Fragen an Ulrich Kaufmann

Person

Ulrich Kaufmann

Ort

Jena

Thema

Fragen an Thüringer Schriftstellerinnen und Schriftsteller

Autor

Ulrich Kaufmann

Reihe »Fragen an Thüringer Schriftstellerinnen und Schriftsteller« / Thüringer Literaturrat e.V.

1. Was ver­bin­det Sie, nicht nur beim Schrei­ben, mit Thüringen?

Über Thü­rin­gen ist schon viel geschwärmt wor­den, nicht zuletzt über Cos­peda, wo ich täg­lich die wun­der­volle Umge­bung genie­ßen kann. Auch durch die Arbeit am »Palm­baum«, dem lite­ra­ri­schen »Jour­nal aus Thü­rin­gen«, und die vie­len Gesprä­che mit dem Lite­ra­tur­to­po­gra­phen Det­lef Igna­siak, mei­nem Kom­mi­li­to­nen, ent­stan­den etli­che Texte zu mei­ner Hei­mat um Jena, in der ich seit 56 Jah­ren lebe. Einige Auf­sätze fin­den sich in dem Buch »Dich­ter­wege nach Jena« (2012), das ich her­aus­gab. Augen­blick­lich arbeite ich über Ber­tuchs frühe Jahre in Cos­peda sowie über drei Lite­ra­ten, die auf dem Jenaer Johan­nis­frie­hof begra­ben lie­gen: Johann Chris­tian Gün­ther, den Ver­le­ger From­mann (Senior) und den Hei­mat­dich­ter Treunert.

2. Was bringt Sie zum Schreiben?

Es ist der Wunsch, andere an den Ent­de­ckun­gen, die man macht, teil­ha­ben zu las­sen. Zwei­fel, ob dies heu­tige Stu­den­ten, Gym­na­si­as­ten oder die eige­nen Kin­der inter­es­siert, sind angebracht.

Ich schreibe ebenso für Kul­tur­bür­ger, jeden­falls nicht aus­schließ­lich für Fach­kol­le­gen. Mir ist keine inten­si­vere Form der Wis­sens­an­eig­nung bekannt, als gründ­lich über Pro­bleme, Epo­chen, Autoren und Bücher zu schrei­ben. Dinge über die ich lange geschrie­ben habe, sind über Jahr­zehnte in mei­nem Kopf.

Ob Leser etwas bei der Lek­türe ler­nen, weiß ich nicht. Das Meiste begreift der Autor selbst.

3. Füh­ren Sie Tage­buch oder ähn­li­che Auf­zeich­nun­gen, die Ihnen beim lite­ra­ri­schen Schrei­ben helfen?

Tage­buch führe ich seit 55 Jah­ren über alle meine Tisch­ten­nis­wett­kämpfe, etwa 1100 Tur­niere und Mann­schafts­kämpfe. Dort hole ich mir Kraft für die Arbeit.

Zum Arbei­ten benö­tige ich meine Biblio­thek und die vie­len Map­pen, die ich zu »mei­nen« Autoren anlege und stän­dig ergänze.

4. Haben Sie feste Schreib­stun­den? Was/wer hält Sie vom Schrei­ben ab? Sind Sie ein Prokrastinateur?

Am liebs­ten schreibe ich in ruhi­gen Mor­gen­stun­den. Vor allem stört und nervt mich amt­li­che Post: Rech­nun­gen, Mah­nun­gen und Fra­gen, ob ich gewillt bin, die Post aller Nach­barn, die in ver­schie­den Schü­ben kommt, ent­ge­gen­zu­neh­men. Aller­dings stärkt das Schlep­pen und Sta­peln der Pakete den Kreis­lauf… Auf neue Arbeits­ge­biete freue ich mich meist und bin oft vor dem Abga­be­ter­min mit mei­nen Tex­ten fertig.

5. Ihr Lieb­lings­ort – – in Thü­rin­gen oder anderswo?

Der Tie­fur­ter Park,  das Koch­ber­ger Schloss; das Rheins­ber­ger Schloss mit sei­nem Umfeld.

6. Wo haben Sie das Thema zu Ihrem letz­ten Buch gefunden?

Beim ers­ten Besuch in Stritt­mat­ters Laden in Bohs­dorf wusste ich, dass ich über die    Bäcker­söhne Erwin Stritt­mat­ter und Oskar Maria Graf schrei­ben musste. Es wurde kein Buch, aber ein Auf­satz für das Münch­ner Graf-Jahr­buch. Er erschien auch in dem »Volks­buch« »Von Bohs­dorf nach Schul­zen­hof- Auf den Spu­ren der Strittmatters.«

Mit­un­ter sind meine Bücher the­ma­tisch gebün­delte Auf­sätze. Des­halb fällt es mir schwer, von einem zün­den­den Urer­leb­nis zu berich­ten. Wenn ich über viele Jahre etwa über J. M. R. Lenz schreibe, zu ganz unter­schied­li­chen The­men und Anläs­sen, erfüllt mich der Wunsch, das Erar­bei­tete vorzulegen.

