich zur Weiß­glut zu brin­gen. Der ver­kannte Sohn. Der sich ver­kannt füh­lende Sohn. Ich erkenne ihn wie­der. Ihn in mir, mich in ihm. Ich weiß, dass das häu­fig ist. Meine Toch­ter ist anders. Aller­dings schminkt sie sich neu­er­dings. Mit zehn.

Ich war blind vor Hitze. Die Kin­der abwe­send unter Kopf­hö­rern, aus­drucks­lose Gesich­ter wackeln in ver­schie­de­nen Tak­ten. Natür­lich regt mich das auf, man könnte ja auch reden. Ich weiß, dass das jetzt blöd klingt, aber ich bin ein guter Vater. Das ist nicht die Frage, ob die Kin­der das fin­den – ich meine, ob sie es jetzt fin­den. Ich ver­su­che, an spä­ter zu den­ken. Sie hal­ten es für unmög­lich, dass sie mal wer­den wie wir, über­ge­wich­tig, brutto/netto im Kopf. Fest­ge­fah­ren. Man muss ver­su­chen, sie vor dem Fest­fah­ren zu bewah­ren. Oder, falls es doch pas­siert, sie dar­auf vor­be­rei­ten. Das ver­su­che ich. Keine Kopie der Erwar­tun­gen mei­ner Kin­der. Keine Turn­schuhe, keine Sport­müt­zen. Keine Angli­zis­men am Abend­brot­tisch. Jeden­falls, plötz­lich .… Oder nicht plötz­lich, son­dern all­mäh­lich wird mir klar … Ich weiß nicht genau, wann ich es gemerkt habe. Ver­mut­lich das Orts­schild, ja. Ich beob­achte im Rück­spie­gel die Kin­der und dann … Ja, meine Frau fuhr. Ist das von Bedeu­tung ? Gut. Sie fährt, ich döse vor mich hin, und dann erreicht mich ein Signal, etwas, das in mei­nen Standby – Modus ein­bricht. Wir sind in P.

Hier ist Euer Vater auf­ge­wach­sen, sagt Maria zu den Kin­dern. »Auf­ge­wach­sen«, spöt­tisch, als ob sie eine Bron­ze­ta­fel an einem alten Haus vor­liest – »Hier lebte der und der, Dich­ter oder was, den Som­mer Sieb­zehn­hun­dertund.« – Ich komme gerade zur Sache. Ich wache also auf und kapiere. Alle Stra­ßen füh­ren berg­auf, ganz oben das Schloss. In einem Schloss, ja. Dazu waren Schlös­ser gut, in mei­ner Kind­heit. Habe ich erwähnt, wie heiß es war? Auf jeden Fall zu heiß zum Den­ken. Ich merke, dass ich unter mei­nem Niveau rede, natür­lich ist es nie­mals zu heiß zum Den­ken. Ich wollte sagen, dass ich nicht gedacht habe. Nur etwas emp­fun­den. Die Kin­der zank­ten wie­der, ich sage etwas, und sie schwei­gen sofort. Das bleibt in Erin­ne­rung: Du sagst einen Satz, nicht laut, weiß Gott keine Dro­hung – und Schwei­gen auf der Rück­bank. Meine Frau hat mich ganz erstaunt ange­se­hen. Ich mich sel­ber sozu­sa­gen auch. Viel­leicht war es der Ort, der mir Auto­ri­tät verlieh.

Ich frage sie, Maria: Wusste gar nicht, dass wir nach P. fahren ?

Und sie: Rese, gib Robert sein Dingsda wie­der, irgend­was in der Art. Sie nimmt immer Roberts Par­tei, wahr­schein­lich, weil er der Schwä­chere ist, unge­schickt. Schwe­rer zu lie­ben. Rese und ihre Mut­ter sind beide hoch­mü­tig. Ich rede eben Klar­text. Es muss ja schließ­lich zu irgend­was gut sein, dass man … Ok., sie wir­ken beide hochmütig.

