Zum 80. Geburtstag von Friedrich Dieckmann

Thema

Aktuelles

Autor

Hansjörg Rothe

Freier Deutscher Autorenverband, Landesverband Thüringen / Thüringer Literaturrat e.V.

Von Hans­jörg Rothe

 

Zu mei­nen ein­drück­lichs­ten Lese­er­leb­nis­sen gehört Fried­rich Dieck­manns Erzäh­lung »Orpheus, ein­ge­weiht«. Span­nend, äußerst dicht und doch leicht erzählt, erschließt sich hier die Ent­ste­hung eines der größ­ten Kunst­werke der euro­päi­schen Geschichte – Mozarts »Zau­ber­flöte« – und zugleich die künst­le­ri­sche Durch­drin­gung die­ser kon­tro­vers-ambi­va­len­ten Gestalt, der Köni­gin der Nacht: ist sie zu Beginn für Mozart noch die posi­tive Mut­ter­fi­gur, durch­lau­fen er und sein Gesprächs­part­ner einen schöp­fe­ri­schen Pro­zess, an des­sen Ende ihre eigent­lich destruk­tive Natur in der Weise her­aus­ge­ar­bei­tet wor­den ist, in der wir das Werk heute ken­nen und lie­ben. Wann immer ich seit­dem Mozarts Oper oder auch nur die berühmte Arie der Köni­gin gehört habe, erin­nerte ich mich sofort an Dieck­manns Text.

Eine sol­che Prä­senz beim Leser ist natür­lich, wovon jeder Autor träumt. Auch und gerade in Thü­rin­gen ist Fried­rich Dieck­mann nicht nur durch seine regel­mä­ßi­gen Bei­träge im »Palm­baum« wohl bekannt. In Dres­den auf­ge­wach­sen, gehörte er an der Uni­ver­si­tät Leip­zig zu den Schü­lern Ernst Blochs, spä­ter war er Dra­ma­turg am Ber­li­ner Ensem­ble unter der Inten­danz von Ruth Berg­haus. Erst vor weni­gen Jah­ren erhellte sein Buch über Richard Wag­ner in der Revo­lu­tion diese wenig bekannte Seite des streit­ba­ren Kom­po­nis­ten und Gesell­schafts­vi­sio­närs aus Sach­sen. Auch hier gelingt es dem Autor, Wesent­li­ches durch wenige Details schlag­licht­ar­tig zu beleuch­ten: durch eine vor sei­nem geis­tige Auge ent­fal­tete Szene wie die in Dres­den 1849, wo Richard Wag­ner auf dem Turm der Kreuz­kir­che Aus­schau hal­tend Nach­rich­ten an die Auf­stän­di­schen zu den von Gott­fried Sem­per kon­zi­pier­ten Bar­ri­ka­den her­un­ter­wirft, wäh­rend die Preu­ßen von der Kup­pel der Frau­en­kir­che zu ihm her­über schie­ßen und die vom Erz­ge­birge her­an­mar­schie­ren­den Berg­ar­bei­ter die Mar­seil­laise sin­gen – damit die Dresd­ner sie nicht für eine preu­ßi­sche Trup­pen­ver­stär­kung hal­ten! – wird Wag­ner dem Leser plötz­lich aus einem bis heute für diverse ideo­lo­gi­sche Gra­ben­kämpfe instru­men­ta­li­sier­ten Schlag­wort zu einem leben­dig fass­ba­ren Menschen.

Zu Recht gesellte sich für die­ses Buch der Preis der Richard-Wag­ner-Gesell­schaft Leip­zig zu den vie­len ande­ren, in frü­he­ren Jah­ren an Fried­rich Dieck­mann ver­lie­he­nen Prei­sen. Wie drin­gend wir Autoren brau­chen, die uns die Grund­la­gen und nicht ganz so offen­sicht­li­chen Zusam­men­hänge unse­rer eige­nen Kul­tur­ge­schichte nahe­zu­brin­gen ver­mö­gen, zeigt sich gerade wie­der an der Jah­res­tags-Publi­ka­ti­ons­mühle, wel­che heuer die Kai­se­rin Maria The­re­sia erfasst und in zahl­lose Publi­ka­tio­nen beför­dert hat. In nicht weni­gen Arti­keln wird sie tat­säch­lich als die posi­tive Mut­ter­fi­gur mit 16 Kin­dern por­trä­tiert, die Öster­reich die all­ge­meine Schul­pflicht und der Welt den Maria-The­re­sia-Taler bescherte, dabei ver­trat sie die­selbe abso­lu­tis­ti­sche, alle über­kom­me­nen Ver­fas­sun­gen ver­ach­tende Poli­tik wie das fran­zö­si­sche König­tum mit dem sie sich ver­bün­dete und des­sen gewalt­sa­mer Unter­gang auch den Tod ihrer eige­nen Toch­ter Marie Antoi­nette bedeu­tete – dun­kel-zer­stö­re­risch, eben ambi­va­lent wie die Köni­gin der Nacht, als deren Vor­bild sie diente.

Wie gut des­halb, dass wir 2017 nicht nur Maria The­re­sias 300., son­dern auch Fried­rich Dieck­manns 80. Geburts­tag haben, den er am 25. Mai begeht. Der Freie Deut­sche Autoren­ver­band, Lan­des­ver­band Thü­rin­gen e.V. gra­tu­liert auch im Namen aller ande­ren Mit­glie­der des Thü­rin­ger Lite­ra­tur­rats und wünscht  noch viele wei­tere, schaf­fens­freu­dige Jahre!

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