Reinhold Andert / Matthias Biskupek (Hg.) – »Du mit Deiner frechen Schnauze. Renate Holland-Moritz – Anekdoten und Briefe«

Personen

Matthias Biskupek

Jens-Fietje Dwars

Ort

Rudolstadt

Thema

Gelesen & Wiedergelesen

Autor

Jens-F. Dwars

Erstdruck in: Palmbaum - literarisches Joural aus Thüringen, Bd. 1-2020 / Thüringer Literaturrat.

Jens‑F. Dwars

Eulen­weis­hei­ten

 

Im Palm­baum erschien vor genau drei Jah­ren ihr letz­ter Text: Eine Lach­salve auf die DDR. Ich hatte sie für unser Heft über das Komi­sche (1/2017) gefragt, ob man in der fins­te­ren DDR über­haupt lachen durfte. Ihre Ant­wort: „Nein. Man durfte nicht, man musste!“

Lachen als Medi­zin, um die Absur­di­tä­ten des All­tags zu ertra­gen, um Dumm­hei­ten zu ver­la­chen, aber auch um sich an Gelun­ge­nem zu erfreuen, als unver­zicht­ba­res Lebens­mit­tel der Freund­lich­keit, des mit­ein­an­der Lachens, doch nie als Häme des Aus­la­chens – das war das Credo der Renate Hol­land-Moritz, die von 1960 bis 2015 mit ihrer „Kino-Eule“ Monat für Monat die Leser des Eulen­spie­gels beglückte. Sie war nicht nur die am längs­ten aktive Film­kri­ti­ke­rin der Welt, son­dern zugleich eine der scharf­zün­gigs­ten. Eine, die noch besaß, was heute so sel­ten ist: ein eige­nes Urteils­ver­mö­gen und das Talent, ein begrün­de­tes Urteil auf den Punkt zu brin­gen, unbe­stech­lich gegen­über der Obrig­keit, aber auch ohne Rück­sicht auf die Mei­nun­gen der Mehr­heit, des Mainstreams.

Für bei­des fin­den sich Belege in dem vor­lie­gen­den Buch mit Anek­do­ten und Leser­brie­fen, die beste Unter­hal­tung bie­ten: geist­rei­chen Klatsch & Tratsch über Schau­spie­ler und Lite­ra­ten im Osten, vor und nach der „Wende“, die nichts gewen­det, aber man­ches kennt­lich gemacht hat. Klug, prä­zise und dem Leben zuge­wandt. Sie selbst hat mit dem Ord­nen des Mate­ri­als schon begon­nen, als sie am 14. Juni 2017 starb. Rein­hold Andert und Mat­thias Bis­ku­pek setz­ten die Arbeit auf ihre Bitte hin fort. Mögen viele Leser es ihnen danken.

Natür­lich gehört zum Lachen auch das Wei­nen, wes­halb die Kino-Eule Geschich­ten liebte, die „anrüh­ren“, die sie zum Lachen und Wei­nen brach­ten: „Ich liebe über alles Tra­gi­ko­mö­dien, weil die so sind wie das Leben. Es muss kunst­voll sein, damit es so aus­sieht, als wäre es echt.“ Daher ihr unbe­stech­lichs­tes Kri­te­rium: „Wenn ich heule, war es Kunst! Bei Kitsch heule ich nicht.“

Groß­ar­tig! Und so ist das ganze Buch, das den Leser mit eben die­sem unpa­the­ti­schen Pathos ergreift. Oder, mit einem Freund gespro­chen, der mich nach der Lek­türe des Ban­des anrief: Wenn ich ein Buch nicht weg­le­gen kann, bis ich es aus­ge­le­sen habe, und am Ende bedaure, dass es nicht wei­ter­geht, dann war es gut.

  • Rein­hold Andert / Mat­thias Bis­ku­pek (Hg.): Du mit Dei­ner fre­chen Schnauze. Renate Hol­land-Moritz – Anek­do­ten und Briefe, Quin­tus-Ver­lag Ber­lin 2019, 176 S., geb., 19,90 €.
Diesen Artikel teilen:

Literaturland Thüringen‹ ist eine gemeinsame Initiative von
Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen · Thüringer Literaturrat e. V. · MDR-Figaro · MDR Thüringen – Das Radio

Gestaltung und Umsetzung XPDT : Marken & Kommunikation © 2011-2024 [XPDT.DE]
© Thüringer Literaturrat e.V. [http://www.thueringer-literaturrat.de]

URL dieser Seite: [https://www.literaturland-thueringen.de/artikel/reinhold-andert-matthias-biskupek-hg-du-mit-deiner-frechen-schnauze-renate-holland-moritz-anekdoten-und-briefe/]