[Lisa Heise (1893–1969) – die Rilke-Korrespondentin und ihr Jenaer Tagebuch 1937/38]
Lisa Heise (1893–1969) ging im Jahr 1930 fast über Nacht in die Literaturgeschichte ein. Damals veröffentlichte der Leipziger Insel Verlag Rainer Maria Rilkes „Briefe an eine junge Frau“. Gerichtet waren sie an Lisa Heise, mit der der berühmte Dichter zwischen 1919 und 1924 korrespondierte. Das schmale, kaum zehn Briefe umfassende Bändchen fand beim Lesepublikum eine überraschend große Resonanz.
Dass Lisa Heise aber nicht nur Korrespondentin des berühmten Dichters war, sondern eine Autorin ganz eigenen Ranges, zeigen ihre im Nachlass aufgefundenen Prosaarbeiten. Die autobiographisch geprägten Texte machen deutlich, wie eng ihr Leben und Schreiben mit Thüringen verbunden war.
Eine besonders wichtige Lebensstation ist dabei Jena, wo Lisa Heise von 1926 bis 1938 lebt. Sie arbeitet zunächst als Sekretärin des bedeutenden Mediziners Emil Klein (1873–1950) an dessen Klinik für Naturheilverfahren. Klein hatte in Jena außerdem die erste Professur für Naturheilverfahren an einer deutschen Universität inne. Als die damals fortschrittliche Klinik nach der nationalsozialistischen Machtübernahme geschlossen wird, wechselt sie zur HNO-Klinik, wo sie bis 1938 tätig ist. So kann sie für sich und den Sohn sorgen, für den sie nach dem frühen Scheitern ihrer Ehe mit dem Maler und Kunstgewerbler Wilhelm Heise seit 1919 allein verantwortlich ist. Sie ermöglicht ihm so ein Ingenieursstudium im nahen Weimar.
Die wenige freie Zeit nutzt Lisa Heise zum Schreiben, in der Hoffnung, sich damit eines Tages von ihrem Klinikalltag, dem „Leben auf dem Büroschemel“, loskaufen zu können. Sie veröffentlicht kleinere Erzählungen und Gedichte in Zeitungen und Zeitschriften und gibt 1934 in der Berliner Rabenpresse als Ergänzung zu den Briefen des Dichters, ihre „Briefe an Rainer Maria Rilke“ heraus. Damit beschert sie dem kleinen Verlag den einzigen „Bestseller“ seiner Geschichte.
„Scherzo in Moll“ nennt sie ihre Erinnerungen der Jenaer Jahre 1937/38. Darin erzählt sie mit großer Sprachkraft und Leichtigkeit und voll feiner Ironie vom schwierigen Alltag einer alleinstehenden berufstätigen Frau, beobachtet die zunehmende Militarisierung des öffentlichen Lebens im Jahr vor Kriegsausbruch und berichtet von Besuchen bei Freunden und Bekannten, so dem pensionierten Pfarrer Carl Vogl in Vierzehnheiligen.
Eine andere Lebensstation war Weimar, wo Lisa Heise von 1920 bis 1924 auf der Tiefurter Flur gemeinsam mit einer Freundin eine kleine Gärtnerei betreibt. Der heroische Versuch der beiden Frauen, wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erlangen, spricht sich herum und Besucher aus der Stadt, besonders von Bauhausmitarbeitern und Studenten stellen sich ein. Auch darüber erzählt sie in einem klugen und ausdrucksstarken Prosatext.
Aus Lisa Heises jetzt erstmals in Buchform vorliegenden Lebenserinnerungen lesen York-Egbert König (Historiker) aus Eschwege und Kristin Schwamm (Übersetzerin) aus Göttingen. Im Mittelpunkt des biographischen Portraits werden die Jenaer Jahre stehen. Die Veranstaltung findet am Samstag, dem 29. August 2015 um 15 Uhr im Romantikerhaus statt.
Lisa Heise: Scherzo in Moll. Lebenserinnerungen einer Rilke-Korrespondentin, aus dem Nachlass herausgegeben von York-Egbert König und Kristin Schwamm, Groß-Gerau 2015.
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