P. also, sagt Robert, aus­ge­rech­net er, der nicht mal die Geburts­tage sei­ner Eltern kennt. Sym­pto­ma­tisch, dass er Orts­schil­der liest. Symp – to – matisch. Ohne h.

P. also, sagt er.

Ja, P., sage ich.

P., frage ich meine Frau.

Hab ich Dir doch gesagt, sagt sie, und das stimmt defi­ni­tiv nicht. Und ich hasse es, wenn sie mir was ein­re­den will, von dem sie weiß, dass es nicht stimmt. Von dem sie weiß, dass ich weiß, dass es nicht stimmt. Weil wir beide dabei gewe­sen sind. Bezie­hungs­weise in die­sem Falle nicht dabei gewe­sen, weil sie es ja nicht gesagt hat. Strei­chen sie’s.

Das P., fragt Rese, wo … das Heim war ? Sie sagt das Heim, wie auf­ge­wach­sen. Hoch­mü­tig. Robert sagte gar nichts. Man denkt immer, die eige­nen Kin­der soll­ten sich für das inter­es­sie­ren, was man sel­ber erlebt hat. Aber wenn sie es tun, ist man ent­täuscht. Komisch, der Mensch. Das müs­sen Sie nicht auf­schrei­ben. Wie sie wol­len. Diese ganze Jugend­werk­hof­ge­schichte ist was zwi­schen mir und Maria. Sie war stolz dar­auf, was ich trotz­dem aus mir gemacht habe.

Ich jeden­falls, Wut run­ter schlu­cken, aus dem Fens­ter sehen. Die Fuß­gän­ger kehr­ten mir den Rücken zu, als ob sie vor mir weg­lie­fen. Dann fällt mir ein, dass Maria meine Frage noch nicht beant­wor­tet hat, ich wie­der­hole sie. Und sie sagt: Ja, P.

Aller­dings, wir waren in P. Ich würde es beim Auf­wa­chen aus der Nar­kose erken­nen, an einem Stück Him­mel im Fens­ter. Die Atmo­sphäre. Atmo­sphäre, phhhh ! Ich finde kein Wort dafür. Nichts kon­kre­tes, nur das … Ver­zei­hung, Atmo­sphäre schreibt sich mit h. Ein Mosaik, ver­ste­hen Sie? Aus unkennt­li­chen Ein­zel­hei­ten setzt sich etwas zusam­men, das wir plötz­lich erken­nen. Und erschre­cken. Ich bin erschrocken.

Darf ich rau­chen ? Ja, ver­steh ich. Jeden­falls: Ich habe nicht ver­ges­sen, dass es hier war, sagt sie plötz­lich. Ernst, gefähr­lich, leise. Es, hier. Als soll­ten es die Kin­der nicht hören, aber so, dass sie es hören.

Fahr lang­sam, sage ich, sie bremst so scharf, dass sie hin­ter uns hupen. So beginnt es wahr­scheinlich immer, oder ? Das müs­sen Sie doch wis­sen ! Die Ursa­che nicht, aber der Anlass. Wie bei Krie­gen: Ursa­che und Anlass. Kann man theo­re­tisch tren­nen, aber nur theoretisch.

Sie sagt: Euer Vater hat einige Jahre sei­nes Lebens hier ver­bracht. Hat­ten wir das schon? Spöt­tisch: »einige Jahre sei­nes Lebens«. Als zitierte sie aus einer Bio­gra­phie. Als ob einige Jahre mei­nes Lebens nicht der Rede wert sind. Der Große knirscht mit den Zäh­nen. Er hört sich ja nicht unter den Kopfhörern.

