Von Altenburg nach Hummelshain – Wilhelm von Kügelgens Jugenderinnerungen
4 : Im Gasthaus zur nassen Malzbrühe

Person

Wilhelm von Kügelgen

Thema

Von Goethes Tod bis zur Novemberrevolution

Autor

Wilhelm von Kügelgen

Jugenderinnerungen eines alten Mannes, Berlin 1870.

End­lich, es mochte Mit­tag vor­über sein, erreichte ich ein klei­nes Wald­dorf, an des­sen hüb­schge­le­ge­ner Schenke ein Bier­zei­chen aus­hing. Ich schwenkte ein, warf mei­nen Ran­zen auf die Tafel, mich auf die Bank und for­derte zu trin­ken. Das ange­zeigte Bier war frei­lich noch nicht ganz voll­stän­dig, eigent­lich nur Malz­brühe. Es war im Hause gebraut und noch nicht fer­tig, da sowohl der Hopf­en­zu­satz als die Gärung fehl­ten, doch war es naß und ging hin­un­ter. Dazu ward Schwarz­brot auf­ge­tra­gen und fri­scher Zie­gen­käse, und das war alles, was dies Gast­haus leis­ten konnte. Für einen, der wie ich seit vier­und­zwan­zig Stun­den nur vom Fas­ten gelebt hatte, war’s aber eine gute Mahl­zeit; und da ich nun oben­drein vom Wirt erfuhr, daß ich ganz recht gegan­gen – was diese Leute immer fin­den, wenn man nur ihre Kneipe nicht ver­fehlt hat – so war ich sehr zufrie­den und streckte die Beine behag­lich von mir. Mein gelehr­ter Beglei­ter von heute mor­gen mußte frei­lich sehr ver­irrt sein samt sei­nem Schnupf­tuch; aber das war seine Sache.

Etwas her­ab­ge­stimmt ward ich indes­sen, als ich auf wei­tere Fra­gen hören mußte, daß es noch sechs gute Stun­den sei bis Hum­mels­hain, und der Wirt, obgleich er nicht zuge­ben wollte, daß ich ver­irrt sei, da man von hier aus eben­so­gut als von Ron­ne­burg nach Hum­mels­hain kom­men könne, doch meinte, daß ich gerade nicht den nächs­ten Weg gegan­gen. Da war es denn aus mit der kur­zen Rast: ich raffte mich auf, und trotz der bren­nen­den Füße ging es wie­der vor­wärts im Drei­vier­tel­takte über Berg und Tal, durch Wald und Flur, und über­all war es zuge­trof­fen, was der Wirt mir vom Wege gesagt hatte, näm­lich, daß er ein­sam, lang und sehr beschwer­lich sei. Nur das eine schien nicht zuzu­tref­fen: daß die­ser Weg nach Hum­mels­hain füh­ren sollte.

 Von Altenburg nach Hummelshain – Wilhelm von Kügelgens Jugenderinnerungen:

  1. Mit der Post von Leipzig nach Altenburg
  2. Nachts von Altenburg nach Ronneburg
  3. Nach Hummelshain, nach Hummelshain
  4. Im Gasthaus zur nassen Malzbrühe
  5. Nach Lichtenau
  6. Nachtquartier im Unterholz
  7. Quer durch den Wald nach Hummelshain
  8. Hummelshain im angenehmsten Rosenlicht
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