Palmbaum – literarisches Journal aus Thüringen, Heft 1/2022

Editorial

Was ist romantisch?

Er galt 150 Jahr lang als das Ide­al­bild des Dich­ters: Fried­rich von Har­den­berg, der sich Nova­lis nannte. Heute scheint er dem Zeit­geist fremd gewor­den zu sein. Der 250. Geburts­tag von Goe­the war 1999 ein Ereig­nis, der 250. von Schil­ler rief 2009 noch ein star­kes Echo her­vor, auch wenn sich viele Ver­lage bereits zu sei­nem 200. Todes­tag vier Jahre zuvor ver­aus­gabt hat­ten. Zu Höl­der­lins und Hegels 250. erschie­nen unlängst wenigs­tens ein paar Bücher – der Inbe­griff des Jugend­dich­ters aber scheint heute nie­man­den mehr zu inter­es­sie­ren, obwohl sich das Nova­lis-Bild in den ver­gan­ge­nen 30, 40 Jah­ren grund­le­gend gewan­delt hat: der ver­meint­lich welt­ab­ge­wandte Roman­ti­ker gehörte zu den tat­kräf­tigs­ten Dich­tern und Den­kern sei­ner Zeit. Ent­de­cken Sie die­sen Fremdkörper!

Det­lef Igna­siak ver­folgt seine Spu­ren in Thü­rin­gen, Ing­mar Wer­ne­burg wid­met sich dem Natur­phi­lo­so­phen Nova­lis und André Schin­kel spürt dem Dich­ter nach, der die Poe­sie im Näch­ti­gen, im Traum, an der Grenze zwi­schen Innen und Außen, Leben und Tod ver­an­kert. Lesen Sie den Ofter­din­gen als Duell mit Goe­thes Wil­helm Meis­ter und erfah­ren Sie von Gun­nar Decker, wie in der Lite­ra­tur der DDR um Roman­tik gerun­gen wurde. Wil­helm Bartsch erin­nert an die Nova­lis-Tri­lo­gie von Gisela Kraft und Jörg Kow­al­ski berich­tet von der Ret­tung des Nova­lis-Geburts­hau­ses Schloss Ober­wie­der­stedt. Und wie nahe uns Nova­lis kom­men kann, das zei­gen Frag­mente aus einem Tage­buch der Trauer von Olga Martynova.

Gedichte brin­gen wir von Vol­ker Braun, Eber­hard Häf­ner, Michael Spyra, Johan­nes Witek, Hol­ger Brülls, Tho­mas Rack­witz, Wolf­gang Haak und Joa­chim Wer­ne­burg. Neue Prosa von André Schin­kel, Kath­rin Groß-Striff­ler, Anke Engel­mann und Frank Qui­litzsch. Im Essay-Block ver­deut­licht Leo­pold Feder­mair die Schwie­rig­kei­ten, Wulf Kirs­ten ins Fran­zö­si­sche zu über­set­zen – wofür Sté­phane Mich­aud soeben aus­ge­zeich­net wurde. Wei­tere Bei­träge wid­men sich u.a. der Tra­di­tion im Lyri­schen und der Frage nach dem imma­tri­el­len Erbe. Unter »Lite­ra­ri­scher Spu­ren­su­che« erin­nern wir an die Thü­rin­ger Wur­zeln des Christof­fel von Grim­mels­hau­sen, den »kal­ten Witz­ling« Fried­rich Schle­gel, die Cos­pe­daer Jugend­jahre des Fried­rich Jus­tin Ber­tuch und an den 100. Geburts­tag von Wal­ter Wer­ner. Wir fra­gen in Inter­views, wie es mit dem Jenaer Roman­tik­er­haus wei­ter­geht und wel­che Erfah­run­gen Lutz Rathe­now in sei­nem poli­ti­schen Amt gemacht hat: war es Last oder Lust?

Fast 25 Sei­ten umfas­sen unsere Rezen­sio­nen und im Gespräch mit der Ein­band­ge­stal­te­rin stel­len wir eine Frau vor, die das Grau des Lebens, die Rand­be­zirke und Zwi­schen­räume der Unent­schie­den­heit, die uns oft ver­zwei­feln las­sen – mit ihrer Kunst zum Leuch­ten bringt: Susanne Theumer.

Jens‑F. Dwars

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