Dietmar Ebert – »Eduard Rosenthal. Ein Charakterporträt«

Personen

Dietmar Ebert

Jens-Fietje Dwars

Ort

Jena

Thema

Gelesen & Wiedergelesen

Autor

Gerhard Schaumann

Thüringer Literaturrat e.V.

Gele­sen von Ger­hard Schaumann

 

Über 90 Jahre nach sei­nem Tod liegt zum ers­ten Mal ein Buch vor, das Leben und Wir­ken Edu­ard Rosenthals ( 1853 – 1926 ) vor­stellt und wür­digt. Nach­dem sein Name in den letz­ten Jah­ren über die Villa Rosen­thal, dem jahr­zehn­te­lan­gen Wohn­haus, als Ort der Kul­tur für Lesun­gen, Vor­träge und Kon­zerte zum fes­ten Begriff gewor­den ist, kann sich nun der Leser ein Bild von die­ser für Jenas Stadt­ent­wick­lung bedeu­ten­den Per­sön­lich­keit machen. Rosen­thal, Pro­fes­sor, Dr. jur.  und rer. pol. h.c., Dekan der Juris­ti­schen Fakul­tät, Pro­rek­tor der Uni­ver­si­tät,  Grün­der des Jenaer Kunst­ver­eins und der Lese­halle formte wesent­lich das Bild einer leben­di­gen, auf­stre­ben­den Indus­trie­stadt vor und nach der Jahr­hun­dert­wende. Als nach dem 1. Welt­krieg Deutsch­land Repu­blik wurde, ent­stand aus Her­zog- und Fürs­ten­häu­sern der Frei­staat Thü­rin­gen. Rosen­thal sah neue Auf­ga­ben auf sich zukom­men, die er frü­her sich so hatte wohl kaum vor­stel­len kön­nen: er erar­bei­tete den Ent­wurf einer Ver­fas­sung für den Frei­staat Thüringen.

Dass zwi­schen 1933 und 1945 der Name des Juden Edu­ard Rosen­thal nicht erwähnt wurde, ver­steht sich von selbst. Auch die DDR, so Ebert, »wusste mit die­sem Erbe wenig anzu­fan­gen.« Doch schon in den 90er Jah­ren wurde in dem Jenaer Arbeits­kreis » Juden­tum« und von ein­zel­nen Wis­sen­schaft­lern zu Rosen­thal geforscht. Dar­auf, aber in höhe­rem Maße noch auf umfang­rei­che eigene über Jahre geführte Recher­chen in Archi­ven, in Kor­re­spon­den­zen und Gesprä­chen konnte Ebert  auf­bauen, um ein »Cha­rak­ter­por­trät« zu schaf­fen, das über kon­krete, greif­bare und bis heute wir­kende Akti­vi­tä­ten ver­mit­telt wird. Zugleich aber kom­men damit auch Wis­sen­schaft­ler, Künst­ler und Poli­ti­ker ins Bild, mit denen er befreun­det, kol­le­gial und mensch­lich ver­bun­den war: etwa Ernst Abbe, Ernst Haeckel, Max Wundt, Eugen Diede­richs u.a. Sie haben mit ihm Anteil an einem Jena, in dem Theo­rie und Pra­xis, Wis­sen­schaft und Kunst, moderne in die Welt wir­kende Indus­trie­pro­duk­tion mit einer hoch qua­li­fi­zier­ten Arbei­ter­schaft in idea­ler Weise zusammentrafen.

In einer so über­schau­ba­ren Stadt, in der die Bewoh­ner durch all­täg­li­che Abläufe in Beruf und Frei­zeit zusam­men­ge­führt wur­den, ent­stan­den auch fami­liäre For­men geis­ti­gen und kul­tu­rel­len Aus­tauschs, in die auch die Frauen der Pro­fes­so­ren ein­grif­fen. Clara Rosen­thal, selbst künst­le­risch begabt und anre­gend lud pro­mi­nente Gäste ein und wirkte über die  spon­tan sich zusam­men­fin­dende Gesell­schaft der Kunst­freunde von Jena und Wei­mar. Das Haus Rosen­thal wurde so zu einem Begeg­nungs­ort eines zwar klei­nen Krei­ses, der aber Zei­chen setzte. Bemer­kens­wert sind zwei Lesun­gen Ste­fan Geor­ges 1905 und 1906. Über Irene Eucken voll­zog sich auch die Ver­bin­dung mit dem Schwei­zer Maler Fer­di­nand Hod­ler, der hier an dem Gemälde » Aus­zug deut­scher Stu­den­ten in den Frei­heits­krieg 1813« arbei­tete und das 1909 der Uni­ver­si­tät über­ge­ben wurde.

