Die Schattenseiten von Weimar – Auf den Spuren vertriebener Geister
4 : Windischengasse – Schillers Zwischenhalt

Person

Friedrich von Schiller

Ort

Schillerhaus Weimar

Thema

Literarisches Thüringen um 1800

Autor

Jens-Fietje Dwars, Ulrich Kaufmann

Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.

Wir gehen vom Markt wenige Schritte zur Win­di­schen­straße, am Haus Nr. 8 erin­nert eine Tafel daran, dass Schil­ler hier 1799 bis 1802 wohnte. Schil­ler ein Ver­trie­be­ner? Im Dezem­ber 1799 war er mit sei­ner Fami­lie von Jena über­ge­sie­delt, um dem Thea­ter und Goe­the näher zu sein. Doch wirk­lich ange­kom­men ist der Stü­cke­schrei­ber in Wei­mar nie. Erst 1802 gelingt es ihm, an der Espla­nade ein eige­nes Haus zu erwer­ben, für des­sen Abzah­lung sich der Dra­ma­ti­ker zu Tode arbei­tet: Maria Stuart, Die Jung­frau von Orleans, Die Braut von Mes­sina, Wil­helm Tell – jedes Jahr schreibt er ein neues Stück!

Selt­sa­mer­weise wächst mit dem Werk auch die Distanz zu Goe­the und zu Wei­mar: „Oft treibt es mich, mich in die Welt nach einem ande­ren Wohn­ort und Wir­kungs­kreis umzu­se­hen“, schreibt Schil­ler 1803 an Hum­boldt. Und im Jahr dar­auf an Wil­helm von Wolzo­gen: „Ich sehe mich hier in so engen klei­nen Ver­hält­nis­sen, daß es ein Wun­der ist, wie ich nur eini­ger­ma­ßen etwas leis­ten kann.“

Zwar hebt ihn der Her­zog in den Adels­stand (woran mehr sei­ner Frau als ihm selbst gele­gen war) und erhöht sein Ein­kom­men, doch Schil­ler zieht es längst nach Ber­lin, wo er 1804 gefei­ert wurde. Auch die Stoffe, die er für künf­tige Stü­cke plant, ver­ra­ten diese Sehn­sucht nach der Groß­stadt, nach dem Phä­no­men der Masse: „Deme­trius“ han­delt von der Aus­wech­sel­bar­keit des ein­zel­nen im Rin­gen um Macht, „Die Poli­zey“ vom Unter­grund in Paris und meh­rere Ent­würfe krei­sen um das Thema See­fahrt, Europa und die Neue Welt. Sol­che The­men spreng­ten den Hori­zont der Klas­sik, ver­lang­ten nach einer neuen Form.

Nur die Krank­heit und der frühe Tod 1805 ver­hin­der­ten, dass Schil­ler die klas­si­zis­ti­sche Schein­idylle mit ihre höfi­schen Zwänge verließ.

 Die Schattenseiten von Weimar – Auf den Spuren vertriebener Geister:

  1. Vor dem einstigen Hotel »Zum Erbprinz« – Lenz in Weimar
  2. Ein Tonsetzer in Haft – Erinnerung an den jungen Bach
  3. Marktplatz. Ein Stein zur doppelten Erinnerung an Jean Paul Richter und Gisela Kraft
  4. Windischengasse – Schillers Zwischenhalt
  5. Die Thelemannsche Buchhandlung von Gustav Kiepenheuer
  6. Doppelt vertrieben. Bauhaus-Museum und Goethe-Schiller-Denkmal auf dem Theaterplatz
  7. Wielandstraße 29 – Böcklin und das »Silberne Weimar«
  8. Goetheplatz 9 – Kunsthalle Harry Graf Kessler
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