Der Ort hat mich in eine – wie soll ich sagen ? – ele­gi­sche Stim­mung ver­setzt. E – le – gisch. Getra­gen. Beim Aus­stei­gen fühle ich mich, als wüsste ich mehr als die andern. Zurück an einem sehr frü­hen, neur­al­gi­schen Punkt mei­nes Lebens. An den Tag, an dem ich ent­las­sen wurde, aus dem Schloss mit dem Blick über P. Ins Leben. Leben! Ich hab’s gar nicht mit­be­kom­men, die­ses Leben.

Robert ver­schwand wie­der unter sei­nen Kopf­hö­rern, und das ärgerte mich. Ich meine, der eigene Vater ! Ich frage Sie: Ist das von Bedeu­tung, dass der eigene Vater … ? Das denk ich aber auch. Weiß Ihr Sohn, dass sie Ver­bre­cher fan­gen ? Ver­bre­cher wie mich ? Sehen Sie. – Die Luft war schwe­fel­hal­tig, prak­tisch ver­gif­tet. Fami­li­en­fest im Gar­ten; der lag an der Rück­seite einer Häu­ser­zeile. Eine Neben­straße, die nur als Zufahrt dient – sie ken­nen den Ort ja. Den Tat­ort. Es war selt­sam, die Häu­ser von hin­ten zu sehen. Als ob man jeman­den unan­ge­mel­det besucht und der erst halb ange­zo­gen ist. Das kön­nen Sie jetzt wirk­lich weg­lassen. Jeden­falls – schreck­li­che Men­schen dort. Las­sen Sie mich aus­re­den. Nein, ich kannte nie­man­den. Ein Mann in einem kana­ri­en­gel­ben ärmel­lo­sen Dress, selbst bei der Hitze unver­zeih­lich. Stol­ziert mit leicht abste­hen­den Armen, wie ein Mes­ser­wer­fer, ver­ste­hen Sie ? Gibt mir die Hand, gön­ner­haft. Das ist nicht wich­tig, aber las­sen Sie mich aus­re­den. Dann Frauen in Ober­tei­len – ein ande­res Wort gibt es dafür nicht, O–ber-teile, wie Auto­ver­klei­dung, aus far­bi­gem Kunst­stoff, glänzt wie lackiert. Nach­mit­tags gab es die zu die­sen Men­schen pas­sen­den fet­ti­gen, viel zu süßen Tor­ten. Ich saß abseits im Schat­ten. Ja, ich war wütend. Warum ? Kom­pli­ziert. Das muss Ihnen doch auf­fal­len, dass »kom­pli­ziert« ver­wandt sein muss mit »Kom­plize« ? Gut. Ich sehe also von unten das Schloss oben auf dem Berg. Ich sitze inmit­ten unmensch­lich vie­ler Insek­ten, wie unter Beschuss. Das Bild fällt mir ein, weil dann die­ser – Gast in sei­nem Tarn­an­zug kam, Hose mit Taschen und Rie­men, Shirt, Weste und Mütze in Tarn­far­ben, psy­che­de­li­sche Farb­kleckse in Herbst­tö­nen. Gür­tel, Leder­ta­sche, Mes­ser. Ja, der Geschä­digte. Er trug einen Schnur­bart, schmal wie ein Regen­wurm. Ich finde, dass sol­che Män­ner – ver­schwitzt, Hun­de­blick und diese Bärt­chen – per­vers aus­se­hen. Es stellte sich dann her­aus, dass er kein Gast im eigent­li­chen Sinne war, nur ein Nach­bar, der Typ, der mit Bier­fla­sche am Zaun steht und solange rüber­grunzt, bis man ihn ein­la­den muss. Auf-die-Schul­ter-Hauer. Zwin­gen Sie mich nicht zu beschrei­ben, wie diese Men­schen reden.

Was ich sagen wollte: Ich sitze also dort im Schat­ten und sehe es. Den Ort, wo ich auf­ge­wach­sen bin.

