Wieland, Sophie Brentano und Kleist in Oßmannstedt
3 : Gut Oßmannstedt (1797–1803)

Person

Christoph Martin Wieland

Ort

Wielandgut Oßmannstedt

Thema

Literarisches Thüringen um 1800

Autor

Jürgen M. Paasch

Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.

Wie­land ist erneut auf der Suche nach einer grö­ße­ren Bleibe, die auch etwas mehr kos­ten darf – spä­tes­tens seit den Sämmt­li­chen Wer­ken ist er wohl­ha­bend zu nen­nen. Die Gemeinde Oßmann­s­tedt bie­tet gerade ein Land­gut mit Guts­haus zum Kauf an, immer­hin eines mit lan­ger Geschichte und gro­ßem Park – acht­hun­dert­vier­zig Jahre auf fünf­und­zwan­zig Acker. In der Geschichte tre­ten Kai­ser Otto I. und der Reichs­graf von Bünau auf, ebenso Anna Ama­lia, die das Gut 1762 bis 1775 als Som­mer­sitz nutzte und schließ­lich Johann Gott­lieb Fichte, der 1795 hier seine Grund­lage der gesam­ten Wis­sen­schafts­lehre been­dete. Nun wäre es an Wie­land, sich in die Chro­nik ein­zu­tra­gen; zwei­und­zwan­zig­tau­send Taler würde der Ein­trag ins Grund­buch kos­ten, zu viel sagen die Freunde in Wei­mar – aber Wie­land ist ent­schlos­sen zum poe­ti­schen Kauf (Chris­tian Gott­lob von Voigt). Am 15. März 1797 erwirbt er Haus und Land, weil es in einer ber­gich­ten und wal­dich­ten Gegend liegt, das letz­tere ist bei mir con­di­tio sine qua non, denn ein nied­rig lie­gen­des möchte ich nicht geschenkt; am 15. April ver­kauft er das eigene Haus in Wei­mar und am 26. April bezieht Fami­lie Wie­land das Gut Oßmannstedt.

Seit ver­wi­che­nen Frei­tag haben wir unser höchst anmu­ti­ges Land­haus bezo­gen, des­sen Lage auf einer etli­chen Ter­ras­sen all­mäh­lich bis zur Sihl sich her­ab­sen­ken­den Anhöhe einen Anblick gewährt, den man ewig vor den Augen haben möchte. Wie­land hat sich einen lange genähr­ten Traum erfüllt, zusätz­lich ange­feu­ert viel­leicht wäh­rend sei­nes ver­trau­ten Umgangs mit Horaz, beson­ders als er des­sen Zei­len über­setzte: Mein höchs­ter Wunsch war einst ein klei­nes Feld, / ein Gar­ten, eine Quelle nah am Hause / und etwas Wald dazu: die Göt­ter haben mehr / und bes­sers mir gege­ben (Sati­ren II,6). Horaz hat­ten die Göt­ter sei­nen Wunsch erfüllt und ihm Sabinum gege­ben. Und Cicero, der ver­ehrte Cicero wohnte im römi­schen Vil­len­vor­ort Tus­cu­la­num, wo er auch seine Bru­tus gewid­me­ten Tus­cu­la­nae dis­pu­ta­tio­nes statt­fin­den lässt. Alles das weiß Wie­land – und heißt sein Land­gut fortan Osman­ti­num! Das kann man lächer­lich fin­den – oder rührend.

Er schreibt vor allem an Über­set­zun­gen des Aris­to­pha­nes, Euri­pi­des und Xeno­phons und betreibt Gar­ten­pflege, die sich aus­wächst zur Land­wirt­schaft. Sie­ben Kin­der sind bei ihm und vier Enkel­kin­der und die genie­ßen Land­luft, unver­küns­telte Natur, viel Gras und schöne Bäume, Wie­land selbst auch noch äußere Ruhe und freie Dis­po­si­zion über mich selbst. Goe­the konnte den Rück­zug Wie­lands in die trau­rigste Gegend der Welt nicht ver­ste­hen, nahm aber irri­tiert zur Kennt­nis, dass zur glei­chen Zeit, auch im März 1797, Schil­ler sich in Jena ein Gar­ten­haus mit Gar­ten zulegt. Am 22. Juni 1798 ist auch Goe­the so weit, er erwirbt das Land­gut Ober­roßla und wird damit Feld­nach­bar Wielands.

