Interview zum Schillergeburtstag 2018 – Nancy Hünger im Gespräch mit Helmut Hühn

Person

Friedrich von Schiller

Orte

Jena

Weimar

Thema

Aktuelles

Autor

Dr. Helmut Hühn / Nancy Hünger

Friedrich-Schiller-Universität / Schillers Gartenhaus Jena.

Nancy Hün­ger: Lie­ber Herr Hühn, Wei­mar fei­ert all­jähr­lich den Goe­the-Geburts­tag am 28. August. Sie schla­gen nun vor, dass Jena umge­kehrt den Geburts­tag Schil­lers am 10. Novem­ber begeht und dabei an den viel­leicht größ­ten Dich­ter die­ser Stadt erinnert.

Hel­mut Hühn: Ja, das bie­tet sich doch an. Jena ist, wie ich immer wie­der betone, eigent­lich die wich­tigste Schil­ler­stadt Deutsch­lands. Zuge­ge­ben, Wei­mar hat mit dem Goe­the-Geburts­tag den Vor­zug der ange­neh­men Jah­res­zeit. Aber warum sol­len wir in Jena nicht auch im Novem­ber etwas mit Freude bewe­gen kön­nen, wenn viele mit­wir­ken, wenn Stadt und Uni­ver­si­tät gemein­sam handeln?

Nancy Hün­ger: An Schil­ler erin­nern Gedenk­stät­ten in ins­ge­samt acht deut­schen Städ­ten. Es gibt das Geburts­haus in Mar­bach und nicht zuletzt das Schil­ler­haus in Wei­mar. Mit wel­chem Recht kann sich Jena in beson­de­rer Weise eine Schil­ler­stadt nennen?

Hel­mut Hühn: Zehn Jahre lang hat Schil­ler in Jena gelebt, so lange wie an kei­nem ande­ren Ort. Wich­tige Sta­tio­nen sei­ner Bio­gra­phie sind mit unse­rer Stadt ver­knüpft. Hier fin­det er als Pro­fes­sor der Uni­ver­si­tät einen Platz in der bür­ger­li­chen Welt, hier grün­det er eine Fami­lie. In Jena ent­ste­hen seine gro­ßen theo­re­ti­schen und kunst­phi­lo­so­phi­schen Schrif­ten, bedeu­tende Gedichte wie die Bal­la­den, hier beginnt mit dem »Wal­len­stein« die Arbeit am dra­ma­ti­schen Spät­werk, hier ent­wi­ckelt sich seit 1794 die Freund­schaft mit Goe­the … . Die Gründe lie­gen doch auf der Hand.

Nancy Hün­ger: Ist Schil­ler also gar kein »Wei­ma­rer Klassiker«?

Hel­mut Hühn: »Wei­ma­rer Klas­si­ker«? Das ist eines der Ste­reo­type, die sich ver­fes­tigt haben. Schi­cken wir Schil­ler nicht fort. Wenn die Rede von der ‚Klas­sik‘ Sinn hat, dann sollte der Anteil, den die Uni­ver­si­täts­stadt Jena an dem kul­tu­rel­len Ereig­nis hat, nicht nur nicht ver­drängt, son­dern gerade her­aus­ge­stellt werden.

Nancy Hün­ger: Wie stel­len Sie sich den Schil­lerge­burts­tag kon­kret vor? An wel­che Art von Akti­vi­tä­ten haben Sie dabei gedacht?

Hel­mut Hühn: Ich träume davon, dass unsere Bäcker in Jena viel­leicht an die­sem Tag Lust haben, Schil­ler-Bröt­chen zu backen, die Händ­ler am Markt etwas anbie­ten, was an den Dich­ter erin­nert und Leib und Seele zusam­men­hält. Viel­leicht kön­nen die Gast­stät­ten und Hotels sich ein Schil­ler-Getränk aus­den­ken, so dass man ansto­ßen kann, die Buch­händ­ler um den Geburts­tag herum einen Schil­ler-Tisch ein­rich­ten oder ein Schau­fens­ter ent­spre­chend deko­rie­ren. Der Phan­ta­sie sind keine Gren­zen gesetzt. Jeder soll mit ein­fa­chen Mit­teln und so, wie es ihm Freude macht, mit­wir­ken. Auch die Geschäfte und Fir­men sind ange­spro­chen. Kön­nen wir nicht gemein­sam Jena als Schil­ler­stadt sicht­bar machen? Wer Inter­esse hat, möge sich ein­fach bei uns mel­den unter der Tele­fon­num­mer 931188 oder der Mail-Adresse: gartenhaus@uni-jena.de

Nancy Hün­ger: Es soll also ein Ereig­nis sein, das über den aka­de­mi­schen Rah­men bewusst hinauswirkt?