Dann kamen die Söhne. Törichte Men­schen, und haben sol­che Söhne, jugend­schön und böse wie Erz­engel. Böse ? Nein. Krie­ge­risch. Nicht sol­che Schüt­zen­ver­eins­meier wie der Spin­ner im Tarn­an­zug. Ver­ste­hen Sie ? Sie sind unab­hän­gig von – allem. Gesetz­los. Ja, ich weiß. Das macht nichts. Strei­chen sie’s. Mich hat das fas­zi­niert. Sie mer­ken schon, jetzt kommt was fürs Protokoll.

Die Jungs jeden­falls schlep­pen Kabel­trom­meln und Mikro­stän­der und Ver­stär­ker raus. Unter den weib­li­chen Gäs­ten wer­den Befürch­tun­gen wegen Lärm­be­läs­ti­gung laut. Dabei waren sie die Lärm­be­läs­ti­gung. Die Jungs igno­rie­ren das. Ich fühlte mich ihnen ver­bun­den, wie sie so bas­teln und pro­bie­ren und ihre Gitar­ren ein­stöp­seln und mit abwe­sen­den Gesich­tern ein paar Akkorde spie­len. Robert war nicht dabei. Maria kam und bat mich, nach ihm zu sehen.

Im Haus schumm­rige Kühle, ein Com­pu­ter. Atom­kriegs­ge­räu­sche. Das als Erziehungs­ergebnis, ver­ste­hen Sie ? Atom­krieg und belei­digte Bli­cke. Mein Sohn sitzt am Com­pu­ter und spielt was weiß ich. Und ich bin hier schließ­lich auf­ge­wach­sen. Knal­le­rei, Mons­ter, Tote. Sie ver­blö­den, wer­den zu kran­ken Tie­ren. Wie junge Hunde, die man in eine dunkle Tonne sperrt und immer drauf­haut. Sie gewöh­nen sich dran, weil sie junge Hunde sind und den­ken, das ist eben so, das Hun­de­le­ben. Aber wenn sie nach drau­ßen kom­men, feh­len ihnen die Instinkte. Sie erschre­cken vor Pus­te­blu­men. Ich stehe also in die­sem dunk­len Zim­mer, schnauze mei­nen Sohn an, und er starrt auf sei­nen Bild­schirm und schweigt. Das als Erziehungsergebnis.

Im Gar­ten hal­fen die ande­ren Väter ihren Jungs beim Auf­bauen. Kippe im Mund­win­kel, stol­pern zwi­schen den Kabeln herum, Blick in die Ferne, wäh­rend sie die Boxen auf­ein­an­der abstimm­ten. Roadie – Getue. Ist doch aber irgend­wie demü­ti­gend, Roadie für den eige­nen Sohn, oder ? Sie nah­men es ernst, als ob sie für die Rol­ling Stones auf­bau­ten. Muss übri­gens auch frus­trie­rend sein, wenn der Sohn ein Rol­ling Stone ist.

Las­sen Sie mich aus­re­den. Es machte mich noch wüten­der. Väter und Söhne, respekt­voll und männ­lich. Wie im Kino. Bekom­men Sie kein schlech­tes Gewis­sen, wenn Sie im Kino sit­zen ? Meine Theo­rie ist, dass diese Kino­filme Macht­in­stru­mente sind. Nicht nur Mit­tel zum Geld­ver­die­nen, son­dern auch der Demü­ti­gung. Sieh her, was es für Män­ner gibt ! Für Söhne. Für Autos. Für Frauen. Man sieht, wie man sein könnte, glaubt es für zwei Stun­den. Und merkt dann schon im Park­haus, dass man es nicht ist. Wenn das Park­ti­cket wie­der so teuer ist. Und dann kauft man sich doch ne neue Kino­karte. Bil­li­ger als ne Pis­tole. Nein ! Ich wollte nur sagen .… Genau, genau. Inter­es­sant, das Ganze. Ich denke, dass irgend­wer diese Filme mit Absicht finan­ziert, wie Waf­fen­lie­fe­run­gen in Kri­sen­ge­biete. O doch, das hat eine ganze Menge mit­ein­an­der zu tun.

