Harry Domela als »falscher Prinz« in Thüringen
1 : »Inkognito« im Erfurter Hof

Person

Harry Domela

Orte

Erfurt

Erfurter Hof – Haus Kossenhaschen

Thema

Weimarer Republik

Autor

Jens Kirsten

Nennen Sie mich einfach Prinz. Das Lebensabenteuer des Harry Domela, Weimar 2010.

Nach eini­gen unent­schlos­se­nen Tagen in Frank­furt am Main besann sich Domela, noch ein­mal an den Ort zu fah­ren, wo er Momente des Glücks gespürt hatte – nach Erfurt.

Hier wollte ich wie­der Arbeit fin­den … Als was? Als unge­lern­ter Arbei­ter, im Schmutz irgend­ei­nes Fabrik­ho­fes?  … Ich schreckte zurück vor die­sem Gedanken.

Die­ses Mal logierte er nicht so beschei­den wie bei sei­nem ers­ten Auf­ent­halt. Ein­ge­denk sei­nes Hei­del­ber­ger Gast­spiels, das man rück­bli­ckend als eine Art Gene­ral­probe für sein fol­gen­des hoch­stap­le­ri­sches Glanz­stück betrach­ten kann, betrat er im stau­bi­gen Stra­ßen­an­zug und mit dem prall­ge­füll­ten Ruck­sack auf dem Rücken das Hotel »Erfur­ter Hof« und trug sich ganz sou­ve­rän als Baron von Korff ins Gäs­te­buch ein. Der Hotel­di­rek­tor war ent­zückt über den illus­te­ren Gast. Auch hier über­deckte Dome­las Aus­strah­lung die man­gelnde Ele­ganz der Gar­de­robe. Fabrik­di­rek­tor Boe­ger, nach dem er sich erkun­digte, der ihn einst so wohl­wol­lend auf­nahm, war inzwi­schen ver­stor­ben. Auf dem Weg durch die Stadt erin­nerte er sich an einen bal­ti­schen Lands­mann, mit dem er sich sei­ner­zeit in der Stadt ange­freun­det hatte. Kurz ent­schlos­sen besuchte er ihn in sei­nem Geschäft.

Mit­samt sei­ner jun­gen Frau lud ich ihn zum Abend­essen ins Hotel ein. Abends im Hotel sah ich den ein­fa­chen Leu­ten an, daß sie zum ers­ten­mal in solch einem Rah­men speis­ten. Sie mach­ten fei­er­li­che Gesich­ter und konn­ten eine gewisse Ver­le­gen­heit nicht ver­heh­len. Der ser­vie­rende Kell­ner bediente die bei­den, als wenn er sich weiß Gott was ver­gäbe, und legte ein so hoch­nä­si­ges Beneh­men an den Tag, daß es der jun­gen Frau pein­lich wurde. Ich stand daher auf und ließ mir den Ober­kell­ner kom­men, der in tadel­lo­sem Frack und wei­ßer Binde wie ein Her­zog aus­sah. Er erstarrte in Ehr­furcht, als ich ihm mei­nen Unwil­len über den Kell­ner äußerte. ›Ich möchte Sie höf­lichst, aber ent­schie­den dar­auf auf­merk­sam machen, daß es dem Per­so­nal durch­aus gleich­gül­tig sein dürfte, mit wem ich hier zu Abend esse. Ich ver­lange, daß meine Gäste genauso bedient wer­den wie ich selbst. Tra­gen Sie dafür Sorge, daß der Kell­ner sein Amt ein biß­chen zuvor­kom­men­der ver­sieht. Ich wün­sche nicht, Sie heute abend in die­ser Ange­le­gen­heit noch­mals zu bemü­hen!‹ Die Wir­kung die­ser Worte über­traf meine Erwar­tun­gen. ›Herr Baron wer­den gütigst ver­zei­hen, ich lasse den Kell­ner sofort ablö­sen! Ich bedaure unend­lich, daß Herr Baron sich des­halb bemü­hen muß­ten. Herr Baron dür­fen ver­si­chert sein, daß es nicht wie­der vor­kommt.‹ Er gelei­tete mich an den Tisch zurück und ver­scheuchte mit einer unnach­ahm­li­chen Hand­be­we­gung den ver­dutz­ten Kellner.

 Harry Domela als »falscher Prinz« in Thüringen:

  1. »Inkognito« im Erfurter Hof
  2. Ein Prinz wird erkannt
  3. Zu Gast auf der Creuzburg
  4. Hochstapler wider Willen
  5. Abgesang mit Aplomb
  6. Im Kaisercafé
  7. Mit Graf Arno im »Weißen Schwan«
  8. Illustre Gäste im »Goldenen Adler«
  9. Weimarer Nachspiel
  10. Hinter den Kulissen einer Sensation
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