Edu­ard Rosen­thal war von Hei­del­berg über Ber­lin nach Jena gekom­men. Akri­bi­sche For­schung und prä­zise For­mu­lie­rung sei­ner Arbei­ten und Vor­le­sun­gen ver­band er mit Groß­zü­gig­keit und Herz­lich­keit im Umgang mit Kol­le­gen und Stu­den­ten. Unter­hal­tende und ent­span­nende Pro­fes­so­ren­spa­zier­gänge, an denen Rosen­thal mit Ver­gnü­gen teil­nahm, waren, wie der Autor kom­men­tiert, » ein Teil aka­de­mi­scher, demo­kra­ti­scher Kul­tur und Gesel­lig­keit.« Seine für Jena blei­bende Leis­tung muss man wohl in sei­nem Wir­ken als Vor­sit­zen­der des Kunst­ver­eins sehen. Ohne ihn wäre die Fülle von Aus­stel­lun­gen mit Wer­ken bedeu­ten­der Künst­ler wohl nicht mög­lich gewe­sen. In Jena konnte man Arbei­ten Henry  van de Vel­des, Hein­rich Vogelers, Lud­wig von Hoff­manns, Chris­tian Rohlfs‘, Käthe Koll­witz‘, Emil Nol­des, Karl Schmidt Rottluffs, Bern­hard Pan­koks, Ernst Lud­wig Kirch­ners, Edvard Munchs und van Goghs sehen. Dazu kamen die geist­vol­len, moderne Kunst auf­schlie­ßen­den Rezen­sio­nen des Kunst­his­to­ri­kers Botho Graef. Sie wei­sen die Pro­vinz­stadt als Kunst­stadt auf hohem Niveau aus. Dass Edu­ard Rosen­thal 1911 die Rede zur Ein­wei­hung des Ernst-Abbe-Denk­mals hält, die­sem gemein­sa­men Werk von van de Velde, Meu­nier und Klin­ger, war ein Glücks­fall und Höhe­punkt sei­nes Wir­kens in und für Jena. Denn er hatte Ernst Abbe bera­ten, als die­ser die Carl-Zeiss-Stif­tung gründete.

Wie durch­ge­hend in die­sem Buch lässt Ebert Rosen­thal in sei­nen Reden und Brie­fen aus­führ­lich zu Wort kom­men und als Per­sön­lich­keit der Uni­ver­si­täts-und Stadt­ge­schichte leben­dig erste­hen. Was man über das Ein­grei­fen Rosenthals in die deut­sche Innen­po­li­tik am Ende des Krie­ges z.B. aus der Kor­re­spon­denz mit dem befreun­de­ten Staats­mi­nis­ter Cle­mens von Del­brück erfährt, lässt eher bestimmte Gren­zen erken­nen. Die, wenn man so will,  »mit­ge­hende Inter­pre­ta­tion« der Rosenthal­schen Bio­gra­fie, eines groß­ar­ti­gen und rei­chen Lebens, hielt den Autor in die­sem Punkt von einer ent­schie­de­nen Distan­zie­rung ab. Rosenthals Sohn fiel als Kriegs­frei­wil­li­ger schon kurz nach Kriegs­be­ginn, die kai­ser­li­che Kriegs­füh­rung for­derte immer mehr Opfer und Ent­beh­run­gen. Er aber blieb, was er auch damit ver­bun­den haben mag, »Herz­mon­ar­chist«. Der Jurist aber ver­stand sich als Demo­krat. Demo­kra­tie war fest­ge­schrie­ben in Geset­zen und Ver­ord­nun­gen, an denen er selbst betei­ligt war und das war Aus­gleich von Widersprüchen.

In  einem Epi­log lässt der Autor Künst­ler zu Worte kom­men, die in der Villa Rosen­thal direkt und im wei­te­ren Sinne an Edu­ard Rosen­thal erin­nern oder an seine Ideen­welt anknüp­fen. Ein schö­ner Gedanke: Dort, wo er starb, wohin der Sohn Curt nicht zurück­kehrte und seine Frau Clara sich frei­wil­lig das Leben nahm,  herrscht heute  eine viel­sei­tig anre­gende kul­tu­relle Atmo­sphäre, die Blei­ben­des wie Zukünf­ti­ges verbindet.

 

  • Diet­mar Ebert: Edu­ard Rosen­thal. Ein Cha­rak­ter­por­trät, Edi­tion azur Dres­den 2018, 232 S., geb., 14,90 EUR.
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