Jeden­falls, ich sehe die­sem Vater-Sohn-Ideal zu und denke an mein Vater-Sohn-Pro­blem. Nie würde Robert in so einer Band mit­spie­len. Dann began­nen Sie zu spie­len, und ‑tja … Was soll ich sagen ? Klar ist, dass die Musik mich noch besof­fe­ner machte. Schnaps in der Hitze. Maschi­nen­lärm, indus­tri­elle Struk­tur, aus der sich ab und zu, sehr ab und zu eine über­ra­schende, rüh­rende Har­mo­nie abhebt. Und alte Sachen, die wir, also unsere Genera­tion, ich und Sie, bevor sie ein Bulle wur­den, in dem Alter auf unsern Luft­gi­tar­ren gehäm­mert haben. Ver­rückt, was ? Und dann: »All along the watch­tower«. Ja, ich komme gleich zum Punkt. »All along the watch­tower«, tat­säch­lich. Ich schreib’s Ihnen auf. Es ist das beste Lied, das Dylan geschrie­ben hat, auch wenn das sel­ten erkannt wird. Das liegt unter ande­rem daran, dass das Gitar­ren­riff in der Ori­gi­nal­fas­sung – auf »John Wes­ley Har­ding« nicht beson­ders auf­fällt, erst live kommt es zur Wir­kung, mit E‑Gitarre, Car­los San­tana hat es gespielt oder frü­her Jimi Hen­drix. Aber der Text ! Kryp­tisch. Rät­sel­haft ! Wenn man ihn liest, ver­steht man ihn akus­tisch, also visu­ell eigent­lich, aber es ist ein Text, der viel aus­spart, als wüsste der Hörer, wovon die Rede ist. So ähn­lich, wie ich jetzt rede. Las­sen Sie mich aus­re­den. Es geht um Häft­linge, die an drau­ßen den­ken. Pas­send, nicht wahr ? Ein Lied über den Knast, Herr Kom­mis­sar. Egal. Strei­chen Sie’s. Es geht um fate, mein Freund. Das heißt Schick­sal. Schick­sal. Leben. Klar­text reden. Alles andere zählt nicht. Jeden­falls spie­len die Jungs das, und ich werde immer wüten­der. Nicht gereizt, Wut, gute, starke, reine Wut. Und dann – stei­gen mit Klir­ren und Kra­chen die Boxen aus. Hei­lige Stille. Da ist es dann pas­siert. Sie waren übri­gens schnell da, Kom­pli­ment. Kom­pli­ment wie Kom­plize. Scherz ! Diese Straße, der alle Häu­ser ihren Arsch zei­gen, ist plötz­lich still. Ich merke plötz­lich, dass ich die ganze Zeit mit mei­nem Auto­schlüs­sel in der Hand gespielt habe. Damit hab ich ihn dann erwischt, mit den bekann­ten Folgen.

Mein Sohn ? Ja, der stand dann wohl neben mir. Maria wird ihm das gesagt haben. Geh raus zu Dei­nem Vater. Macht was zusam­men, Män­ner. Män­ner ! Klingt her­ab­las­send, sagen Sie, was sie wol­len. Kin­der, geht mit Papi spie­len, Modell­ei­sen­bahn. Er stand neben mir.