Hier zu Oßmann­s­tedt befinde ich mich unun­ter­bro­chen wohl und mun­ter, arbeite an mei­nem Schreib­tisch mit Suk­zeß Neben­her tut mir auch das Bewußt­sein wohl, daß ich mei­nen gro­ßen Gar­ten (der für sich allein schon ein klei­nes Land­gut ist), in den 8 bis 9 Mona­ten, seit er mein ist, bereits in einen merk­lich bes­sern Stand gesetzt habe. Ich habe über 300 frucht­bare Bäume gepflanzt, von deren grö­ße­rem Teile, sofern sie gut durch die­sen Win­ter kom­men, ich wenigs­tens die ers­ten Früchte zu erle­ben hof­fen kann. 

Wie­land zeugte fünf­zehn Kin­der, schrieb und schreibt wei­ter­hin Texte, die in fünf und­vier­zig Bän­den und in ein paar mehr ver­sam­melt sind und wei­ter gesam­melt wer­den. Und nun also pflanzt er noch drei­hun­dert Bäume. Das erfüllte Leben eines end­lich auch glück­li­chen Man­nes. Er hat sich seine Insel Fel­sen­burg geschaf­fen, erschrie­ben, und sie soll über­dau­ern wenigs­tens für die Kin­der und Enkel, denen er so den Start ins Leben ohne mate­ri­elle Sor­gen ermög­licht. In weni­gen Wochen bin ich schul­den­frei; was mir übrig bleibt, ist mein; die Inter­es­sen davon rei­chen, nebst mei­ner Pen­sion, zu anstän­di­ger Füh­rung mei­ner Haus­hal­tung zu, und ich brau­che nicht mehr über Ver­mö­gen zu arbeiten.

Wie­land ist als Guts­herr auch im Dorf Oßmann­s­tedt ange­kom­men und sein Wohl­be­fin­den teilt sich mit ohne Stan­des­gren­zen. Mit­ten im Dorf, unter einer gro­ßen Linde wurde getanzt. Es tat mir wohl den ehr­wür­di­gen Wie­land zu sehen, wie der edle Greis im hun­dert­jäh­ri­gen Schat­ten der Linde da saß und mit ruhi­gem Mut als Guts­herr den mun­tern Bur­schen Bescheid tat, die ihm mit vie­len Kratz­fü­ßen einen Stuhl set­zen und nach Her­kom­men ein Glas reich­ten. (Johan­nes Daniel Falk)

Oßmann­s­tedt wird ein Besu­cher­ma­gnet. Den alten Wie­land in sei­nem Osman­ti­num im Kreise sei­ner Fami­lie zu erle­ben oder, aus­ge­stat­tet mit Samt­ka­lotte, Tuch­stie­feln und Spa­zier­stock durch die Alleen sei­ner jun­gen Obst­bäume wan­deln zu sehen, ist den Besu­chern wie das Blät­tern in den ver­gilb­ten Sei­ten der Lite­ra­tur­ge­schichte, die plötz­lich zum Leben erwacht. Zwei­hun­dert Jahre nach Wie­land wird es an Ver­su­chen nicht feh­len, den spi­ri­tus loci, zu dem eine Obst­plan­tage unbe­dingt gehört, wie­der auf­le­ben zu las­sen. Sport­stät­ten wer­den eva­ku­iert und Bäum­chen implan­tiert, Samt­ka­lotte und Spa­zier­stock wer­den staub­frei hin­ter Glas ver­wahrt zur all­ge­mei­nen Ansicht, davor der Schreib­tisch, über dem eine Büste des Autors nach drau­ßen sieht in den Park und auf frisch gepflanzte Bäume.

 Wieland, Sophie Brentano und Kleist in Oßmannstedt:

  1. Wieland der Gärtner oder Unser Thema und wie wir es umgehen
  2. Exkurs: Augenschein eines Erotikers
  3. Gut Oßmannstedt (1797-1803)
  4. Exkurs: Selbstportrait als Schreckensbild oder Medizin für den Sohn
  5. Gutshaus Oßmannstedt und seine Gäste: Sophie von La Roche und Sophie Brentano
  6. Gutshaus Oßmannstedt und seine Gäste: Der zauberische Kleist
  7. Grabmal in Oßmannstedt
  8. Schloss und Park Tiefurt
  9. Schloss und Park Belvedere (1807-1813)
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