Jan Volker Röhnert – »Max-Klinger-Saal«

Person

Jan Volker Röhnert

Ort

Lindenau-Museum Altenburg

Thema

Dichters Wort an Dichters Ort

Autor

Jan Volker Röhnert

»Dichters Wort an Dichters Ort« / Thüringer Literaturrat e.V.

Lin­denau-Museum, Altenburg

Am Anfang war das Licht in die­sen Räumen,
plas­ti­scher Ent­wurf von etwas, das noch wer­den will,
Fas­sa­den, die Wel­ten wie Gehirne in sich bergen,
Saal­fluch­ten, die in Jahr­hun­derte hin­ein sich dehnen,
die uns sonst nur in Traum­ge­stal­ten nahe sind,
das Stau­nen ein gerahm­tes Vier­eck an der Wand –

dahin­ter ver­schwin­det wie die Mauer jede Wand
und erwei­tert sich zu uner­dach­ten neuen Räumen,
die in kei­nem Wort ent­hal­ten sind
(was sonst immer die­ser Sonn­tag sagen will):
Augen­bli­cke, die Kris­talle in sich bergen
mit Inklu­sen darin, die sich zu Höh­len dehnen.

Diese Lein­wände sind Stu­dien im Dehnen.
Der Trop­fen das Ding an sich im Rah­men an der Wand.
Was du hier siehst an Mee­ren, Seen und Bergen
sind Land­schaf­ten aus Far­ben, blauen Räumen,
an die das Auge end­los sich ver­lie­ren will,
still­ge­stellte Zeit, solang wir im Museum sind –

eine Welt, in der die Jah­res­zei­ten reine Far­ben sind,
schlanke Kör­per, die sich zu Kata­rak­ten dehnen,
Atmo­sphäre, die sich zu Gestalt ver­for­men will.
Ein Knabe in Orange ver­zau­bert diese Wand.
Suchen wir nicht eine Idee von Leben in den Räumen,
die wir auf der Straße vor uns selbst verbergen?

Das Licht, das wir in uns­ren Taschen bergen,
stammt aus dem Schloss­platz und vom Park. Wir sind
über Turm, Berg, Pflas­ter an den Gartenräumen
hinab in den Anti­ken­saal, die lan­gen Hal­len, denen
in der Leere die Besu­cher feh­len. Die weiße Wand
erwar­tet Schat­ten, die der Tag dar­auf hin­ter­las­sen will –

mein Groß­va­ter hatte zwei Tan­ten hier. Die Vill-
a, als könnte sich Ver­gan­gen­heit in ihr verbergen,
grinste aus den Frat­zen an der stuck­ver­zier­ten Wand.
Ich trat in ein ver­gan­ge­nes Jahr­hun­dert ein. Sie sind
längst tot, die Schat­ten, die sich nach der Decke dehnen,
ver­schwun­den aus den voll­sa­nier­ten Räumen,

doch wer die Räume heute wie­der sehen will,
in denen die Ver­wand­lun­gen sich vor der Zeit verbergen,
weiß, wo sie sind. Ers­ter Stock. Die Bil­der an der Wand.

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