Und dann quen­gelt die­ser Regen­wurm­bär­tige in die Stille hinein …

Hab ich das schon erzählt ? Frü­her haben sie sol­che nach da oben gebracht, sagt die­ser Regen­wurm­mi­li­ta­rist und zeigt in Rich­tung Berg. Ich folgte mei­nem hoch­mo­der­nen Kri­sen­ma­nage­ment­sys­tem, also mei­nem Instinkt. An bestimm­ten Stel­len im Leben gibt es nur eine rich­tige Art abzu­bie­gen, tau­send fal­sche und eine rich­tige. Nein, kei­nen Anwalt. Er zeigt da hoch, auf das Schloss. Ver­ste­hen Sie ? Frü­her. Sol­che wie die. Gerade weil Sie ein Bulle sind. Er zeigt nach oben. Es war auch Som­mer, als ich hin­kam, damals. Da tat ich es. Alles andere schien mir unwür­dig. Das ist das rich­tige Wort: Unwür­dig. Las­sen sie mich aus­re­den. Inter­es­siert mich nicht, ob sie das wich­tig fin­den. Las­sen Sie mich aus­re­den. Also – als er das sagte, das Opfer, wie sag­ten Sie ? der Geschä­digte, gab es einen Augen­blick voll­kom­me­ner Gewiss­heit. Robert sah mich unschlüs­sig an, als ob er mich um Erlaub­nis fra­gen wollte. In die­ser Sekunde wusste ich, dass es rich­tig ist. Reden Sie nicht, ich wusste es. Ja, von ihrem Stand­punkt … Aber mit die­sem Blick war eine Ver­bin­dung her­ge­stellt, eine Sekunde der Teil­habe, an etwas Grö­ße­rem. Stär­ker als Gesetze. Ich bin hier auf­ge­wach­sen, ver­ste­hen Sie. So kam das. Bitte ? Der Geschä­digte ? Nein, er hat nichts mehr gesagt. Konnte er gar nicht. Aber Robert sagte immer wie­der: Mein Vater ist da auf­ge­wach­sen. Genau so. Mein Vater ist da aufgewachsen.

In dem Moment, als der Per­verse zusam­men­brach, begann die Musik wie­der zu spie­len. Ich hörte es wie aus gro­ßer Ent­fer­nung, das Wum­mern des Bas­ses, die hel­len Schläge auf das Becken. Robert stand dane­ben, schnaufte. Gesagt hat er nichts mehr. Dann … Ich habe die Kon­trolle ver­lo­ren. Jemand rief den Kran­ken­wa­gen oder sie an. Jemand ver­suchte mich fest­zu­hal­ten. Aber dann kamen Sie schon, mit Ihrem Blau­licht und den Handschellen.

Das war alles. Er sagte das eben und dann … Ich bin da auf­ge­wach­sen. Ja. Was ? Mein Sohn redet dum­mes Zeug. Dum­mes Zeug ! Er spinnt. Ich habe zuge­schla­gen, nur ich. Den Auto­schlüs­sel hab ich mir irgend­wann geholt. Ich hab’s getan, nur ich. Mein Sohn hat nicht zuge­schla­gen. Glau­ben Sie ihm kein Wort. Er ist ein Spin­ner. Ein Ange­ber, aber unschul­dig. Ich bin hier aufgewachsen.

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Abdruck mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Autors.
Die Rechte lie­gen beim Autor.

 Lesungen:

  1. Verena Zeltner – »299 Tage«
  2. Wulf Kirsten – »Nachtfahrt«
  3. Ralf Eggers – »Geständnis«
  4. Kathrin Groß-Striffler - »Mein Haus«
  5. Ulrike Gramann – »Die Sumpfschwimmerin«
  6. Anke Engelmann – »Der Zaun«
  7. Jens-Fietje Dwars – »Audienz am Dienstag«
  8. Harald Gerlach – »Windstimmen«
  9. Rainer Hohberg – »Schloss. Träume. Hummelshain«
  10. Wolfgang Held – »Die Stunde der Führungsroller«
  11. Antje Babendererde – Lesung aus »Isegrimm«
  12. Roland Bärwinkel –»Mein See«
  13. Stefan Petermann – »Heute lernen wir Tschüss zu sagen«
  14. Kai Mertig – »Windmann geht die Stürme küssen«
  15. Bernd Ritter – »The Game«
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