7. Haben Sie schon ein­mal etwas bereut, das Sie geschrie­ben haben?

Über Texte, die ich vor Jahr­zehn­ten schrieb, erschre­cke ich mit­un­ter. Aber damals konnte ich es nicht bes­ser. Ich bereue, wenn ich umsonst gear­bei­tet habe. Die ist mir gele­gent­lich vor und nach 1989 pas­siert. Schlimm ist auch, wenn Laien an einem Text »mit­schrei­ben« oder unsen­si­ble Redak­teure einen Text unge­schickt kür­zen oder ver­schlimm­bes­sern. Gegen ein gutes Lek­to­rat, falls es dies noch gibt, ist nichts zu sagen.

8. Ihr Lieblingsbuch?

Vol­ker Brauns »Hinze-Kunze-Roman«, auf den wir so viele Jahre war­ten mussten.

9. Was war für Sie Ihr größ­ter Erfolg?

Hier kann ich mich kurz fas­sen. Ich freue mich, wenn Arbei­ten von mir in grö­ße­ren Ver­la­gen erschei­nen. Etwa die Inter­views mit Sig­rid Damm im Insel Ver­lag, ein Arti­kel über Braun und das Erbe (in einem Band zum 75.Geburtstag des Dich­ters). Zu DDR-Zei­ten sind Bei­träge zur Büch­ner-Rezep­tion im Auf­bau-Ver­lag und Mit­tel­deut­schen Ver­lag erschie­nen. Auch eigene Bücher, wenn sie gar auf dem Cover eine pas­sende Gra­phik haben, erfreuen mich als Autor. Klei­nere Ver­lage machen kaum Wer­bung und so bleibt die Reso­nanz meist gering.

10. Wel­ches Wis­sens­ge­biet inter­es­siert Sie neben der Lite­ra­tur am meisten?

Geschichte, Bil­dende Kunst, Sport (auch Sportgeschichte).

11. Was ist für Sie Stil?

Ein Autor sollte einen Indi­vi­du­al­stil ent­wi­ckeln. Bild­reich­tum, Witz und Iro­nie, wenn sie denn zum Thema pas­sen, könn­ten einen gut les­ba­ren Text aus­zeich­nen. Stil heißt für mich auch, so zu schrei­ben, dass man große Gedan­ken so zu Papier bringt, dass mög­lichst viele Leser diese genuss­voll auf­neh­men und ver­ste­hen kön­nen. Brecht ist ein Mus­ter­bei­spiel dafür. Viele sei­ner Jün­ger wer­den schnell banal. Das heißt natür­lich nicht, dass ich Brechts Anti­po­den Tho­mas Mann nicht außer­or­dent­lich  schät­zen würde.

12. Wer ist für Sie die bedeu­tendste Per­son in Thü­rin­gen oder anderswo?

Georg Büch­ner, Vol­ker Braun.

13. Hat man neben dem Schrei­ben noch Lust auf Bücher und Lesen – oder hal­ten Sie es mit Kurt Tuchol­sky: Das biß­chen, was ich lese, schreib ich mir selbst?

Einen Rezen­sen­ten / Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler  müsste man fast einen »Para­si­ten« nen­nen. Er lebt von den Büchern der Schrift­stel­ler, die er Lesern dia­lek­tisch-kri­tisch nahe­brin­gen möchte. Dann beginnt er zu kom­mu­ni­zie­ren, kommt aus dem eige­nen Dunst­kreis heraus.

Für den Publi­zis­ten ist es span­nend, den Weg einer Autorin / eines Autors über Jahr­zehnte zu beglei­ten, dem Leser etwa zu zei­gen, wie Schrei­bende vor und nach dem Umbruch 1989 kri­tisch die unter­ge­gan­gene und die nun­meh­rige Gesell­schaft betrachten.

Die eige­nen Arbei­ten sieht man an, wenn man Neues schrei­ben will. Man möchte sich mög­lichst nicht so oft wie­der­ho­len bzw. selbst zitieren.

14. Ihr Lieb­lings­schla­ger oder Lieblingsvolkslied?

Mei­nem Alter gemäß (* 1951): »Mit 66 fängt das Leben an« und »Aber bitte mit Sahne«;  »Die Gedan­ken sind frei«;

15. Haben Sie ein (Lebens-) Motto?

»Lerne alt zu wer­den mit einem jun­gen Her­zen. Das ist die Kunst.« (Goe­the)

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