Hel­mut Hühn: Ja, wir wol­len den Schil­lerge­burts­tag von ‚unten her­auf‘ fei­ern, ganz lebens­nah und ‑prak­tisch. Wir wol­len Schil­ler an sei­nem Geburts­tag gleich­sam hier bei uns ‚beher­ber­gen‘. Wenn auch Insti­tu­tio­nen die­ser Stadt sich anschlie­ßen, freuen wir uns natür­lich sehr. Toll wäre es, wenn etwa die Ernst-Abbe-Biblio­thek mit­macht, viel­leicht im Kon­text des Lese­ma­ra­thons. Und wenn das Thea­ter­haus Schil­ler wie­der ein­mal für sich ent­de­cken könnte! …! In Zukunft wol­len wir gemein­sam mit Jen­a­Kul­tur und dem Lese-Zei­chen e.V. auch einen Schil­ler-Preis für Jenaer Schü­ler und Schü­le­rin­nen aus­schrei­ben: einen Preis für krea­tive Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit sei­nem Den­ken und sei­nen Haltungen.

Nancy Hün­ger: Am 10. Novem­ber hat auch Mar­tin Luther Geburtstag …

Hel­mut Hühn: … Ja. Und an die Pro­grome des 9. Novem­ber zu erin­nern, haben wir allen Grund. So könnte sich über die ‚Gast­freund­lich­keit‘ hin­aus, die eine Stadt ihrem Dich­ter auch nach zwei­hun­dert Jah­ren erweist, mit der Zeit auch ein kul­tu­rel­les Pro­gramm ent­fal­ten, dass das eine mit dem ande­ren in Jenaer Per­spek­tive ver­knüpft und die Arbeit an unse­rem kul­tu­rel­len Gedächt­nis unternimmt.

Nancy Hün­ger: Was haben Sie denn in die­sem Jahr am 10. Novem­ber vor?

Hel­mut Hühn: In die­sem Jahr fin­den in Jena die Schil­ler­tage des »Schil­ler­ver­eins Wei­mar-Jena« statt. Es geht in einem tol­len Vor­trags­pro­gramm in den Rosen­sä­len um das Ver­hält­nis und die Wech­sel­wir­kun­gen von Fried­rich Schil­ler und Wil­helm von Hum­boldt, um ihre Gesprä­che und Dis­kus­sio­nen hier in Jena, um die Neu­ent­de­ckung ihres Brief­wech­sels. Alle sind herz­lich ein­ge­la­den. Aus die­sem Brief­wech­sel stammt auch das Motto des dies­jäh­ri­gen Geburts­ta­ges: »Poe­sie wird auf jeden Fall mein Geschäft seyn« (Fried­rich Schil­ler an Wil­helm von Hum­boldt, Jena, den 5. Okto­ber 1795).

Nancy Hün­ger: Nun könnte man noch ein­wen­den, dass Schil­ler doch schon vor über 200 Jah­ren gestor­ben ist und einer längst ver­gan­ge­nen Epo­che der Kul­tur ange­hört. Warum ist es loh­nens­wert, sich auch heute noch mit sei­nen Wer­ken zu beschäf­ti­gen. Was hat Schil­ler uns Heu­ti­gen zu sagen?

Hel­mut Hühn: Schil­ler ist ein emi­nent moder­ner Den­ker! In sei­nen Wer­ken, in den Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit sei­nen Zeit­ge­nos­sen bil­det sich die ‚Moderne‘ her­aus, unsere eigene Welt. Wenn wir diese Welt mit den Augen Schil­lers anse­hen ler­nen, gewin­nen wir Distanz zu unse­rer Gegen­wart und die Mög­lich­keit zur Selbst­ver­stän­di­gung und Selbst­be­stim­mung. Um das noch ein­mal ganz kon­kret zu sagen: Kann der Schil­lerge­burts­tag nicht ein Aus­druck der Frei­heit sein, die wir im Umgang mit­ein­an­der realisieren?

 

Ein­la­dung zur Mit­wir­kung am Schil­lerge­burts­tag, dem 10. Novem­ber 2018

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