»Verbrenn diesen Brief! Herder und die Frauen«
Ausgewählt und eingeleitet von Marie-Elisabeth Lüdde
Johann Gottfried Herder gehört zu den Großen des klassischen Zeitalters und ist doch nahezu unbekannt. Obwohl er eine bedeutende Wirkungsgeschichte hatte, werden seine Texte heute selten gelesen. Und schlimmer noch: Herder wurde zu einer Fußnote in Goethes Biografie, kaum mehr als sein Lehrer in Straßburg. Heutige Vorurteile erinnern sich seiner vorwiegend als griesgrämig und unmutig. Dabei handelte es sich doch um einen Charakterzug der Zeit und war die Kehrseite all der hochgemuten Ideale. Viele bedeutende Geister dieser Zeit litten an düsteren Stimmungen, an Schwermut und Selbstzweifeln.
In Wahrheit war Herder ein origineller Schriftsteller, Philosoph, Historiker, Pädagoge, Sprachforscher, Volksliedersammler und wurde als kühner Erneuerer und Anreger bewundert. Sein Leben, seine Werke, seine Philosophie, seine Ideen wurden begierig aufgegriffen und hatten weitgespannte internationale Nachwirkungen; Herder harrt heute der Neuentdeckung.
Hier nun sollen seine Briefe an Frauen und über Frauen im Mittelpunkt stehen; gerade sie zeigen seine Sprachkraft. Geschrieben sind sie in der Sprache der Empfindsamkeit, der hohen Gefühle. Seiner Braut und späteren Frau Karoline schrieb er zauberhafte Briefe; es sind Briefe der Liebe, Briefe eines fortdauernden Gespräches. Seine Ehe mit Karoline galt in seiner Zeit als bestaunte Ausnahme: ein Paar, das sich lebenslang liebte und unterstützte, das sich zahlreiche Briefe schrieb, wann immer sie nicht zusammen sein konnten.
Herder war ein Mann, der einfühlsam auf Frauen zuging, der leicht ihr Interesse fand, weil er sie als Partnerinnen wahrnahm, denen er zugeneigt war, die er schätzte und von denen er lernte. Das war im ausgehenden 18. Jahrhundert ganz ungewöhnlich. Und so gab es eine Reihe Frauen, die Herders Herz nahe standen: Madame Busch in Riga, Therese Heyne in Göttingen, Gräfin Maria zu Schaumburg-Lippe in Bückeburg, die Malerin Angelika Kauffmann in Rom, ganz besonders Sophie von Schardt in Weimar und viele andere mehr.
Marie-Elisabeth Lüdde war Pfarrerin und Professorin für evangelische Theologie. Seit 2001 ist sie freischaffende Schriftstellerin. Sie ist Vorsitzende des Thüringer Literaturrates und Vizepräsidentin des Kulturrates Thüringen.
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